Breiter Hungerstreik der politischen Gefangenen in Chiapas

Direkte Solidarität Chiapas vom 31.03.2008

 

Zahlreiche indigene Gefangene als Teil der Aufstandsbekämpfung

In Chiapas sitzen mehrere hundert Indigenas oft unter offensichtlich falschen Anschuldigungen und ohne dass ihnen ein faires Verfahren gewährt worden wäre im Gefängnis. Viele sind im Zuge des ungelösten politischen Konflikts in die Fänge der Justiz geraten. Dies stellte auch die Internationale Kommission zur Beobachtung der Menschenrechte fest: "Besonders besorgniserregend erscheint ein wiederholt auftretendes Handlungsmuster der Behörden: Falsche Zeugenaussagen werden anerkannt, physische Misshandlung wird als Mittel zur Erzwingung selbst beschuldigender Aussagen einsetzt und solchen Geständnissen wird im juristischen Verfahren der Rang von Beweismitteln zugestanden." Regelmäßig werden so Urteile von vielen Jahren Gefängnishaft gefällt, was gemäß der Menschenrechts-Kommission "als Mechanismus zur Verfolgung von Mitgliedern der sozialen Organisationen und als Instrument der Aufstandsbekämpfung dient" (Feb. 2008, http://cciodh.pangea.org).

Der Hungerstreik der politischen Gefangenen weitet sich aus

Im Februar und Anfang März traten immer mehr politische Gefangene in einen unbefristeten Hungerstreik. Begonnen hat den Hungerstreik am 12. Februar 2008 der indigene Tzotzil Zacario Hernández Hernández, Katechet aus dem Ort "Tres Cruces" (San Juan Chamula). Er und zwei Mithäftlinge, die in der befreiungstheologischen Organisation "Pueblo Creyente" organisiert sind, sitzen wegen angeblichen Mordes an einem traditionellen Katholiken seit fünf Jahren in Haft. Zacario will erst wieder essen, wenn die chiapanekischen Behörden die Freilassung der drei beschliesst. Die beiden Mithäftlinge befinden sich in einem Solidaritätsfasten. Am 19. Februar rief die Organisation "Pueblo Creyente" zu einem Pilgermarsch zur Unterstützung der unschuldig in Chiapas in Haft sitzenden Indigenen auf. Mehrere hundert Personen nahmen daran teil. Nach dieser Demonstration verpflichtete sich die Regierung, eine Lösung für den Fall von Zacario Hernández Hernández und seinen compañeros zu suchen. Die Regierungsbeamtin Sonia Siman Morales verabredete ein Treffen für den 25. Februar um 13 Uhr in den Büros des Regierungspalastes. 30 Minuten zuvor wurde dieses Treffen von ihr ohne Ersatztermin abgesagt. Anschließend traten am selben Tag 12 weitere Tzotziles und Tzeltales im Gefängnis Nummer 14 "El Amate" in den Hungerstreik. Sie verstehen sich als politische Gefangene, da ihnen wegen ihrer politischen Aktivitäten Verbrechen angehängt werden, die sie nicht begangen haben. Von diesen 12 Gefangenen sind 8 Mitglieder in der Organisation politischer Gefangener "La Voz de El Amate", die auch zur von der EZLN initiierten anderen Kampagne (otra campaña) gehört.

Bemerkenswert ist, dass die Gefangenen des Kollektivs "La Voz de El Amate" seit Januar 2006 im Gefängnishof in einem Plantón leben, also einer Art Dauerkundgebung drinnen. Die anderen vier Gefangenen im Hungerstreik in "El Amate" verstehen sich als "zapatistische politische Gefangene". Sie versichern, von Mestizen falsch angeschuldigt worden zu sein, da man sie in ihrer Region als Zapatistas identifiziert habe. Laut dem Menschenrechtszentrum Frayba haben sich seit dem 26. Februar zwei Indigenas der Bauern- und Arbeitergewerkschaft Central Independiente Obrera y Campesina (CIOAC) dem unbefristeten Hungerstreik angeschlossen. Am 4.März begannen weitere 8 indigene Gefangene, Mitglieder der Gefangenenorganisation "La Voz de los Llanos", im Gefängnis No. 5 in San Cristóbal de Las Casas, einen unbefristeten Hungerstreik. Am 10. März schlossen sich 11 indigene Häftlinge im Gefängnis Nr.17 von Playas de Catazaja bei Palenque dem Hungerstreik an. Diese Gruppe von Häftlingen in der Zona Norte besteht aus zapatistischen Gefangenen und Militanten der Partei PRD. Damit stieg die Zahl der Personen im Hungerstreik auf insgesamt 37 in den Gefängnissen 14, 5 und 17. 11 weitere Häftlinge, darunter Personen mit Diabetes, unterstützen die Aktion mit "ayuno y oración", Fasten und Beten. Die Gefangenen im Hungerstreik beklagen, dass sie von medizinischem und Aufsichts-Personal der Gefängnisse bedrängt zu werden, den Hungerstreik aufzugeben. Doch sie haben entschieden, keine Nahrung und keine medizinischen Untersuchungen von Angestellten der Gefängnisse anzunehmen. Sie werden ihre Freiheit auch nicht gegen falsche Schuldgeständnisse aushandeln.

