Plan Puebla-Panama und Panamerikanisches Freihandelsabkommen

Globale Wirtschafts-, Geo- und Biopolitik am Beispiel Mexikos und Lateinamerikas

News vom 09.08.2002
Patricia Mellmann

 

Die dieser Sendung zugrundeliegenden Informationen sind hauptsächlich Artikeln und Vorträgen von Andrés Barreda − Doktor für Wirtschaftsgeographie und Professor an der Autonomen Universität Mexiko-Stadts — , einer CIEPAC-Studie zum PPP, einem Artikel aus The Ecologist vom Juni 2001 und einem TAZ-Artikel vom 22.Mai 2001 entnommen.


Hintergründe 1

1 Kontext für die Panamerikanische Freihandelszone

Das erste Mal seit fast 30 Jahren sind wir Zeugen einer allgemeinen Rezessionskrise innerhalb der drei wichtigsten Standorte der Weltwirtschaft: Asien, Nordamerika und Westeuropa. D.h., wir sind dabei, in eine Phase der Überproduktion, der Überakkumulation in der Weltwirtschaft überzugehen. Aus dieser Situation leitet sich auch das us-amerikanische Vorhaben der Schaffung einer Freihandelszone ab, die beide amerikanische Kontinente umfasst. Innerhalb dieses Kontextes müssen wir auch den Antrag des mexikanischen Präsidenten Vicente Fox Anfang des Jahres 2001 bewerten, den Plan Puebla-Panama umzusetzen.

Wir befinden uns in einer tiefen Krise. Sie führt uns die Grenzen, die die Globalisierung gegenwärtig hat, vor Augen — das allgemeine Chaos, in dem sich die weltweite Expansion des Kapiltals vollzogen hat. Sie zeigt uns auch den Beginn des Prozesses auf, in dem die großen krisenbedingten Verluste — einmal mehr − auf die arbeitende Bevölkerung, die Gesellschaft im allgemeinen abgewälzt werden und die weltweiten natürlichen Reserven in maximal möglicher Form ausgebeutet werden.

Das Abkommen über die Panamerikanische Freihandelszone FTAA bedeutet, dass die NAFTA, welche nur die USA, Kanada und Mexiko umfasst, aufgehoben wird. Die FTAA fordert die Durchsetzung noch viel agressiverer Klauseln als die NAFTA, Klauseln, wie sie z.B. das MAI-Abkommen enthielt. In dem Moment, da dieses Freihandelsabkommen in Kraft tritt, kann alles, was sich unter den Bedingungen nationaler Souveränität nicht erreichen ließ, umgesetzt werden. Die FTAA ist also ein noch viel agressiveres Programm zur Enteignung der Reichtümer Mexikos und ganz Lateinamerikas.

Das Hauptaugenmerk der FTAA liegt auf Brasilien, das zu den größten Ökonomien der Welt zählt. Brasilien ist sehr reich an Bodenschätzen und — v.a. D. — es ist mit dem Amazonischen Regenwald das Land mit der größten biologischen Vielfalt der Welt. Diese biologische Vielfalt ist die Grundlage, der Rohstoff für die auf weiten Strecken dominierende Gentechnologie.

