Labile Allianz

Nach dem Amerika-Gipfel in Mexiko

junge welt vom 12.01.2004
Harald Neuber, Labile Allianz

 

So hatte sich Bush »seinen« Amerika-Gipfel wohl nicht vorgestellt. Trotz aller diplomatischen Bemühungen im Vorfeld ist der US-Präsident auf dem zweitägigen Treffen der lateinamerikanischen Staats- und Regierungschefs im nordmexikanischen Monterrey vorerst gescheitert. Weder wird die US-dominierte Freihandelszone ALCA zum ursprünglich geplanten Termin 2005 in Kraft treten. Noch gelang es Mr. President, die Regierungen in Havanna und Caracas politisch vom Rest der Gaststaaten zu isolieren. Von Montag bis Mittwoch wurde vor allem deutlich, daß die lateinamerikanische Gemeinschaft zu einem neuen Bewußtsein, mehr noch, zu einem neuen Selbstbewußtsein gefunden hat.

Aber die Front ist labil. Was, wenn die lateinamerikanischen Mandatsträger in Monterrey nur aus ihrer Deckung gelockt wurden? Immerhin handelte es sich in Monterrey um ein außerplanmäßiges Treffen, dessen Ergebnis kaum weiter Beachtung finden wird. Washington steht − ähnlich wie beim Freihandelsstreit − nun der Weg offen, bis zum kommenden regulären Gipfel 2005 in Argentinien durch bilaterale Verhandlungen Löcher in die nun enttarnte politische Front im Süden zu stoßen. Das Ergebnis von Monterrey hätte sich dann als Pyrrhussieg erwiesen.

Doch gelten für beide Seiten die gleichen Regeln. Mexikos Präsident Vicente Fox, von Bush als »guter Freund« gelobt, hatte im eigenen Land sichtlich Mühe, seine US-Nähe zu vermitteln. Und auch bei seinen südlichen Nachbarn stieß Fox‚ betonte Nähe zu den USA auf Kritik. Will die lateinamerikanische Gemeinschaft nicht wieder vollends zum Hinterhof der USA werden, muß Mexiko wieder politisch integriert werden.

Lehrreich waren auch die konzertierten Attacken aus dem US- Außenministerium. Nach einem Sprecher des »State Departement« hatte in der Vorwoche ein Staatssekretär und schließlich die Sicherheitsberaterin des US-Präsidenten Terrorvorwürfe gegen die Regierungen von Kuba und Venezuela erhoben, weil diese am deutlichsten globalisierungskritische Positionen vertreten. Womit deutlich wurde, daß Washington seinen »Kampf gegen den Terrorismus« eher heute als morgen als Vorwand für die direkte militärische Offensive gegen sozialen Widerstand südlich des Rio Bravo führen kann. Brasiliens Präsident Inácio Lula da Silva und der argentinische Peronist Néstor Kirchner scheinen diese Gefahr erkannt zu haben. »Auf diesem Kontinent ist kein Platz mehr für Diktatoren«, hatte Bush den 33 Staats- und Regierungschefs erklärt. Die Chancen stehen nicht schlecht, daß dieses Urteil auf ihn selbst zurückfällt.

 

Quelle: http://www.jungewelt.de/2004/01-15/002.php


 

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