Worte von SCI Marcos auf dem 4. Vorbereitungstreffen

EZLN vom 08.10.2007
übersetzt von: Dana

 

Treffen der Indigenen Völker von Amerika

Worte von Subcomandante Insurgente Marcos auf dem 4. Vorbereitungstreffen
Rancho El Peñasco
Territorium der Tohono Odam
8. Oktober 2007

Guten Abend.

Wir möchten zuallererst der Familie Monroy danken, die unter heroischen Bedingungen diese Farm unterhalten, diesen Ort der Gastfreundschaft und des Lernens, an dem die Kinder und Jugendlichen dieses Landes und aus anderen Teilen der Welt lernen können, wie wichtig es ist, die Natur zu bewahren und zu achten.

Vor einem Jahr waren wir im Oktober hier, im Nordwesten Mexikos, in Sonora. Und es war das Wort der Tohono Odam, das uns darauf aufmerksam machte, was hier auf diesem Territorium geschieht. Die Stimme, die zu uns sprach war indigen und gehörte einer Frau: Ofelia Rivas.

Sie war es, die uns darauf brachte, darüber zu sprechen, was mit der Mutter Erde geschieht, der Luft, dem Wasser, den Tieren, das, was wir Mutter Natur nennen.

Und sie sagte uns, dass die Grenzen und das Geld das indigene Gebiet geteilt hatten, und dass dadurch unter anderem eine der an Biodiversität reichsten Zonen auf der ganzen Welt vernichtet wird, die sich hier in Sonora befindet, nämlich die Wüste.

Als das Geld hier ankam, privatisierte es die zeremoniellen Zentren in denen unsere Weisen und die ältesten unserer Stämme es schafften, die Welt und die Natur miteinander ins Gleichgewicht zu bringen.

Alle kommenden Desaster, so sagte sie uns, rühren daher, dass der Respekt vor der Mutter Erde verloren gegangen ist, und sie in eine Prostituierte verwandelt wurde, die jedem verkauft wird, der Geld hat.

Jene, die den Auftrag haben sie zu bewahren, die Indigenen Völker, sind angegriffen und, vernichtet worden. Der Tohono Odam, der Pápago, ist ein Ausländer auf seinem eigenen Land. Genau wie die Nation Coomcaa, die Seri, die Pima, die Mayo Yoreme, und die Yaqui.

Für das Geld sind diese zweifach unsichtbar. Unsichtbar weil sie nicht produzieren und nicht kaufen, keine Kreditkarten besitzen. Und unsichtbar auch, wenn es um ihre Rechte geht.

Es war in Sonora, wo wir die Indigenen Völker des Nordens Mexikos entdeckten. Und nur wenige Monate nach den Worten von Ofelia Rivas, legte die Natur hier in Sonora, in Mexiko und auf dem ganzen Kontinent die Rechnung vor.

Naturkatastrophen brachen aus, zur falschen Zeit und am falschen Ort. Und zum ersten Mal seit vielen Jahren erlitt Sonora den Ansturm eines Zyklons oder eines Orkans, der die Häuser und das Eigentum vieler armer Leute zerstörte.

Als ob die Natur davor warnte, was später folgen wird, wenn wir nichts unternehmen.

Zur gleichen Zeit da dies geschieht, verkauft man uns dort oben eine Lüge. Für die da oben und für viele Menschen sind die indigenen Völker Nordamerikas das, was uns das Hollywood-Kino vorsetzt. Sie sind die Statisten, bei deren Tötung die Güeros [die "Blonden"] sich hervortun können.

Oder sie dienen als Witzfiguren, als ob die Indigenas hier in Mexiko nichts weiter wären als Marionetten oder Clowns. Als ob der Indigena in Nordamerika das Sinnbild eines Verbrechers wäre und der Indigena aus Mexiko das Sinnbild eines Taugenichts’.

Einer der Vorsätze dieses Treffens ist, mit diesem falschen Bild von uns selbst zu brechen. Wir müssen uns nicht Spezialisten oder Büchern zuwenden, um die nordamerikanische indigene Bevölkerung kennen zu lernen, sondern an die eigenen Führer, Häuptlinge und Delegierten dieser Stämme.