Ein weiterer Aspekt sind die Wasservorkommen Brasiliens und aller anderen Einzugsgebiete Südamerikas. Dort konzentrieren sich 25 % des Trinkwassers weltweit. Angesichts der Wasserkrise, die immer näher rückt, rechnet man damit, dass im Jahre 2025 einem Drittel der Weltbevölkerung kein Trinkwasser mehr zur Verfügung stehen wird. Nicht ein Tropfen! Dies sind Berechnungen der Weltbank, offizielle Zahlen, nicht die irgendeines linken Forschers aus einer Universität!
Das bedeutet, dass es für 2600 Millionen Menschen kein Wasser geben wird! Ein weiteres Drittel wird verunreinigtes Wasser zu seiner Verfügung haben und nur ein Drittel der gesamten Menschheit mehr oder weniger sauberes Trinkwasser. Das Wasser stellt also das geoökonomische und geopolitische Hauptproblem der kommenden Jahrzehnte dar. Angesichts dessen spricht man nun von einer Privatisierung aller Trinkwasserversorgungssysteme weltweit, und zwar nicht nur der Wasserversorgungsnetze, sondern aller hydrologischer Einzugsgebiete und des gesamten Trinkwassermanagements.
Die USA und Kanada sind in einer privilegierten Position, weil sie 40 % der Wasservorräte der Erde auf sich vereinen. Alaska verfügt — in gefrorener Form − über 20 % des Trinkwassers. Kanada hat viel Wasser und viel Regen: 20 % der Wasservorräte. Zusammen könnten angesichts der neuen Situation die USA und Kanada die ?OPEC des Wassers" sein. Und wenn sie Lateinamerika dazurechnen, so kommen sie auf 65 % der Wasservorräte unter us- amerikanischer Kontrolle.

Aber abgesehen von den Wasserressourcen, wenn auch nicht davon trennbar, stellt die biologische Artenvielfalt den wichtigsten Reichtum Brasiliens dar.

Kürzlich wurde nun auf dem Gipfeltreffen in Quebec bekanntgegeben, dass der schnelle Weg oder der ?fast track" bei den Verhandlungen für die FTAA eingeschlagen wurde. Erinnern wir uns: es war der brasilianische Präsident, der sich diesem ?fast track" entgegenstellte. Er, Fernando Enrique Cardoso, Repräsentant des brasilianischen Bürgertums, hatte den Eindruck, dass wenn die FTAA zur Realität würde, sich das brasilianische Kapital in nichts auflöse.

Das Jahr 2005 wird das Jahr Null sein, das Jahr, in dem die FTAA rechtskräftig werden soll.


2 Kontext für den Plan Puebla-Panama

Dies ist der Kontext, in den wir auch den Plan Puebla-Panama stellen müssen. Denn mit seiner Hilfe werden die USA die geopolitische Kontrolle Mittelamerikas und der Karibik übernehmen. Er fungiert als Keil, über den sich der Weg zum südlichen Amerika öffnen soll. Der PPP ist essentieller Teil jenes Plans, der u.a. auch die militärische Invasion in Kolumbien und die Ausweitung dieser Agression auf dessen Nachbarländer enthält, sprich auf Venezuela und die Mitgliedsländer des Andenpaktes: Peru, Ekuador und Bolivien. Denn diese Länder des Andenpaktes legen sich hufeisenförmig um den Amazonischen Urwald − den wichtigsten Standort strategischer Rohstoffe und die strategische Reserve Brasiliens.

Der Plan Puebla-Panama ist die Lanzenspitze dafür, denn sein Hauptziel — die Schaffung des biologischen mittelamerikanischen Korridors − hat die Vorreiterrolle für die Enteignung der brasilianischen Reichtümer.

Auch Mittelamerika ist von großem biologischem Reichtum und verfügt über viele Schutzzonen. In den Waldgebieten Panamas, Costa Ricas, Nikaraguas, Honduras und Belizes, in Guatemalas El Petén und im Lakandonischen Urwald von Chiapas konzentrieren sich 12 % der Biodiversität der Erde. Also versucht man, jene Schutzzonen zu privatisieren und in diesem biologischen Korridor Plantagen für Nutzpflanzen, d.h. für Exportprodukte anzulegen: Eukalyptus, Ölpalme, Kautschuk, Pinie. Solche Plantagen sind aus verschiedenen Gründen hochgradig destruktiven Charakters.
Es werden also nicht Mais oder Weizen angebaut, die kann man weiterhin aus den USA kaufen. Dies bedeutet das Ende der Souveränität eines Landes in Sachen Ernährungsfragen und eine noch endgültigere Abhängigkeit von den USA.

