SIPAZ-Information zu Chincultik

SIPAZ-News vom 08.10.2008

 

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Dringende Information

Am letzten Freitag, den 3. Oktober, wurden bei einem gewaltsamen Polizeieinsatz sechs Personen getötet. Diese wurde von föderalen und bundesstaatlichen Polizeieinheiten durchgeführt. 17 weitere Personen wurden verletzt und 36 festgenommen. Die meisten waren BewohnerInnen des /ejido/ (kommunal verwaltetes und bewirtschaftetes Land) Miguel Hidalgo im Landkreis La Trinitaria in Chiapas, Mexiko.

Am 7. September hatten die BewohnerInnen von Miguel Hidalgo die nahe gelegene archäologische Stätte Chincultik besetzt, um deren Verwaltung zu übernehmen. Die Ruinen liegen in der Nähe der Stadt Comitan und dem Nationalpark Lagunas de Montebello. Aufgrund der Besetzung klagte das Nationale Institut für Anthropologie und Geschichte (/Instituto Nacional de Antropologia y Historia/,/ /INAH) die Verantwortlichen für die Besetzung an (Untersuchung PGR/CHIS/COM/156/2008) an. Die INAH war voher mit Verwaltung der Stätte beauftragt. Dennoch hatten seit dem 7. September eine Reihe von Verhandlungen mit den Behörden stattgefunden, die letzte davon am 2. Oktober.

Am 3. Oktober drangen 40 Polizisten der Staatlichen Praeventivpolizei und der Gerichtlichen Polizei um ca. 11 Uhr morgens mit Fahrzeugen, Pferden und zu Fuß in die Gemeinde ein. Dabei schossen sie mit Traenengas und verschafften sich auf gewaltsame Weise Zutritt zu einigen Häusern. Die BewohnerInnen der Gemeinde verteidigten sich mit Steinen, Schaufeln und Macheten. Es kam zur Konfrontation mit der Polizei.

Um ca. 17:30 begannen 300 Beamte der Föderalen Präventivpolizei, der Gerichtlichen Polizei, der Föderalen Untersuchungsbehörde, sowie der Staatlichen Präventivpolizei wiederum in die Gemeinde einzudringen, was weitere Zusammenstöße mit der Bevölkerung hervorrief. Laut ZeugInnenaussagen setzten die PolizistInnen Feuerwaffen ein und verletzten dabei einige Personen.

Laut öffentlichen Informationen des Menschenrechtszentrum Fray Bartolome de las Casas (FrayBa) kam Augustin Alfaro Alfaro, der in einer nahe gelegenen Gemeinde wohnte, mit seiner Frau und einem Sohn zu Hilfe, um die verwundeten Personen mit seinem Auto in das nächste Krankenhaus zu bringen. Auf dem Weg dorthin wurden sie von einem Fahrzeug der Staatlichen Präventivpolizei mit Schüssen aufgehalten. Nachdem die Insassen des Wagens aussteigen mussten, töteten die PolizistInnen Herrn Alfaro mit einem Schuss in die Brust und erschossen drei weitere Personen (Rigoberto Lopez, Alfredo Hernandez und Miguel Antonio Martinez). Die Frau des Fahrers Herrn Alfaro, Eloisa Margarita Espinoza Morales, und ihr Sohn konnten unverletzt entkommen und sind somit ZeugInnen der Ereignisse.

Zwei weitere Personen (Ignacio Hernandez Lopez und Ricardo Ramirez Ramirez) wurden bei der Auseinandersetzung in der Gemeinde durch Feuerwaffen verletzt und starben auf dem Weg zum Krankenhaus von Amparo Agua Tinta im Landkreis Las Margaritas, Chiapas.

Die 36 festgenommen Personen wurden nach San Cristobal de las Casas und nach La Trinitaria gebracht. Am 5. Oktober wurden sie im Austausch gegen Waffen freigelassen. Diese hatte die Gemeinde den PolizistInnen am Morgen des 3. Oktobers während der Konfrontation abgenommen.

Gemäß FrayBa wurden 17 KleinbäuerInnen verletzt, sechs davon durch Schusswaffen. Der Zustand von zwei der verwundeten Personen ist weiterhin kritisch.

Hingegen gaben die Behörden an, dass 22 Personen verwundet seien: 16 PolizistInnen und sechs KleinbäuerInnen.

Bis jetzt entschieden sich die staatlichen und föderalen Behörden, eine Summe von 35.000 Pesos (2800 USD) zu zahlen, um die Kosten für die Begräbnisse zu decken. Des weiteren will die Regierung 75.000 Pesos (ca. 6000 USD) für die Familien der Opfer als Unterstützung bereit stellen. Die Regierung von Chiapas führt momentan Untersuchungen gegen fünf PolizistInnen durch, die angeblich die Schuldigen des Massakers sind. Die chipanekische Regierung erklärte, dass im Falle der Schuld von BeamtInnen, diese bestraft werden.

Das Menschenrechtszentrum FrayBa "kritisiert aufs Schärfste die Verbrechen gegen die BewohnerInnen der Gemeinde Miguel Hidalgo, die durch bundesstaatliche und föderale Beamte begangen wurden". FrayBa fordert von der föderalen und bundesstaatlichen Regierung, "eine neutrale und effektive Untersuchung der Ereignisse durchzuführen, die Verantwortlichen zu bestrafen, Entschädigungen fuer die materiellen und moralischen Schäden bereit zu stellen, Maßnahmen zu ergreifen, um den Schaden, der dem sozialen Gefuege der Gemeinde angetan wurde, zu begleichen sowie alles zu unternehmen, dass eine Wiederholung von derart unangemessener Gewalt durch Beamte ausgeschlossen wird".

Wichtig zu erwähnen ist zudem, dass am selben Tag weiterere polizeiliche Einsätze in den Gemeinden von Antela, Nueva Rosita y Nuevo Hidalgo stattfanden. Dort hatten letzten September BewohnerInnen dieser Gemeinden den Nationalpark Lagunas de Montebello blockiert. Bis dahin wurde der Park von der Nationalen Kommission fuer Schutzgebiete (CONANP) verwaltet.

Weitere Informationen (in Spanisch

- Artikel aus der Zeitung /La Jornada /vom 4. und 5. Oktober: "Drei Stunden Konfrontation zwischen Polizei und KleinbäuerInnen in einer archäologischen Zone in Chiapas"
https://www.jornada.com.mx/2008/10/04/index.php?section=politica&aritcle=018n1pol

und

https://www.jornada.com.mx/2008/10/05/index.php?section=politica&article=003n1pol

- einige Artikel über das Massaker:
http://diariomeridiano90.blogspot.com/

- vorläufiger Bericht des Menschenrechtszentrum FrayBa:
http://www.frayba.org.mx/archivo/boletines/081006_ejecuciones_en_chinkultic.pdf

- Artikel: "Die Regierung von Chiapas klagt fünf Polizisten wegen Massaker in Chincultik an"
http://www.cronica.com.mx/nota.php?id_nota=389359#

 

Quelle: https://www.sipaz.org/?lang=de


 

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