In diesen Tagen und in diesen Stunden überqueren Hunderte indigener Völker des gesamten Kontinents, vertreten durch ihre Delegierten, das Land, die Luft und die Meere dieser Kontinente, um sich in Vicam auf dem Gebiet des Yaqui Stammes hier in Sonora zu versammeln.

Das wichtigste an diesem Treffen ist, dass unsere Stimme als indigene Völker vom anderen gehört werden kann, dass wir unsere Schmerzen selbst benennen können, und anfangen können, dem Heilmittel einen Namen zu geben.

Die Mission, die wir als indigene Völker haben, ist einfach: die Welt zu retten.

Es geht hier nicht darum wer etwas hat und wer nicht. Die neuen Naturkatastrophen, die den Kontinent und die ganze Welt heimsuchen, werden sich bei ihren Zerstörungen nicht nach Bankkonten, der politischen Zugehörigkeit, Glaubensrichtung oder Hautfarbe richten.

Was wir wissen, ist, dass die Regierung diese Katastrophen benutzt, um in den Medien Verlautbarungen zu machen, aber nicht, um das Problem zu lösen.

Wir denken dass es die Menschen unten sind, die indigenen Völker des Kontinents und die Menschen aller Farben, die mit uns stehen, die etwas unternehmen müssen um der Erde die Ehre zurückzugeben, die sie uns gegeben hat, nämlich zu leben.

Es ist ein Zeichen, ein gutes Zeichen, das das Treffen der Indigenen Völker von Nordamerika, auf dem Gebiet der Tohono Odams beginnt, und zwar am gleichen Tag, an dem ein Mann zur Stunde seines Todes von der Einigkeit dieses Kontinents träumte: Ernesto Che Guevara.

Wir setzen viel Hoffnung auf Ihr Wort, und auf das, was wir daraus lernen werden. Und wir hoffen, dass viele Menschen auf der ganzen Welt, in den Medien und in allen Winkeln dieses Planeten gemeinsam mit uns aus Ihrem Wort, aus Ihrer Geschichte, aus Ihren Schmerzen, und aus der Medizin, lernen werden, die kollektiv sein wird oder auch nicht.

Vielen Dank


Treffen der Indigenen Völker von Amerika

Worte von Subcomandante Insurgente Marcos beim Abschluss des 4. Vorbereitungstreffens Rancho El Peñasco 9. Oktober 2007

Guten Abend.

Bei alldem geht es um Leben und Tod

Wir sind die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung. Und wir stehen vor dieser Alternative zwischen Leben und Tod schon seit fast 13 Jahren.

Für andere soziale Gruppen besteht die Alternative aus Macht, Geld oder einem guten Leben.

Für die indigenen Völker von Amerika besteht die Alternative aus der Option zwischen Leben und Sterben.

Als Völker von Maya-Abstammung, waren die zapatistischen Dörfer von der Vernichtung bedroht. Sie töteten uns nicht mit Bomben oder Kugeln, sondern mit Krankheiten. Mit Elend und mit Armut. Aber die schlimmste aller Krankheiten, die tödlichste von allen, ist das Vergessen.

Deswegen sagten wir, dass wir uns gegen das Vergessen erhoben haben. Unser Krieg ist ein Krieg gegen das Vergessen.

Auf dem Weg des Feuers, dem wir folgten, trafen wir Sie und Menschen wie Sie. Und wir fanden heraus, dass das Wort eine bessere Waffe war als das Feuer.

Seit 1994 haben wir immer wieder auf dem Wort bestanden, aber nicht mehr um es an jene zu richten, die oben sind, an die Regierenden, sondern an die Menschen von unten, wie Sie.

Vor wenigen Momenten übergab uns ein Compañero Tohono Odham diese Landkarte: Sie heißt "The Humane Border, Mitfühlende Grenze." Wenn Sie sich diese Landkarte von Nahem ansehen, kann man darauf das Gebiet Tohono Odham erkennen.

All diese Punkte, die Sie auf Ihren Gebieten sehen, stellen die Tode von Migranten dar. Mehr als eintausend registrierte Tode und wahrscheinlich doppelt so viele, die nicht registriert worden sind.

Als wir als indigene Völker in die Welt gesetzt wurden, übertrug man uns die Sorge für das Leben von Natur und Menschen.