In den Schutzzonen wird unter dem Vorwand der ?Bewahrung und des Managments der Biodiversität" Biopiraterie praktiziert, von Gengiganten wie Monsanto, Syngeta, Diversa und Pulsar, aber auch durch die Weltbank gemeinsam mit Privatinvestoren und sogenannten Umweltschutz-NGOs. Ein Beispiel dafür ist die Zusammenarbeit von Pulsar und ?Conservation International" im Lakandonischen Urwald. Letztere Organisation ist trotz ihres Namens bekannt für die Zusammenarbeit mit der Pharmaindustrie in Ländern mit bedeutender biologischer Vielfalt. Die Weltbank betrachtet Chiapas z.B. als (in Anführungsstrichen) ?interessante Versuchsgegend für genetisches Engeneering".
Biopiraterie heißt, es werden Pflanzen und Mikroorganismen illegal ausgeführt und in botanische Gärten, Universitäten und andere Forschungsanstalten des Norden gebracht. Gleichzeitig entlockt man den Indianern ihr Wissen über die Nutzbarkeit der vielen Arten. Viele dieser Pflanzen und Mikroorganismen, bzw. nur einzelne ihrer Gene, werden patentiert, wie der Pozól, die Kanarische Bohne und eine ganze Palette von mexikanischem Mais. Das bedeutet, dass der patentierte Mais z.B. nur dann noch von der einheimischen Bevölkerung zur Aussaat verwendet werden darf, wenn sie ihn zu hohen Preisen kauft, ganz abgesehen davon, dass er dann genverändert ist. Was das mit sich bringt, ist hinreichend bekannt.
So stehen wir heute also der Privatisierung natürlicher Flächen, der Entwicklung von Plantagen, Zentren der Bioprospektion und der Privatisierung hydrologischer Einzugsgebiete in den tropischen Regenwäldern gegenüber.

Im Falle Mexikos konzentrieren sich 60 % der mexikanischen Wasservorkommen in Tabasco und Chiapas, also im Süden, wobei Tabasco der mit Abstand regenreichste Bundesstaat ist. Dies bedeutet strategisch gesehen einen Reichtum.
In ebendiesen Regionen ist die Errichtung neuer Wasserkraftwerke geplant, über die Hälfte der Wasserenergie wird jetzt schon dort gewonnen. In Chiapas sind 71 potentielle Standorte für neue Dämme lokalisiert worden, die meisten von ihnen in den autonomen Gebieten der Zapatisten. Das wichtigste Projekt ist wohl der Bau des Kraftwerks Boca de Cerro, mit 3000 und 10000 MW das größte des Landes und eines der größten der Welt. Die Grundidee dieses Projekts ist die Errichtung eines Aquädukts, das bis auf die regenarme Halbinsel Yucatán führen soll. Yucatán soll zu einem auf Treibhauskulturen gestütztes Landwirtschaftsgebiet werden. Auch ein Maquila-Korridor soll dort entstehen, entlang der Verkehrsachse zwischen Cancún und Manzanillo.
Insgesamt wurden im Jahr 2001 65 Millionen $ in Bewässerungssysteme − vorrangig für große Monokulturen — gesteckt, die in der Summe 220 000 ha innerhalb der 8 südlichen Bundesstaaten abdecken werden.

Die Energie wird also für die Betreibung neuer industrieller und landwirtschaftlicher Komplexe in dieser Gegend und für den Export in die USA gebraucht.


