Worte der EZLN auf der UAM Iztapalapa

Kommunique vom 20.03.2001
übersetzt von: Dana

 

Worte der EZLN auf der UAM Iztapalapa
20 März, 2001.
Brüder und Schwestern der UAM Iztapalapa:
Studenten, Lehrer und Arbeiter von der SITUAM:

Brüder und Schwestern aus den östlichen Ortschaften von Mexiko Stadt:

Wir möchten uns gerne bei allen für die Zeit und den Platz den sie für unser Wort geöffnet haben bedanken. Wenn wir für die UAM-Azcapotzalco Bleistifte, Radiergummis und Bleistiftanspitzer mitgebracht haben, bringen wir für die UAM Iztapalapa Bücher, Bibliotheken und Schweigen.

Bücher sind, wie jeder weiss, missverstandene Wesen. Die indigene Völker werden ebenfalls missverstanden, aber die ähnlichkeiten hören hier nicht auf. Bücher werden auch verfolgt, genau wie wir, und sie haben ihre eigenen Gefängnisse, mit grausamen Zellen getarnt als Regale, und ihre Strafakten können in den absurd alphabetisch geordneten Karteikarten nachgelesen werden, die Tatsache ignorierend, dass Bücher nach ihren Flügen klassifiziert werden: Es gibt solche mit einem schüchternen und zögernden Flug, die anstatt zu fliegen kaum einige kleinen Hüpfer machen. Es gibt solche mit einem überschwenglichen Flug, die freudige Linien ziehen wenn ihre Seiten-Flügel sich entfalten. Es gibt die Dilettantischen und Zerstreuten, die ausser, dass sie durch die Zweige irren, von einem Baum zum anderen schwirren, ohne sich für irgendwas oder irgendjemanden zu entscheiden und zu verpflichten. Es gibt solche mit einem machtlosen Flug, deren Gewicht sie daran hindert sich überhaupt zu bewegen, geschweige den zu versuchen zu fliegen. Es gibt solche mit einem flüchtigen Flug, kaum ein oberflächiges Flattern, und dann zerstreuen sie sich. Es gibt solche mit einem langen und entschlossenem Flug, die von Anfang an wissen wo sie hinwollen, und mit Entschiedenheit dorthin fliegen. Es gibt solche mit einem unberechenbaren Flug, die ihre Natur nicht offenbaren bis sie im Offenen sind. Es gibt solche mit einem nostalgischen Flug, die rückwärts blicken und in der Gegenwart stolpern. Und es gibt solche die sich stets umhersehen, um zu wissen wo sie sind, und wohin sie hinsteuern.

Wie jeder weiss, gibt es auch viele Arten des Schweigens. Es gibt solche, die allem was um sie herum passiert gleichgültig gegenüberstehen. Es gibt solche, die dem Schmerz eines anderen mit Zynismus begegnen. Es gibt solche die mit Verbrechen und Ungerechtigkeit gemeinsame Sache machen. Es gibt solche, die angesichts dessen der Rücksichtslosigkeiten begeht machtlos sind. Es gibt Arrogante, die durch das verweigerte Wort erniedrigen. Es gibt solche, die für Träume fruchtbar sind. Und es gibt die Subversiven und Rebellischen.

Für alle Bücher − das heisst, für alle Flüge, gibt es ein Schweigen. Nicht selten jedoch, regiert das Missverständnis, und das Gefängnis schliesst sich über beide: den Flug und das Schweigen einsperrend.

Aber manchmal gibt es Treffen, und Schweigen fliegt Flug, und Flug bringt Schweigen zum Schweigen. Und dann passieren wundersame Dinge: Licht entspringt, das Ecken beleuchtet von deren Existenz wir nicht wussten. Gedanken werden geboren die kein Wort umarmt. Pfade werden geöffnet für die ohne Füsse. Oder, wie in unserem Fall, werden Schlüssel kreiert für Türen die noch nicht geschaffen wurden.

Ein Schweigen kann mit Sicherheit einem Buch begegnen, und mit dieser Begegnung, den eingesperrten Flug befreien, und den Flug aufwärts erheben und das Schweigen brechen.

Wir sollten nicht überrascht oder erschrocken sein wenn es Bibliotheken und Bücher, Gefängnisse und Schweigen und Flüge gibt.

Wir sollten überrascht oder erschrocken sein, wenn es nirgendwo ein Schweigen gibt das bereit ist gebrochen zu werden um den Flug zu befreien den das Wort verspricht. Wir sollten überrascht und erschrocken sein, wenn irgendwer glaubt frei zu sein wenn sie sich von Bücher und Bibliotheken fernhalten, sich frei glauben, wenn sie alleine schweigen und alleine sprechen.

Iztapalapa:

Und wie in der Bibliothek ein Buch darauf von dem Schweigen befreit zu werden, haben wir nicht nur ein, sondern viele Flüge in uns selbst, die darauf warten freigelassen zu werden, so wie Flüge befreit werden, das heisst ein Wort erkämpfend: Würde.

Aus der Autonomen Städtischen Universität Iztapalapa
Das Klandestine Revolutionäre Indigeme Komitee − Generalkommandatur der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung.
Mexico, März 2001


 

Quelle: http://enlacezapatista.ezln.org.mx/


 

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