Dies ist, was die Regierungen machen: sie verwandeln unsere Gebiete in einen Ort des Todes. Deswegen ist dies ein Kampf zwischen Leben oder Tod. Und ich spreche von den Tohono Odham, weil sie diejenigen sind, die uns empfangen haben. Und auf diesen Reisen, die wir unternommen haben, haben wir sie kennen gelernt. Und wir haben ihre Wertschätzung für das Leben kennen gelernt und bewundert. Nicht das individuelle und egoistische Leben, sondern das kollektive, gemeinsame Leben, als Volk.

Während die Regierungen der Vereinigten Staaten und von Mexiko nichts tun, um dem Tod abzuhelfen, der unsere Landsleute heimsucht, die beim Überqueren der Grenze sterben, versuchen die Tohono Odham und viele nicht-indigene soziale Gruppen dies in ein Projekt des Lebens, nicht des Todes zu verwandeln.

Jetzt nachdem wir uns hier in diesen Tagen versammelt haben, werden wir Morgen nach Vicam aufbrechen. Dort werden wir uns mit anderen indigenen Völkern treffen, die wir nicht kennen, und werden in ihrem Wort in der einen oder anderen Form die gleiche Alternative hören: Leben oder Tod.

Wenn wir sagen, dass wir für das Land kämpfen, kämpfen wir in Wahrheit für das Leben, für diese Mädchen und Jungen.

Und um in diesem Kampf Kraft zu schöpfen, wenden wir den Blick nach hinten, auf die Vergangenheit, auf unsere Abstammung auf das, was wir waren, auf unsere ältesten, auf die Menschen im hohen Alter, auf die Senioren, auf die Sprache, auf die Kleidung, auf den Gesang, auf den Tanz, auf das, was uns zu dem macht, was wir sind.

Während anderswo die dort oben sich dessen schämen, was sie sind, ihrer Hautfarbe ihrer Sprache, ihres Blutes, das durch ihre Adern fließt, sind wir indigenen Völker stolz darauf, denn das, was andere verachten, bedeutet Leben.

Darum geht es bei diesem Treffen, Compañeros und Compañeras.

Auf diesem Treffen gibt es Leute, die nicht bemerkt werden, und wir bemühen uns immer, sie zu sehen und ihnen zuzuhören, auch wenn sie nicht in Erscheinung treten und auch wenn sie nicht sprechen.

Ich danke also noch einmal der Familie Monroy, die ihr Wort gehalten hat, uns Gastfreundschaft zu erweisen, und uns bei diesem wichtigen Treffen bei sich aufzunehmen, Don Wenceslao, vielen Dank.

Wir danken dem Lehrer Pastel und seiner kulturellen Gruppe. Seitdem wir hier zuerst angekommen sind, haben wir ihn getroffen und sein Interesse verstanden, die Wurzel und das Leben zu suchen. Wir danken Blake, der mit oder ohne Absicht für uns eine sehr wichtige Brücke zu den Indigenen Völkern Nordamerika gewesen ist. Wir danken Don José, traditioneller Tohono Odham Regierender, der uns seit dem ersten Tag sein Herz öffnete und zu uns mit Wahrheit gesprochen hat.

Wir danken den Compañeros und Compañeras, die sich hier um alles gekümmert haben, die diesen Pavillon errichtet, für das Licht, den Sound, die Ansage und die Übersetzung gesorgt haben.

Wir möchten ihnen allen danken. Wir denken, dass diese erste Begegnung, die wir untereinander hatten, jetzt wenn wir uns in Vicam mit anderen Völkern treffen, noch größer werden wird.

Wir finden hier eine gemeinsame Sache, die schwer zu finden ist. Etwas, das uns verbindet, das uns gleicht macht. Den Mohok, den Dakota, den Rarámuri. Und wir entdecken, dass das, was uns verbindet, der Schmerz ist.

Ab übermorgen in Vicam, werden wir entdecken, dass uns auch der Kampf um das Leben verbindet.

Es ist eine Ehre, in Vicam, in Ihrer Gesellschaft anzukommen.

Wir, die wir die zapatistischen Indigenas repräsentieren, die leben und kämpfen in dem letzten Winkel dieses Landes, das Mexiko heißt.

Vielen Dank.

 

Quelle: http://www.encuentroindigena.org/?p7


 

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