Hintergründe 2

3 Der Osten der USA und Kontrolle des Pazifikraumes

Im Osten Nordamerikas konzentriert sich der Großteil der Städte, wovon wiederum die meisten im Osten der Vereinigten Staaten liegen (sie sind bspw. auf Satelliten-Nachtaufnahmen sehr gut auszumachen, v.a. der Korridor um die Großen Seen): Chicago, New York, Washington, Pensylvania und Detroit. Dies ist der bedeutendste Industriekorridor der ganzen Welt. Im Osten ist − aufgrund der dortigen Eisenvorkommen — die Schwerindustrie, also die Eisen- und Stahlindustrie, angesiedelt, aber auch die Autoindustrie. Rund die Hälfte aller zirkulierenden Autos stammen von dort. Es ist auch die regenreichste Region des Landes, sie hat die fruchtbarsten Ländereien, was sie zum wichtigsten Landwirtschaftszentrum des Landes und der Welt macht − nicht zuletzt auch aufgrund der modernen Technologien.
Dagegen ist der Westen der USA halbleer, abgetrennt durch ein hohes, schwer zu überwindendes Gebirge. Ausnahmen bilden Städte wie Denver oder die Küstenstädte des Westens San Francisco, Seattle und das Gebiet um L.A.. Kalifornien ist m. H. der neuen Technologien, v.a. der Elektronik, zu großer Bedeutung gelangt. Würde man es wie eine unabhängige Nation betrachten, so wäre sie die viertstärkste Wirtschaftsmacht der Welt.

Was die Verteilung der Erdbevölkerung angeht, so ist sie nicht gleichmäßig. Auf der Welt gibt es 6 Milliarden Menschen und von diesen 6 Milliarden leben in China; Indien und umgebenden Ländern 3 Milliarden — in dieser vergleichsweise kleinen Region konzentriert sich demnach die Hälfte der Erdbevölkerung.

Das erste Anzeichen für die moderne Globalisierung war, dass der Kapitalismus nach Asien kam und begann, diese 3 Milliarden Menschen dem Weltmarkt einzuverleiben, dem internationalen Wettbewerb.

Die chinesische Bevölkerung beläuft sich auf 1.4 Milliarden; 800 Millionen davon sind wirtschaftlich aktiv. In China zahlt man durchschnittlich den geringsten Lohn weltweit: 25 US-Cents die Stunde — und konkurriert damit auf dem internationalen Markt mit billigsten Produkten. Dies ist die Frucht des autoritären Regierungssystems, das eine brutale Kontrolle auf die Arbeiterklasse ausübt und ihr jegliche Rechte verweigert. Gegen diesen so konkurrenzfähigen Kapitalismus kann niemand etwas ausrichten. Man stelle sich vor, die USA senkt die Löhne innerhalb des Landes auf dieses Niveau − es würde eine Revolution losbrechen.
Dies ist das Hauptproblem an der Globalisierung. Heute liegt das Zentrum der Weltwirtschaft nicht mehr auf der Atlantikachse zwischen den USA und Europa, sondern es hat sich in den Pazifikraum verlagert, auf die Handelsbeziehungen zwischen den USA und Kanada einerseits und Japan und den anderen Ländern in diesem Raum andererseits.

Schon Mitte des 19. Jahrhundert hat der Osten der USA Bestrebungen gezeigt, sich einen schnellen Weg in Richtung Pazifik zu erschließen und errichtete daraufhin bspw. den Hafen in Topolobampo, Sinaloa.
Aus dieser Zeit datiert auch die Trasse von El Paso, Texas über Tucson in Richtung Los Angeles, worüber bis heute 70 % des Überlandtransportes abgewickelt werden und entlang derer es die größte Ansammlung an Billiglohnfabriken auf mexikanischer Seite gibt.
Ebenfalls mit Blick auf das strategische Ziel der Dominanz des pazifischen Raumes reißen die USA, ebenfalls Mitte des 19.Jh., große Teile Mexikos an sich. Sie kaufen Alaska und diverse Inseln im Pazifik. Als 1903 der Isthmus von Tehuantepec — der mit ca. 180 km Länge die kürzeste Verbindungslinie zwischen dem Golf von Mexiko (also dem Atlantik) und dem Pazifik darstellt — nicht mehr in US-amerikanischer Hand liegt, eröffnen sie den Panama-Kanal und verschaffen sich so die Kontrolle über den mittelamerikanischen Raum und die Karibik. Jetzt, wo der Panama-Kanal ebenfalls nicht mehr in ihren Händen liegt, erreicht der Isthmus von Tehuantepec wieder lebenswichtige Bedeutung für die USA.

