Widerstandsaktionen in Chiapas

Zapapres-Import vom 31.07.1996

 

(Radio FSK, Mexiko News 31.7.96, Hamburg, gh/ZAPAPRES)

100 vermummte Bauern stürmen Gefängnis und befreien vier Gefangene
La Jornada, 25. Juli 1996

Rund 100 Campesinos haben aus dem Bezirksgefängnis in der Kreishauptstadt Simojovel im Norden von Chiapas vier Gefangene befreit. Unter diesen befindet sich Martín Ramos Gutiérrez, Mitglied der Unabhängigen Landarbeiter- und Bauernzentrale CIOAC, eines der größten regimekritischen Camesino-Organisationen in Chiapas. Martín Ramos ist angeklagt, im Juni an einem Überfall beteiligt gewesen zu sein, bei dem zwei Menschen starben und vier weitere verletzt wurden.

Im Landkreis Simojovel wird hauptsächlich Kaffee angebaut. Seit Beginn der 80er Jahre gibt es unter Führung der Bauernzentrale CIOAC Besetzungen von Kaffeefincas. Über 90% der Großplantagen sind davon betroffen (..)

Kompliziert hat sich die Lage in Simojovel, als dort bei den Kommunalwahlen im vergangenen Oktober die Partei der Arbeit PT gewann. Die PT ist eine kleine laboristisch orientierte Partei, die von der herrschenden Staatspartei der Institutionellen Revolution abhängig ist.

Der Bürgermeister − den einzigen den die Arbeitspartei in Chiapas stellt − berichtet, daß die vier Mörder − wie er sagt − im Morgengrauen von 100 mit Feuerwaffen, Macheten und Stöcken Bewaffneten, die ihre Gesichter verhüllt hatten, befreit wurden (..)

Obwohl sich in einer Entfernung von nur einem Kilometer ein Posten der Armee und der Sicherheitspolizei befindet, gelang die Befreiung ohne Zusammenstoß. Auch die Gefängniswächter verhielten sich angesichts der bewaffneten Übermacht der Campesinos still (..)

Einer der Wächter, der seinen Namen nicht bekannt geben wollte, berichtete, daß der Bügermeister vor zwei Tagen von einer demostrierenden Gruppe besucht wurde, die die Freilassung der Gefangenen forderte und mit einer Befeiungsaktion drohte. Darauf ordnete der Bürgermeister die Verlegung der Gefangenen in ein sichereres Gefängnis an − vergeblich, wie sich heraustellte.

Die bei dem Überfall vor zwei Monaten Getöteten gehörten der Arbeitspartei und deren Bauernverband OCOPECh an. In einer Pressekonferenz nach dem Überfall klagte der Anführer der OCOPECh die oppositionelle Partei der Demokratischen Revolution PRD und die Katecheten um dem Gemeindepriester Joel Padrón an, für den Überfall verantwortlich zu sein.

Der Bauernverband OCOPECh entstand aus aus Abspaltung der unabhängigen Landarbeiter- und Bauernzentrale CIOAC, die sich weigerte weiter an den Besetzungen der Kaffeefincas teilzunehmen. Nach dem Überfall vor zwei Monaten kündigte die Arbeitspartei und ihr Bauernverband die Vertreibung der katholischen Priester an: "Wir haben uns entschieden: wir wollen nicht, daß der Priester Padrón und seine Katecheten ihre Arbeit in der Region fortsetzen", erklärte ein Anführer der OCOPECh. Der Sprecher der unahhängigen Bauernzentrale CIOAC schätzt, daß durch die Vorfälle nur ein Vorwand für eine neue Repressionskampagne gegen seine Organisation, die Katechtengruppe und den Gemeindepriester geschaffen wird.

Am 18. September 1992 wurde Joel Padrón, der ein enger Mitarbeiter von Bischof Samuel Ruíz ist, ins Gefängis geworfen. Die repressive Regierung von Chiapas unter Patrocinio Gonzales warfen dem Priester und den Katecheten vor, "sie würden die Campesinos zu Landbesetzungen anstacheln". Pater Padrón war bis zum 7. November 1992 im Gefängnis, als ein Bundesgericht die von den Platangenbesitzern und Lokalgrößen der Staatspartei konstruierte Anklage wegen Waffenhandels und illegaler Vereingung entkräftete.

Den Kampf um’s Land rechtfertigt die Landarbeiter- und Bauernzentrale CIOAC mit den Marginalisierung der Campesinos und den ausbeuterischen Bedingungen auf den Kaffeeplantagen. Bereits im April 1992 blockierten Aktivistinnen der CIOAC wurde 21 Tage lang die Haupstraßen im Landkreis blockiert, besetzten das Rathaus, unterbrachen die Wasser- und Stromversorgung und brannten das Wohnhaus des Bürgermeisters, der damals noch direkt von der Staatspartei PRI war, ab.


