Betel Yochib (Chiapas)

Pressemitteilung der Menschenrechtskoordination

Mexiko-Koordination vom 14.02.2008

 

Die Deutsche Menschenrechtskoordination Mexiko ist besorgt über die sich aktuell verschärfende Lage in Chiapas, Mexiko. Sie protestiert gegen die vorübergehende gewaltsame Festnahme zweier Angehöriger einer indigenen Gemeinde am 1. Februar 2008 in Chiapas und gegen die Bedrohungslage, der damit die anwesenden MenschenrechtsbeobachterInnen ausgesetzt waren.

Am 01.02.2008 wurden die beiden Einwohner der Gemeinde Betel Yochip in Chiapas, der blinde Eliseo Silvano Jiménez und sein Sohn Eliseo Silvano Espinosa, von einem Fahrzeug ohne Kennzeichen gestoppt, als sie sich auf der Fahrt in ihr Dorf befanden. Laut Aussagen der beiden Betroffenen wurden sie dann von sechs Polizisten der Polizeieinheit "Policía Estatal de Caminos" festgehalten. Es wurde auf sie eingeschlagen und geschossen. Trotz schwerer Verletzungen wurden sie nach Palenque zum dortigen Polizeigebäude gebracht. Nach eigenen Angaben wurden sie dort weitere acht Stunden gefoltert und gezwungen, sich mit Schusswaffen fotografieren zu lassen.

Den willkürlich Verhafteten wurde eine Erklärung vorgelegt, wonach sie Mitglieder einer verbrecherischen Bande seien. Die Erklärung war ihnen nicht übersetzt worden. Erst dann wurde Herr Eliseo Jiménez vorübergehend ins Krankenhaus und Herr Eliseo Espinosa ohne medizinische Versorgung ins Gefängnis verbracht. Von Ärzten der Organisation "Gesundheit und Ländliche Entwicklung" (SADEC, Salud y Desarollo Comunitario) wurden später klare Spuren von physischer und psychologischer Folter festgestellt.

Das Dorf Betel Yochip wird von Mitgliedern der Organisation OPDDIC (Organización para la Defensa de los Derechos Indígenas y Campesinos) dominiert. OPDDIC wird von zahlreichen Menschenrechtsorganisationen in Chiapas vorgeworfen, in ihrem Aktionskreis, zur Zeit besonders in den Tourismuszentren Agua Azul und Palenque, Angehörige indigener, überwiegend zapatistischer Gemeinden zu bedrohen und Aggressionen gegen sie zu initiieren. Die Zusammenarbeit mit der lokalen Polizei garantiert den Angehörigen von OPDDIC Straffreiheit hinsichtlich dieser Aktivitäten.

Während des Vorfalls am 01.02.2008 war ein Mitglied einer Mitgliedsorganisation der Deutschen Menschenrechtskoordination Mexiko im Dorf anwesend. In den bedrohten Gemeinden bemühen sich MenschenrechtsbeobachterInnen, den Dorfbewohnern durch ihre Anwesenheit Schutz zu bieten. In dem Dorf Betel Yochip wurden in den Tagen vor dem Ereignis Drohungen durch Angehörige von OPDDIC gegen Teile der Dorfbewohner und die internationalen MenschrechtsbeobachterInnen ausgesprochen.

MenschenrechtsbeobachterInnen tragen mit ihrer Tätigkeit zur Deeskalation und zur Verhinderung von Gewaltakten bei. Die Deutsche Menschenrechtskoordination Mexiko protestiert auf das Schärfste gegen die Einschüchterungsversuche und ausgesprochenen Drohungen:

Laut der UN-Erklärung für Menschenrechtsverteidiger vom 9. Dezember 1998 ist es die Verantwortung eines jeden Staates, nicht nur die Sicherheit der Menschenrechtsverteidiger zu garantieren, sondern auch für entsprechende Bedingungen zu sorgen, in denen sie ihre Aktivitäten ausüben können. Der mexikanische Staat ist deshalb dazu aufgerufen, alle ihm möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um eine Umgebung zu schaffen, die Menschenrechtsbeobachtungen möglich macht. Dazu gehört aus unserer Sicht die Unterbindung paramilitärischer Aktivitäten ebenso wie die Gewährleistung der Sicherheit ziviler Menschenrechtsverteidiger.

Eliseo Silvano Jiménez und sein Sohn Eliseo Silvano Espinosa sind eine Woche später auf Druck lokaler Nichtregierungs- und Menschenrechtsorganisationen sowie der internationalen zivilen Beobachterkommission CCIODH (Comisión Civil Internacional de Observación por los Derechos Humanos) wieder freigelassen worden.

Wir fordern den mexikanischen Staat dazu auf, die Sicherheit von Herrn Silvano Jiménez und Herrn Silvano Espinosa zu garantieren und erinnern an die Ratifikation der UN-Menschenrechtserklärung sowie der Menschenrechtspakte aus dem Jahr 1996.

Laut Art. 3 der UN-Menschenrechtserklärung hat jeder Mensch das Recht auf Leben, Freiheit und persönliche Sicherheit. Der mexikanische Staat hat für die Einhaltung von Art. 5 der UN-Menschenrechtserklärung zu sorgen, wonach niemand der Folter unterworfen werden darf.

Die Deutsche Menschenrechtskoordination Mexiko ruft die staatlichen Instanzen dazu auf, die Verantwortlichen dieser willkürlichen Verhaftungen strafrechtlich zu sanktionieren, sowie die illegalen Aktivitäten der Organisation OPDDIC zu untersuchen.

Für die Koordination,
Carola Hausotter

(Koordinatorin)

Stuttgart, 14.02.2008

 

Quelle: http://www.mexiko-koordination.de/


 

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