Seit mittlerweile mehreren Jahrzehnten kontrollieren die USA endgültig den pazifischen Raum. Nun gilt es erstens mehr und effizientere Transportwege zwischen Asien und dem Osten der USA zu schaffen und zweitens eine Art zweites China zu errichten: auf mittel- und südamerikanischen Territorium.


4 Inhalt Plan Puebla Panama

Der PPP ist ein Megaprojekt, mit dessen Hilfe der Grundstein für die 2005 in Kraft tretende Panamerikansiche Freihandelszone − die größte der Welt — gelegt werden soll. Seine Reichweite erstreckt sich vom zentralmexikanischen Bundesstaat Puebla bis hin nach Panama. Dort soll ein sogenannter ?Entwicklungskorridor" geschaffen werden. Der PPP basiert auf einem schon unter der letzten mexikanischen Regierung unter Zedillo von einem gewissen Santiago Levy entworfenen Dokument. Levy ist Untersekretär des mexikanischen Finanzministeriums und Berater von Weltbank und WTO. Weltbank und die Interamerikanische Entwicklungsbank gehören zu den Hauptantriebskräften des Plans.
Im Dokument ist explizit von Investitionen in die Infrastruktur die Rede, welche ?den Isthmus (von Tehuantépec) in einen Ausfuhrkanal für im Pazifikraum angesiedelte Unternehmen in Richtung Europa | und umgekehrt für Unternehmen im Golf von Mexiko in Richtung Westen verwandeln könnten".

Der PPP ist die Fortsetzung des Plans für Nationale Stadtentwicklung (1995-2000) und vorangegangener Pläne. Dies gilt nicht nur in Bezug auf die Beschneidung der Programme für die Finanzierung des öffentlichen Sektors, die Herabsetzung der Löhne oder die Privatisierungspolitik, sondern auch in kartographischer Hinsicht. Das bedeutet, dass dem PPP die gleichen Karten und Pläne zugrunde liegen, wie dem Plan Zedillos. Der besagte Plan für Nationale Stadtentwicklung zielte auf eine Entwicklung der wichtigsten 100 Städte Mexikos ab. Danach sollte die städtisch- regionale Integration über sieben Korridore erfolgen.

Demnach basiert der PPP hauptsächlich auf der Schaffung eines Netzes von mehr oder weniger dichten Verkehrsbahnen, die in Form von Autobahnen, Kanälen und Eisenbahnlinien das Land durchqueren. Mit dem Ausbau der Infrastruktur ist die Entwicklung von Maquila-Korridoren verbunden. Die Maquiladoras sind steuerfreie Niedrigstlohnfabriken, in denen Teilprodukte zusammenmontiert werden. Das ermöglicht den großen transnationalen Unternehmen enorme Einsparungen.
Es handelt sich also um Transportkorridore und — im Falle, dass sie eine Verbindung zwischen den beiden Ozeanen schaffen, um den sogenannten intermodalen Transport. D.h., diese Korridore ermöglichen den schnellen und effizienten Transport der Waren mittels eines Container-Systems, mit dessen Hilfe keine Zeit bei dem Verladen der Waren von einem Transport auf den anderen verloren wird und außerdem die Kosten der Warenlagerung einspart werden. Dieses intermodale System ermöglicht also eine große Mobilität des Produktionsflusses und stellt eine Revolutionierung der Transportmittel dar.
Wenn wir von intermodalen Systemen sprechen, so sprechen wir gleichzeitig von der Logik, die die Globalisierung den Prozessen des Warenaustauschs weltweit aufdiktiert hat. Das, was das Internet für die Kommunikationssysteme darstellt, sind die intermodalen Systeme für die Transportmittel. Wenn wir also von jenen Korridoren sprechen, so sprechen wir von Landbrücken für den äußerst zügigen Warentransport.