Las Margaritas: Vermummte stören Regierungsspektakel
(aus La Jornada, 26.7.96)

Der Interimsgouverneuer von Chiapas, Ruiz Fierro, und sein Entwicklungsminister wurden letzten Donnerstag (25.7.) in Las Margaritas am Rande der zapatistischen Zone, als sie ihr neues Entwicklungsprogramm für die Region vorstellen wollten, mit Hochrufen auf die Zapatistische Armee emfangen.

Als sie aus ihrem Hubschrauber stiegen, drängten 250 vermummte Tzeltalfrauen und -männer auf sie zu und riefen: "Ruiz Fierro − behandle die Campesinos nicht wie Hunde" "Willkommen, Lügner" "Unser Ort ist keine Kaserne, Armee raus!"

Soldaten mußten die Politiker schützen. Der Entwicklungsminister unternahm einen letzten Versuch, die aufgebrachten Indígenas zu beruhigen: "Im Moment gibt es sehr viel Sozialpolitik, es herrscht einen Dialog und mehr Konsens." Dadurch können Unruheherde wie in Guerrero, wo vor einem Monat eine neue Guerillaarmee aufgetaucht ist, vermieden werden. Es wird aber viel Zeit brauchen...

Danach flog er mit seinem Chef nach Comitán weiter. Dort waren die Bauern dankbarer: 84 Mitglieder der Vereinigung der Kaffeeproduzenten der Südgrenze nahmen Schecks aus einem Hilfsprogramm für die Kaffeewirtschaft entgegen.

Auf diese Weise versucht die Staatspartei PRI, sich für jede Wahl die nötigen Stimmen zu kaufen. Es ist zu hoffen, daß die Parole "Geld nehmen und trotzdem anders wählen" zu den Kaffeeproduzenten durchgedrungen ist.


Mexiko - USA: IndIgenafront mobilisiert GRENZÜBERSCHREITEND
Radio FSK Hamburg, Mexiko News, 14.8.96, ZAPAPRES g/h

Nicht nur aus Chiapas kommen Aufrufe zur internationalen Organisierung. Zum Beispiel organisiert eine Binationale Indígenafront in die USA oder nach Nordmexiko migrierte ArbeiterInnen und deren Heimatgemeinden im nördlich an Chiapas angrenzenden Oaxaca.

Aus der Pressemitteilung der Binationalen Indígenafront von Oaxaca

Die Indígenafront kämpft für die Menschen- und Arbeitsrechte der indianischen WanderarbeiterInnen sowie für die materielle, soziale und kulturelle Entwicklung ihrer Heimatgemeinden. Anläßlich des Besuchs der Gouverneurs von Oaxaca am 10. August in Los Angeles gibt es ab dem 7. August folgende Aktionen geben:

1. Die mixtekischen Gemeinden in Oaxaca blockieren friedlich für unbestimmte Zeit die Nationalstraße zwischen Mexiko Stadt und der Hauptstadt des Bundesstaates.

2. Am 9. August gibt es eine Besetzung des mexikanischen Konsulat in Los Angeles.

3. In Baja California findet in der Grenzstadt Tijuana ein Protestmarsch und ein zweitägiger Hungerstreik auf einem zentralen Platz statt.

Mit den Aktionen will die Binationale Indígenafront die Erfüllung eines 22 Punkte langen Forderungskatalogs durchsetzten.

Die Forderungen reichen von Infrastrukturmaßnahmen für entlegene Gemeinden wie Telefon- und Wegeanschlüsse, über die Lösung der Konflikte um die Grenzen von Kommunalland bis hin zur Förderung eines jährlichen Basketballturniers indianischer WanderarbeiterInnen in Los Angeles.

In zwei Tälern des nördlichen mexikanischen Bundesstaates Baja Californias, wo indianische WanderarbeiterInnen auf Großplantagen arbeiten und um seit Monaten ausstehenden Lohn kämpfen, wird die finanzielle Unterstützung zur Einrichtung eines Organisationsbüros und von Wohnungen der Wanderfamilien gefordert.

Die mexikanischen Konsulate sollen für die Betreuung von MigrantInnen indianisches Personal einstellen und die grenzüberschreitende Arbeit der Indígenafront gegenüber den us-amerikanischen Behörden unterstützen.

Für alle indianischen Regionen Mexikos wird eine vollständige Entmilitarisierung gefordert. Bereits vor einem Jahr hat die grenzüberschreitende Indígenafront auf die Problematik der Wanderarbeit aufmerksam gemacht. Damals versuchte ein Demonstrationszug die gut bewachte Grenze zu den USA zu überwinden.


Quelle: Zapapres
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