Der Revolutionsmythos in Mexiko

Buchtipp vom 01.02.2005
Raina Zimmering (Hrsg)

 

Die AutorInnen des Buches «Der Revolutionsmythos in Mexiko" haben sich vorgenommen, das Ende eines politischen Mythos und den Zusammenhang zwischen Mythenwandel und gesellschaftlichen Wandel aufzuzeigen. Die Revolution von 1910, die in der Vorstellung der Mexikaner nationale Einheit, Assimilation der Indigenas, soziale Gleichheit und nationale Unabhängigkeit bedeutet, passt nicht mehr zur neoliberalen Globalisierung, dem begehrtesten Objekt der neuen Eliten. Im Buch wird gezeigt, wie sich die Repräsentation politischer Ziele infolge politischer Brüche verändert. Da ab der 80er Jahre immer größere Teile der mexikanischen Gesellschaft zu Ausgeschlossenen und Entwürdigten degradierten, erfuhr das Bekenntnis zur Revolution tiefe Risse. Die Revolution wurde durch gewalt- und machtkritische und feministische Diskurse wie z.B. den zapatistischen Aufstand in Chiapas und Romanen wie «Mal de Amores" von Ángeles Mastretta vom Sockel geholt und grundlegend in Frage gestellt. Andrerseits machten als Flucht vor der sinnentleerten Gegenwart neue Identitätsgeschichten der Revolutionserzählung Konkurrenz. Kultromane wie «Regina" und der Mythos von Aztlán lassen die altamerikanische Vergangenheit wieder auferstehen und verdichten sie zu neuen gemeinschaftsbildenden Identifikationspunkten, die aus einer postulierten «großartigen" Vergangenheit Hoffnung für eine bessere Zukunft konstruieren.

Der Literatur über politische Mythen wird ein weiteres Buch hinzugefügt. Seinen Innovationswert leitet es erstens aus dem in Europa selten bearbeiteten Anwendungsgebiet des Mythos auf die mexikanische Revolution und zweitens aus seinem theoretischen Anspruch ab, die Konstellation zwischen Mythen- und Gesellschaftswandel herzustellen. Die mexikanische Revolution von 1910 wird unter dem Gesichtspunkt der Mythentheorie von Ernst Cassirer und Hans Blumenberg und der Gedächtnistheorien von Jan und Aleida Assmann behandelt.

ca. 214 Seiten, Broschur mit Fadenheftung
Format 23,5 x 15,5 cm
Epistemata Literaturwissenschaft 534
Erscheinungstermin: 2. Quartal
ca. € 29,80 / SFr 52,20
ISBN 3-8260-3009-5

Die Herausgeberin

Raina Zimmering hat Geschichte, Kunstgeschichte und Ethnographie an der Humboldt Universität zu Berlin studiert, zur Außenpolitik Argentiniens promoviert und zur Sicherheitspolitik Brasiliens, Argentiniens und Uruguays habilitiert. Sie forschte und unterrichte in den USA, Argentinien und Mexiko. Seit 1994 arbeitete sie an der Humboldt-Universität, zeitweise als wissenschaftliche Mitarbeiterin, Professorin und Lehrstuhlleiterin. Gegenwärtig ist sie am Institut für Geschichtswissenschaften als Lehrbeauftragte für Sozialgeschichte lateinamerikanischer Länder tätig. Im Rahmen von Feldforschungen und als Vertreterin internationaler Menschenrechtsorganisationen hielt sich die Verfasserin und Autorin mehrfach in verschiedenen Regionen Mexikos, u.a. in indigenen Gemeinden im Lakandonischen Urwald, auf.

Inhaltsverzeichnis:

Vorwort 7

Raina Zimmering: Politische Mythen. Eine theoretische Einführung 16

Raina Zimmering: Mythenwandel und politische Transition in Mexiko 27

Kerstin Gruihn: Die Erziehungspolitik von Vasconcelos 45

Swen Schlünzig: Die Kunst Diego Riveras vor dem Hintergrund unstabiler gesellschaftlicher Verhältnisse und sich wandelnder politischer Ziele 54

Damaris Bahr Die Implementierung der Revolution über den Muralismus: David Alfaro Siqueiros 72

Oliver Schulz : José Clemente Orozco. Darstellung der mexikanischen Revolution im Muralismus 91

Paul Blau: Juramento a la Bandera. Zur Bedeutung von politischen Symbolen für das mexikanische Nationalbewusstsein 106

Tamara Schmitt: Die Begehung des Tags der Revolution in Mexiko unter verschiedenen Präsidenten 122

Heiko Geibig: Los de abajo und Mal de Amores − zwei Beispiele literarischer Arbeit am mexikanischen Revolutionsmythos 136

Raina Zimmering Die Revolte gegen die «Revolution", der Zapatismus 150

Ana Cordes: Die Sache mit der Skimütze." Zu Bedeutung und Funktion der Maskierung bei der EZLN 165

Raina Zimmering Die indigene Reinkarnation des Muralismus − der Maderaismus 176

Alexa Pauls: Regina − ein moderner mexikanischer Mythos 180

Gabi Löffler: Der Mythos von Aztlán 198
 

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