Dies also ist die primäre Idee: die Integration der Städte ist mit Hilfe der Landkorridore gewährleistet und es werden speziell darauf ausgerichtete Straßen gebaut — teilweise auch Eisenbahnen, die 2 Container pro Waggon transportieren können. Auch ist die sehr effiziente doppelte Schienenführung im Gespräch. Letzteres trifft auch auf den Isthmus von Tehuantèpec zu.
Der Warentransfer in demontierter Form ist billiger und wenn die Arbeitskraft auch noch sehr billig ist, so steigert sich die Effizienz der Korridore noch mehr. Die Arbeitskraft in Mexiko zählt zu den billigsten weltweit. Wenn man den Verlauf der Korridore auf der Karte nachvollzieht, so wird deutlich, dass der Warentransfer nicht immer dem kürzesten Weg folgt, sondern oft Umwege durch stark bevölkerte Regionen macht.

Bsp.: Der interozeanische Korridor zwischen dem östlichen Veracruz und dem westlichen Acapulco. Die von ihm passierte Region weist eine starke Bevölkerungsdichte auf. Dort ist man schon sehr an die Arbeit in der Industrie angepasst und es herrscht eine starke soziale Ausgrenzung, was eine sehr geringe Bezahlung zusätzlich erleichtert.

Die Autobahn Veracruz-Acapulco stellt einen der zentralen Punkte des PPP innerhalb Mexikos dar. In nur 6 Stunden soll dann die Distanz zwischen dem Golf von Mexiko und dem Pazifik zu bewältigen sein. Allerdings wird kaum ein Mexikaner davon profitieren können, denn die Autobahngebühren sind sehr hoch.
Entlang dieser Strecke finden wir die höchste Dichte von Maquildoras nach der nordmexikanischen Grenzregion. Allein in Tehuacán gibt es laut Aussage von Martin Barrios — Anführer eines Netzes von Menschenrechtlern — mehr als 1500 Maquiladoras.

Außerdem stellen die Maquila-Korridore eine Art Abfangmauer für die sich auf dem Wege in die USA befindenden einheimischen, aber auch aus Mittel- und Südamerika und Asien kommenden Migranten dar.

Die PPP-Korridore erleichtern die Ausbeutung der vorhandenen Rohstoffe um ein Vielfaches. Und sie bieten einen Standort für die Industriemüllentsorgung − für Industriemüll aus der gesamten Amerikanischen Union (=USA, Kanada und Mexiko). Schon seit 1990 ist bekannt, dass die großen Industriemülldeponien der USA überfüllt sind und sie deshalb begannen, den Weltmarkt nach Käufern von Müll abzusuchen.

Dies sind neue Themen, die bislang keine Beachtung finden.

Unbeachtet blieb bisher der militärische Aspekt, die militärische ?Absicherung" des Projektes. Beginnen wir dieses Thema mit einem Beispiel: Die südmexikanischen Bundesstaaten Guerrero, Oaxaca und Chiapas sind diejenigen mit dem größten indianischen Bevölkerungsanteil, der größten Armut; dort gibt es den größten Widerstand und die stärksten Guerrilla-Organisationen, die wichtigsten natürlichen Ressourcen und — die intensivste Militarisierung.
Im Hinblick auf auf Infrastruktur und Landbesitz, aber auch in militärischer Hinsicht muss den Unternehmen, die sich in dem vom PPP betroffenen Raum niederlassen, Sicherheit gewährleistet werden. Aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung der natürlichen Ressourcen spricht man von einer zu erwartenden ?Biomilitarisierung" und ?Petromilitarisierung".
Im Jahr 2001 bewilligte der US-Kongress die Finanzierung von 38 Militäroperationen, die die Entsendung von ca. 100 000 Soldaten in 21 Länder Mittel- und Südamerikas und der Karibik beinhalten. Vorwände: Schutz der schwächsten Demokratien in dieser Region, Unterstützung der jeweiligen nationalen Armee bei der Bekämpfung des Drogenhandels, bei der Kontrolle von Guerrillas und Waffenhandel und bei humanitären Aktionen. Diese Operationen tragen in Mittelamerika Namen wie ?Operation neue Horizonte", ?Vereinigte humanitäre Streitkräfte", ?Operation zur Erhaltung des Friedens im Norden", ?Medizinischer Trupp zum sofortigen Einsatz" oder ?Programm der vornehmen Gäste". Allein an die guatemaltekische Grenze zu Chiapas entsandten die Vereinigten Staaten im Jahre 2001 12 000 Soldaten an die. Zuerst aber denkt man wohl an die militärische Invasion in Kolumbien, die laut dem erst kürzlich neugewählten Präsidenten nun noch mehr verstärkt werden soll.
Mit diesen Operationen schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe: der sogenannte Prozess der wirtschaftlichen Globalisierung wird durchgesetzt und abgesichert und es gibt gute Vorwände für die zunehmende militärische Präsenz.

