Paramilitärische Morde und militärische Mobilisierung in Chiapas

La Jornada vom 27.08.2002
Hermann Bellinghausen
übersetzt von: Dana

 

San Cristóbal de las Casas, Chiapas, 26. August. — Zwei Campesinos, EZLN Unterstützungsbasen, wurden gestern morgen auf der Amaytik Ranch von PRI Paramilitärs aus dieser Gemeinde und dem benachbarten Peña Limonar erschossen, ein paar Kilometer von der Armeebasis Cintalapa entfernt.

An diesem Nachmittag meldeten die Bezirksautoritäten des Autonomen Bezirkes Ricardo Flores Magón, dass PRIistas und Paramilitärs von der Amaytik Ranch, Lorenzo Martínez Espinosa, aus dem Ejido Nueva Esperanza und Sprecher des Autonomen Rates, und Jacinto Hernández Gutiérrez, autonomer Agent für die Ranch, erschossen hatten.

Die Autonomistas fügten hinzu, dass Lorenzo Martínez Espinosas Leiche "letzte Nacht verschwand, ohne dass jemand wüsste, wer sie weggeschafft hat, und wohin sie sie gebracht haben, um das Verbrechen zu vertuschen, die von PRI Paramilitärs aus der Gegend Peña Limonar verübt worden ist, die in diesem Tal operieren, wie wir bereits schon früher gemeldet haben. Wir fordern, dass sie uns die Leiche unseres Compañeros sofort zurückgeben," sagte der autonome Rat.

"Wir machen die schlechte Regierung direkt für diese Vorfälle verantwortlich. Und deshalb rufen wir die nationale und internationale Zivilgesellschaft auf sich zu mobilisieren, um zu fordern, dass die schlechte Regierung die Morde beendet und untersucht, um den wahren Schuldigen für die Ermordung unseres Compañeros Gerechtigkeit widerfahren zu lassen."

Die Autonomistas erklärten, dass mit diesem Hinterhalt, "die schlechte Regierung mit ihren Paramilitärs ihre Todesdrohungen gegen unsere Völker ausführen, die sich im würdigen Widerstand befinden."

"Trotz aller Drohungen und Morde, werden unsere Völker weiterhin Widerstand leisten und für Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit kämpfen."

Die Version des Generalstaatsanwaltes

Das Büro der Staatsanwaltschaft [PGJE] berichtete letzte Nacht über die Vorfälle mit einer wesentlich abweichenden Version. Laut dem offiziellen Kommunique, handelte es sich dabei um eine "inter-familiäre Auseinandersetzung, in der Gemeinde Amaitic, Bezirk Ocosingo, bei der ein Mann das Leben verlor und sieben andere verwundet wurden." Auf dieser Grundlage verkündete die Staatsanwaltschaft, dass eine Untersuchung eröffnet werden würde. Den ersten Ermittlungen zufolge, erklärte das PGJE, der Vorfall hätte sich zugetragen, weil Manuel Gutiérrez Hernández vor einige Tagen Juana Hernández Cruz "entführt" habe, und nach den Sitten und Gebräuchen, der Freund 5000 Pesos als Mitgift hätte zahlen müssen, und die Familie seiner Verlobten mit Getränke und Essen versorgen müssen. Manuel Hernández hätte sich jedoch geweigert die Gemeindetraditionen zu erfüllen, was eine Auseinandersetzung zwischen den zwei Familien zur Folge hatte."

Diese Version des PGJE, der heute immer noch von den offiziellen Quellen der Regierung von Chiapas aufrechterhalten wird, wurde mit einer Sintflut unbestätigter Gerüchte und Informationen begleitet, über angebliche Konfrontationen zwischen Campesinos in der nördlichen Region der Selva Lacandona.

Währenddessen berichtete das Menschenrechtszentrum Fray Pedro de la Nada [CDHFPLN] in Ocosingo, schwere Armeebewegungen in den Baracken der Militärregion in dem Toniná Predio.

Die gleiche Zivilorganisation informierte, dass die "Spannung in der Gegend dermaßen angewachsen ist, dass es nach Informationen des Amtes für Indigene Völker (SEPI) an das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de las Casas, am Montag morgen, in dem Ejido Arroyo Granizo, am Rand des Autonomen Bezirkes Ricardo Flores Magón, nahe der Militärabteilung von Cintalapa, eine Auseinandersetzung gegeben haben soll." Weder dieser Konfrontation, noch angebliche andere sind bis heute nacht bestätigt worden, da sie scheinbar nicht stattgefunden haben.

Nichtsdestotrotz konnte das CDHFPLN selbst dokumentieren, dass "ein Militärkonvoi von mehr als 30 Fahrzeuge, darunter mehrere Artilleriefahrzeuge und Panzer, an diesem Montag morgen, von den Einrichtungen der 39. Militärregion in Ocosingo aus in Richtung der Cañadas aufgebrochen ist, und die Quexil Kreuzung passierte, an der zapatistische Unterstützungsbasen dreier Autonomen Bezirke einen Kontrollposten aufrechterhalten, um den Schmuggel mit Alkohol, Edelhölzer und gestohlene Autos zu unterbinden, und wo sie letzte Woche von mehr als 200 PRIstas der OPDIC Organisation, mit Steine, Knüppel, Macheten und Pistolen angegriffen worden sind."

Dem CDHFPLN zufolge, "scheint im Kontrast zu der derzeitigen Spannung in den Gemeinden der Cañadas, unter den Einwohnern des Bezirkshauptortes von Ocosingo Ruhe und Frieden zu herrschen. Zum zweiten Mal in dieser Woche jedoch, arbeitete die Bezirkspolizei ohne ihre brandneuen Uniformen, die wie militärische Tarnanzüge aussehen. Wie letzte Woche, als der Staatsabgeordnete Pedro Chulín die PRIistas von OPDIC zusammentrommelte, die die Zapatistas bei Quexil abgriffen, trug die Polizei heute Zivilkleidung."

Das Menschenrechtszentrum glaubt, dass die Gerüchte über mögliche Aktionen paramilitärischer Gruppen gegen die Gemeinden an der Grenze zu Montes Azules begründet sein könnten, und die Gefahr weiterer Gewalttaten gefährlich zunimmt. Aufgrunddessen, und im Namen mehrerer ziviler Organisationen erklärten sie:

"Die Menschenrechtszentren ersuchen dringendst: — die Bundesregierung, sich von den bewaffneten PRI und/oder paramilitärischen Gruppen zu distanzieren, die in der Region operieren; — Oberste Gerichtshof seinen Urteil über die Verfassungsklagen gegen das indigene Gesetz vorzulegen, das von den Abgeordneten und Senatoren verantwortungslos bewilligt worden ist; — Und die Legislative Gewalt die dringende Reform des besagten Gesetzes voranzubringen, um die San Andrés Vereinbarungen zu beinhalten, die von der Bundesregierung und der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung unterzeichnet worden sind."

Zivile Menschenrechtsorganisationen aus San Cristóbal de las Casas, Ocosingo und Chilón haben heute Nachmittag mindestens drei Beobachtungsbrigaden zu der Gegend mobilisiert, in der die gestrigen Morde stattgefunden haben.

Heute nacht haben Tausende Soldaten der Mexikanischen Armee, die Richtung Palenque, Monte Líbano und Montes Azules vorgedrungen sind, die Straßen praktisch besetzt, und patrouillierten ständig die Autonomen Gemeinden in der Region.

 

Quelle: https://www.jornada.com.mx/


 

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