Reifenfirma Continental bleibt stur

junge welt vom 17.05.2004
Henry Mathews

 

Conti bleibt stur
Mexikanischer Abgeordneter fordert Aktionäre des Reifenkonzerns zum Einlenken im Arbeitskampf auf

Manfred Wennemer hat ein Lieblingswort: "Wachstum" hatte sich der Vorstandsvorsitzende des Hannoveraner Reifenherstellers Continental in fast jeden Absatz seines Berichts an die Hauptversammlung des Konzerns am Freitag schreiben lassen. Einen Rekordgewinn von 314 Millionen Euro nach Steuern konnte er den Aktionären im Kongreßzentrum Hannover verkünden. Die dankten es ihm und genehmigten sich eine Dividendenerhöhung um 16 Prozent.

Auch Wennemer dankte − den Beschäftigten für die Bereitschaft, statt 37,5 nun 40,2 Stunden pro Woche zu schuften, ohne dafür vollen Lohnausgleich zu erhalten. Und er warb um Verständnis − für die fortgesetzte Verlagerung von Arbeitsplätzen aus Deutschland in Billiglohnländer, was aber keinesfalls "unpatriotisch" genannt werden dürfe.

Kontinuität bewies der Konzernchef in der schon seit drei Jahren praktizierten Ignoranz gegenüber ausländischen Gesetzen. Gezwungen wurde er zur Offenlegung seines Rechtsbewußtseins durch eine Delegation mexikanischer Gewerkschafter, die mit Vollmachten vom Dachverband der Kritischen Aktionäre vor den Aktionären sprachen.

"Wir kommen, um das Einkommen der Beschäftigten einzufordern", erklärte Gewerkschafter Jesus Torres Nuño. Streitfall ist die Schließung der Conti-Reifenfabrik im mexikanischen Guadalajara im Dezember 2001, mit der der Konzern über 1000 Arbeiter ohne Vorwarnung arbeitslos gemacht hatte. Die halten das Werk bis heute besetzt und streiken.

Unterstützung erhielt Torres durch Pablo Franco Hernandez, Abgeordneter des mexikanischen Bundesparlaments. "Wir unterstützen bedingungslos die Arbeiter", rief er und warnte die Aktionäre vor möglichen Kosten bis zu 50 Millionen Euro wenn die Konzernleitung nicht einlenke. Die Unternehmensleitung habe den Streik durch die Entlassung von 18 Gewerkschaftsführern selbst provoziert.

Der Conti-Vorstand hält den Streik für illegal. Dem widersprach Professor Alfonso Bouzas, Arbeitsrechtsexperte von der Universität Mexiko -City: "Das oberste Arbeitsgericht Mexikos hat im Februar 2004 klar geurteilt", berichtete der Jurist: "Der Streik ist statthaft, und das Unternehmen muß die ausstehenden Löhne nachzahlen, weil es die vorgeschriebene behördliche Genehmigung zur Schließung des Werks niemals eingeholt, und die Notwendigkeit der Schließung nicht belegt habe.

Vorstandchef Wennemer kämpfte am Freitag dennoch wortreich um eine eigene Interpretation der Rechtslage. Gegen das Urteil habe Conti Verfassungsbeschwerde eingelegt, womit die letztinstanzliche Entscheidung noch ausstehe. Der Konzern habe bereits Abfindungsangebote vorgelegt. Auf keinen Fall werde man das "halbverrottete Werk" wieder eröffnen.

"Wir suchen nicht nur das Geld", stellte Torres deshalb klar, "wir suchen Arbeit." Die Gewerkschaft wolle das Werk gemeinsam mit interessierten mexikanischen Investoren und staatlicher Unterstützung in Eigenregie übernehmen. Voraussetzung sei die Nachzahlung der Löhne, die sich inzwischen auf umgerechnet 30 Millionen Euro summieren − das Dreifache der von Conti angebotenen Abfindung, aber nur ein Zehntel des nun verkündeten Gewinns.

 

Quelle: http://www.kritischeaktionaere.de/Konzernkritik/Continental/Conti-2004/conti-2004.html


 

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