Erster Erfolg: Zacario Hernández freigelassen, 360 Fälle sollen überprüft werden

Die chiapanekische Regierung unter Gouverneur Sabines sieht sich im Verlaufe des sich ausweitenden und andauernden Hungerstreiks immer stärker unter Druck. Mitte März demonstrierte eine Karawane mit mehreren hundert Mitgliedern von "Pueblo Creyente" vor einem der Gefängnisse und es gibt auch nationale und internationale Solidaritätskundgebungen. Schliesslich versprach die chiapanekische Regierung am 17. März die Revision von 360 Fällen von indigenen Gefangenen im Rahmen eines "Verhandlungstisches der Versöhnung". Diese Revision soll innerhalb eines Monats abgeschlossen sein. Wobei bisher nicht klar wurde, welche Fälle damit gemeint sind. Auch vermuten indigene Organisationen, dass die wenigen paramilitärischen Anführer, die im Gefängnis sitzen, im Zuge dieser Revision frei kommen könnten. Darunter einige Täter des Massakers von Acteal (die Hintermänner sind nie zur Rechenschaft gezogen worden) sowie die historischen Anführer der paramilitärischen Organisation "Paz y Justicia". Ebenfalls ein ungutes Zeichen ist die Freilassung der Opddic-Anführer, derjenigen Gruppe, die heute alle gewaltbereiten antizapatistischen Kräfte zu vereinigen versucht. Sieben Opddic-Leute, darunter ihr Gründer und Ex-PRI-Parlamentarier Pedro Chulín, wurden nach mehrmonatiger Untersuchungshaft am 1. Februar 08 aus Mangel an Beweisen freigelassen.

Ein erster Erfolg im Hungerstreik ist erreicht: Am 18. März wurde Zacario Hernández freigelassen, er war somit 35 Tage im Hungerstreik und litt schon unter starken gesundheitlichen Problemen. Nun geht es darum, dass auch alle anderen politischen Gefangenen in Chiapas frei kommen. Die Angehörigen der Hungerstreikenden begannen am 25. März eine Dauerdemonstration vor dem Regierungspalast in Tuxtla Gutiérrez, der Hauptstadt von Chiapas. Die Zeit drängt, denn die Gefangenen, oft schon vor dem Hungern in schlechter physischer Verfassung, gehen mit jedem weiteren Tag höhere gesundheitliche Risiken ein. So musste einer der Gefangenen aus der Zona Norte seinen Hungerstreik vorzeitig wieder abbrechen, da ihm seine schlecht behandelte Schussverletzung am Kopf schwer zu schaffen machte.

Mehr Freilassungen, neue Hungerstreikende in Tabasco, viele in Lebensgefahr

Ende März liess die chiapanekische Regierung Sabines 95 indigene Gefangene frei, wie die Bauernorganisationen bestätigten, doch Hungerstreikende waren keine darunter! Inzwischen sind ein Dutzend Gefangene seit über einem Monat im Hungerstreik und haben immer grössere gesundheitliche Probleme wie Bluterbrechen und Organschädigungen.

In Tabasco, nahe der Grenze zur Zona Norte in Chiapas, traten nun auch zwei zapatistische Gefangene in einen Fastenstreik, die seit 1996, also seit 12 Jahren wegen einem Mord in Haft sitzen, den sie nachweislich nicht begangen haben. Diese beiden, Vater und Sohn, sind beide Diabetiker und können deshalb aus gesundheitlichen Gründen nicht in einen vollständigen Hungerstreik treten. Aber auch das tägliche Fasten ist eine starke Belastung der physisch angeschlagenen Gefangenen.

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Quelle:
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