Explosive Kombination: Zunahme der Kinder- und Altersarmut

Zapapres-Import vom 13.07.2001

 

jk/ZAPAPRES, Mexiko-Stadt, 13.07.01 Es war die Woche der "Gedenktage": Auf den Weltbevölkerungstag am Mittwoch, 11. Juli, folgte der "Tag des Anwaltes" und danach der "Tag des Waldes". Im Alltag der mexikanischen Bevölkerung spielen diese − und andere, vor allem den verschiedenen Berufsgruppen gewidmete Tage − eine untergeordnete Rolle. Ihren "Medienwert" erhalten sie durch die Presse- und anderen Konferenzen des Präsidenten persönlich oder eines seiner Kabinettsmitglieder. Doch auch unabhängige Gruppen, Institute oder Personen nutzen diese "Gedenktage", um z.B. über Forschungsergebnisse, Projekte oder ähnliches zu informieren.

So auch Raúl Benítez Centeno, Wissenschaftler am Institut für soziale Fragen der Nationalen Autonomen Universität Mexicos, UNAM, der den Weltbevölkerungstag zum Anlass nahm, um das zunehmende Problem der Altersarmut zu thematisieren, vor dem Hintergrund der schon heute unzureichenden Altersversicherungssysteme. Sein wissenschaftliches Szenarium zum Thema Umstrukturierungs- und Entwicklungsprozesse in der mexikanischen Bevölkerung wird durch folgende Zahlen untermauert:

− Im Jahre 2020 wird die Bevölkerungsgruppe der über 60-Jährigen ca 28 Millionen Personen umfassen, von denen mindestens 70%, d.h. über 20 Millionen in Armut leben werden.

− Die Lebenserwartung von heute ca 73 Jahren wird in den kommenden Jahren zunehmen: von 76,8 Jahren im Jahr 2005 auf 80,4 im Jahr 2020.

− Gleichzeitig wird die Geburtenrate weiter abnehmen, zwar mit grossen regionalen und sozialen Unterschieden, im Durchschnitt jedoch von 2,4 Kindern auf 1,71 allein in den kommenden zwei Jahren.

Die Verbreitung und Anwendung von Verhütungsmitteln vor allem für und von Frauen in den letzten 20 Jahren führte dazu, dass die heutige mexikanische Bevölkerung nicht 117,5 Millionen Menschen beträgt, sondern "nur" 95,5 Millionen, also 22 Millionen weniger, die trotz des nach wie grossen Einflusses der katholischen Kirche verhütet wurden.

Die "erfolgreiche demografische Transition" der vergangenen 20 Jahre − so die offizielle Interpretation der Bevölkerungsentwicklung und − umstrukturierung − änderte jedoch nichts an den finanziellen und wirtschaftlichen Problemen und Krisen der Mehrheit der Bevölkerung. Im Gegenteil: die Konzentration des Reichtums nahm weiter zu.

− 40 Prozent der mexikanischen Haushalte verfügen lediglich über 6 % des gesellschaftlichen Reichtums, während

− 10 Prozent über 53% des Reichtums und Einkommens verfügen.

Diese extreme Ungleichheit, kombiniert mit den fehlenden, bzw. unzureichenden Arbeitsmöglichkeiten im zumindest sozialversicherungspflichtigen formellen Sektor, verstärkte in den letzten Jahren die interne und grenzüberschreitende Migration. Allein im Jahr 2000 verliessen 18 Millionen MexikanerInnen ihren Wohnort, auf der Suche nach menschenwürdigeren Arbeits- und Lebensbedingungen in einem anderen Bundesstaat.

Doch auch die grenzüberschreitende Migration in die USA, in denen heute 8,5 Millionen MexikanerInnen legal oder illegalisiert leben, und deren Überweisungen jährlich Milliarden US Dollar betragen, konnte die Verarmung des Grossteils der mexikanischen Bevölkerung nicht aufhalten:

die Krisen der 80-er und 90-er Jahre führten zu einem drastischen Anstieg der in Armut lebenden Bevölkerung von 29,7 Millionen im Jahr 1984 auf 73 Millionen, fast 70% der Bevölkerung, im Jahr 1996, so das statistische Bundesamt in seinen Untersuchungen über die Einkommensentwicklung der Bevölkerung. Auch wenn die verschiedenen Behörden und Institutionen mit unterschiedlichen Zahlen operieren, so gibt es zumindest die Übereinstimmung darüber, dass die Mehrheit der mexikanischen Bevölkerung in Armut bzw. extremer Armut lebt.

Innerhalb dieser verarmten Bevölkerungsschichten sind es heute die Kinder und Jugendlichen, die über die Hälfte der mexikanischen Bevölkerung ausmachen und deshalb am stärksten von der Armut betroffen sind. In 20 Jahren wird die Kombination von Kinder- und Altersarmut die bereits vorhandenen sozialen Konflikte weiter zuspitzen − es sei denn, dass der noch immer unzureichende Druck der sozialen, indigenen und gewerkschaftlichen Bewegungen eine neue Qualität bekommt und zu einer radikalen Veränderung der aktuellen wirtschafts- und Finanzpolitik führt.


Quelle: Zapapres
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