Konsequenzen

Infolge des PPP sind bezüglich der Dynamik der Migrationsströme, der Neuansiedlungen und der Zusammensetzung der Arbeitskräfte innerhalb des Landes demographische änderungen zu erwarten.

Die Maquila-Korridore bringen Folgen und Risiken mit sich, wie z.B.:
die Zerstörung der Überreste der kleinen Subsistenz- Wirtschaften auf dem Lande, Enteignung und Vertreibung der Landbevölkerung (ob Indianer oder Mestizen) in Richtung der urbanen Zentren, was deren komplette Entwurzlung und nicht zuletzt auch den Schwund verschiedener Lebensformen und der kulturellen Vielfalt bedeutet

die Verletzung und nachhaltige Schwächung der Arbeitsrechte und des Gesetzes für Indianische Rechte

die Auflösung der klassischen Struktur der Arbeiterklasse, denn zu den Beschäftigten zählen v.a. Indianer, enteignete Bauern, Migranten und Arbeitslose

sehr niedrige Löhne

körperliche und psychologische Züchtigung

Einstellung von schwangeren Frauen und Kindern ab 10 Jahren (auch gibt es da die ernsthafte Absicht, sämtliche Straßenkinder in die Maquila zu stecken)

Zunahme von Prostitution und Drogenkonsum

Verschmutzung der Umwelt

Es handelt sich also um die Zerstörung des bisherigen sozialen Gefüges und die Entstehung eines anderen, neuen, welches bislang kaum sozialen Rückkalt bietet.

In Tezuitlán z.B. sind 35 bis 45 % der Bevölkerung neu hinzugezogen, um in der Maquila zu arbeiten. Unter ihnen befinden sich u.a. viele Opfer der letzten Überschwemmungen. Sie besitzen kein Geld, um sich ein Haus zu bauen oder eine Wohnung zu mieten und somit hausen sie in den Randgebieten der Stadt unter miserablen Bedingungen.

Wie die Zukunft in solchen (in Anführungsstrichen) ?Maquiladora- Städten" aussehen soll, dafür ist Tehuacán vielleicht das anschaulichste Beispiel, denn es ist vielleicht der am weitesten fortgeschrittenen Maquila-Standort innerhalb des PPP-Territoriums. Man braucht nur in eines der Bordelle dort gehen und die Prostituierten zu befragen, um den Weg einer Arbeiterin aus der Maquila ins Bordell zu verfolgen. Außerdem sind da die vielen Straßenkinder. Befragt man die Bewohner der umliegenden indianischen Kommunen, so wird man Zeuge der voranschreitenden Zerstörung ihrer politischen, wirtschaftlichen und sozialen Strukturen.

5 Gegenbewegungen

Es gibt nunmehr weltweit eine Bewegung gegen Globalisierung, Freihandelszonen, biologischen Raubbau und Armut. Ihre wachsenden Aktivitäten sind keinem von uns entgangen. Denken wir nur an das kürzliche Treffen in Puerto Allegre.

