El Niño − Was mich an Nachrichten noch nie interessiert hat...

Zapapres-Import vom 08.02.1998

 

(gh/ZAPAPRES, Februar 1998)

Unser erster Themenblock geht um das Wetter − ja, ihr habt richtig gehört − das Wetter, oder genauer gesagt um "El Niño" − das Christkind, das weihnachtliche Klimachaos.

Mexiko: Oktober 1997

Hurrikan "Pauline" bricht über Mexiko herein. Zehn Meter hohe Wellen peitschte der Wind an den berühmten Strand von Acapulco und überspülte ihn mit einem Strom von Müll und verbogenen Liegestühlen
- So schreibt der Spiegel am 13. Oktober, ganz die touristische LeserInnenschaft im Auge, die Hunderten von Toten und zerstörte Armenhütten werden nicht erwähnt...

Das Phänomen

Aus dem Golf von Mexiko kommend überquert ein warmer Meeresstrom, der sogenannte Golfstrom, den Nordatlantik und erreicht dann Westeuropa. Er bewahrt uns, quasi, als subkontinentale Heizung vor russischen Wintern, an denen schon so manche Westeuropäische Eroberer-Armee erfroren ist... Was der Golfstrom für Westeuropa ist, ist für Mexiko der nach dem preußischen Entdecker benannten Humboldtstrom. Dieser versorgt die Pazifikküste Lateinamerikas kontinuierlich mit kalten Wassern aus der Tiefe, was dort normalerweise zu einem Regen- und Turbulenzenarmen Klima führt. Dies funktioniert so lange, wie Passatwinde dafür sorgen, daß warmes Oberflächenwasser an die australischen und asiatischen Küsten getragen wird, wo verdunstendes Wasser aufsteigt und Wolken bilden, die dann bis Indien als Monsun abregnen.

Früher erwärmte sich regelmäßig zur Weihnachtszeit vor der peruanischen Küste das Meer, was zum Ausbleiben der Sardellenschwärme führte. Die Fischer müssen das bekannte Weihnachtslied "alle Jahre wieder..." im Kopf gehabt haben und nannten das jährliche Ereignis "Christkind" − El Niño. Vom Phänomen zur Klimamaschine

Seit Anfang der 80er Jahre tritt das Klimaphänomen "El Niño" immer heftiger in Erscheinung. Seit Herbst wird das Wetter in weiten Regionen der Welt durch die Klimamaschine "El Niño" gehörig durcheinander gewirbelt. An der Wasseroberfläche des Pazifiks wird eine um 4 Grad erhöhte Temperatur gemessen und die Passatwinde bleiben aus.

Dies begünstigt die Herausbildung starker Hurrikans in Mexiko und Kaliforniens. An der südamerikanischen Pazifikküste kommt es zu extremen Wolkenbrüchen, wogegen die Oderfluten ein Klacks waren. Das Ausbleiben der Monsuns führt in Südostasien und Australien zu heftigsten Waldbränden. Aber auch in Indien, Afrika und Teilen Brasiliens kommt es zu anhaltenden Dürren.

Wissenschaft und Wirtschaft

Forscher und Börsianer sind sich einig. Zu ersten Mal können sie einen Nutzen aus dem leidigen Wetterthema ziehen. Dank des Christkindes gelingt es den Wetter- und Klimaforschern nunmehr, die weltweiten Wettergegebenheiten für Monate vorauszusehen.

Daß die Industriegesellschaft mit ihren Treibhausgasen selber für die außerordentliche Erwärmung des Pazifischen Ozeans und damit für das Klimachaos verantwortlich ist, kommt einigen Wetterfröschen durchaus in den Sinn. Doch da diese Erkenntnis kaum wirtschaftlich verwertbar ist, wird ein direkter Zusammenhang von den meisten Forschern weiterhin dementiert. Die Wetter-Prognosen haben allemal einen höheren Marktwert, als ungeliebte Erkenntnisse über das Wesen des Kapitalismus...


Kauft, Kauft, Kauft
Wie El Niño die Spekulation an den Chicagoer Börsen antreibt

Den mexikanischen Kleinbauern nützen die langfristigen Wetterprognosen wenig. Landwirtschaftliche Investitionen, die eventuell vor Ernteausfällen aufgrund von Überschwemmungen, extremen Regenfällen, Hurrikans oder Dürren schützen, können sich nur die größeren Betriebe leisten. Sind die Vorräte aufgezehrt, bleibt den Kleinbauern nur der Verkauf von Vieh oder Betriebsmitteln, um mit den Erlösen aus den USA importierten Mais in der Kreishauptstadt für die Versorgung der Familie zu erwerben.

Mexiko muß bereits einen wesentlichen Teil Grundnahrungsmittel importieren, da die kleinbäuerliche Landwirtschaft nicht mit den High-Tec-Farmen aus den USA bzw. mit den von ausländischem Kapital in Mexiko betriebenen Großplantagen konkurrieren kann. Die Schutzbestimmungen für den mexikanischen Grundnahrungsmittelsektor werden im Rahmen des Nordamerikanischen Freihandelsabkommen zu Beginn des neuen Jahrtausend gänzlich abgebaut.

Die Überlebensmöglichkeiten der mexikanischen Bauernfamilien werden dann noch stärker von den Spekulationen an den Warenbörsen bestimmt werden. Wenn El Niño die Ernten zerstört, wird es nur die Broker erfreuen.


Quelle: Zapapres
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