Eines ihrer wichtigsten Zentren liegt in den USA, wo sich − u.a. aus Protest gegen die seit 1994 bestehende NAFTA — eine stetig wachsende zivile Bewegung herausbildet. Auch formiert sich eine Arbeiterbewegung, die nach 50 Jahren dabei ist, aufzuwachen und zu kämpfen, unter Einbeziehung der Studenten. Diese Studenten bringen, im Gegensatz zu den 60er Jahren, ein Klassenbewusstsein mit. Sie gehen direkt in die Maquiladoras in der ganzen Welt, um die dortigen Verhältnisse zu beobachten und an die Öffentlichkeit zu bringen. Hinzu kommen die Ökologen und die Konsumenten ökologischer Produkte.

Ein Bsp. ist auch, dass sich als Reaktion auf die NAFTA Leute aus dem us-amerikanischen und mexikanischen Kalifornien zu einem gemeinsamen Kampf zusammengetan haben. Daraus ging z.B. das Treffen in Tijuana im Sommer 2001 hervor. Dort kamen verschiedene Organisationen und NGOs zusammen, Migranten und Landarbeiter mexikanischer Herkunft, die auf den Feldern San Quitíns arbeiten, soziale Organisationen aus San Diego, L.A. und San Francisco, um einen gemeinsamen Aktionsplan auszuarbeiten. Inhalt dieses Aktionsplans sind u.a. ist Kampf gegen die Privatisierung des Wassers, gegen die Umweltzerstörung, biologischen Raubbau und die Maquiladoras in der heutigen Form.

Auch im Süden Mexikos hat es in vergangenen Jahr mit dem Ziel der Schaffung eines Korridors des regionalen- internationalen Widerstandes gegen den PPP zwei Versammlungen von mehr als 100 Organisationen aus ganz Mittelamerika gegeben.

Neben der brasilianischen Landlosenbewegung und anderen sind speziell in Mexiko die zapatistische Indianer-Bewegung und die pazifistischen Las Abejas hervorzuheben, die seit dem Aufstand im Januar 1994 neue, alternative Formen des sozialen und wirtschaftlichen Zusammenlebens entwickelt haben. ?Es wird weder einen Plan noch irgendein Projekt mehr geben, in die wir nicht einbezogen sind" war die Nachricht, die Subcommandante Marcos von der Zapatischen Armee der Nationalen Befreiung − der EZLN − in Richtung Cancún übersandte. Dort fand im Februar 2001 ein mittelamerikanischer Wirtschaftsgipfel statt, auf dem der PPP das erste Mal öffentlich vorgestellt wurde.

Auch gibt es da den Widerstand von Hebammen und Heilern gegen die Biopiraterie in Chiapas.

Im Isthmus von Tehuantepec wächst der Protest der ansässigen Bevölkerung gegen seinen Ausbau als industrieller Korridor. Überhaupt wächst der Widerstand v.a. der Landbevölkerung gegen den PPP. So haben die Besitzer der für den PPP anvisierten Landparzellen im Osten des Bundesstaates Morelos − dem Geburtsland von Emiliano Zapata − und an der Grenze zwischen den Bundesstaaten Puebla und Oaxaca erklärt, dass man sie nur tot von ihrem Land herunterbekäme. Behörden und Regierung haben bislang vergeblich versucht, diesen Widerstand zu brechen.
In den Bundesstaaten Oaxaca und Guerrero kämpfen verschiedene Organisationen unter starken Repressionen gegen den Raubbau an den übriggebliebenen Wäldern. Die im Herbst letzten Jahres ermordete berühmte Menschenrechtlerin Digna Ochoa war u.a. Anwältin zweier Mitglieder dieser Organisationen.

Mittlerweile gibt es auch schon interessante Fälle, in denen die Maquila in eine Art Selbstverwaltung durch die Kommunen übergegangen sind, was es ermöglicht, Kinderarbeit, Umweltverschmutzung und Prostitution zu umgehen.
 

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