Handlanger der Aufstandsbekämpfung kommen in Chiapas an die Macht

La Jornada vom 19.11.2008
Hermann Bellinghausen
übersetzt von: Dana

 

Handlanger der Aufstandsbekämpfung kommen in Chiapas an die Macht
Castañón León, liiert mit Gómez Mont, wird neuer Regierungssekretär

San Cristóbal de las Casas, Chiapas, 18. November. Mit der Ernennung des ehemaligen Oberrichters Noé Castañón León zum Regierungssekretär anstelle des PRD-Politikers Antonio Morales Messner, ist die Regierung von Juan Sabines Guerrero bei der Wiederverwertung ehemaliger PRI-Anhängern einen Schritt weitergegangen. Juan Sabines selbst war noch vor drei Jahren ein Bürgermeister der PRI in Tuxtla Gutiérrez, obgleich er offiziell unter der Fahne der Demokratischen Revolutionspartei (PRD) zum Gouverneur gewählt wurde.

Castañón León, während der Interimregierung von Roberto Albores Guillén ehemaliger Oberrichter des Obersten Gerichtshofs des Bundesstaates von Chiapas (STJE), war einer der wichtigsten Befürworter der Neuaufteilung der Bezirke in den so genannten "Einflusszonen der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung". Die Albores Regierung führte in Ocosingo, Las Margaritas, San Andrés Larráinzar und anderen indigenen Gemeinden im Rahmen der Aufstandsbekämpfung zwangsweise neue Demarkationen ein, die später legalisiert wurden. Alle neuen Bezirke wurden Militärbasen zur Seite gestellt. In einigen − in Los Altos und der Grenzzone − wurden ehemaligen Militärs als erste Bezirksbürgermeister unterstellt.

Man wird sich an Castañón León als einen der Regisseure der "Massendesertionen" falscher Zapatisten erinnern, die zwischen 1999 und 2000 in idyllischer Naturkulisse, vor laufender Kamera zur besten Sendezeit ihre Waffen übergaben. Die erste dieser Inszenierungen fand in einem Kurort am Rio Jatate statt, um für größere Authentizität zu sorgen.

Der glänzende Regierungssekretär war von 1995 bis 2001 Oberhaupt des STJE − turbulente Jahre in Chiapas. Er überlebte drei Gouverneure (Javier López Moreno, Julio César Ruiz Ferro und Roberto Albores), und ein vierter, Pablo Salazar Mendiguchía, beschuldigte ihn noch vor Antritt seiner Regierungszeit der Unterschlagung, des Vertrauensbruchs und anderer Delikte, die er während der Amtszeit von Albores Guillén verübt haben soll. Keine der vier vorhergehenden Untersuchungen, die daraufhin eingeleitet wurden, war erfolgreich. Aber der abgesetzte Richter verließ den Staat in 2001.

Nun kehrt er zurück zu einer Regierung, in der die Präsenz der Gruppe alter Albores-Anhänger immer mehr an Stärke gewinnt, die in der Amtszeit von Salazar Mendiguchia noch vorübergehend verteufelt wurde. Auch der gegenwärtige Leiter der Generalstaatsanwaltschaft von Chiapas, Amador Rodríguez Lozano, einst ein PRI-Senator und glühender Salinas-Anhänger, wurde später Berater und "Organisator" für Salazar Mendiguchía und Unterstützer des Wahlkampfes von Sabines. Im März diesen Jahres, nachdem er den ebenfalls kontroversen Mariano Herrán Salvatti als Oberhaupt der Richterlichen Gewalt ablöste, ließ er überraschend verlauten: "dies ist eine Regierung der Linken", nach der Freilassung von mehr als ein Hundert Gefangenen, darunter Dutzende die als "politisch" galten, die mehr als ein Monat lang einen Hungerstreik geführt hatten.

Gouverneur Sabines erklärte gestern, die Ernennung von Castañón León, sei "eine Garantie für die Gültigkeit des Rechtsstaates, die Achtung der Menschenrechte, die Stärkung der Kultur von Frieden und Versöhnung, und der Unparteilichkeit der Regierung in den kommenden Wahlen".

Der PRD-Politiker, der noch bis letzten Montag das Amt des Regierungssekretärs ausübte, Morales Messner, wurde zum Minister für Verkehr und Transportwesen ernannt, ein Amt, das im Regierungskabinett von Sabines eine etwas weniger zentrale Rolle einnimmt. Damit ist der höchste Kreis der Regierung von Chiapas vollständig in die Hände der PRI-isten der härtesten Jahre der Aufstandsbekämpfung geraten, obwohl ihre Interessen heute mehr auf den Ausbau der Tourismusindustrie und die Anlockung ausländischer Investitionen ausgerichtet sind.

An diesem Montag machten unter den Journalisten, die über die Amtsübergabe berichteten, Geschichten darüber die Runde, dass Castañón León mit Regierungssekretär Fernando Gómez Mont liiert sei, der in der Vergangenheit den ehemaligen Interimgouverneuren Albores Guillen als Anwalt vertreten hatte, als dieser aufgefordert wurde, vor den Bundesbehörden zu den Anschuldigungen der damaligen Salazar Regierung Stellung zu nehmen. Bei dieser Aufgabe arbeitete er eng mit den neuen Verantwortlichen für die Innenpolitik von Chiapas zusammen.

Eine andere kontroverse Ernennung ist die des Ministers für Öffentliche Sicherheit und Bürgerschutz, José Luis Solís Cortés. Früher Kommissar der Präventiven Bundespolizei in Chiapas, Quintana Roo und Aguascalientes, wurde er durch das Bundesministerium für Öffentliche Sicherheit Ermittlungen unterzogen, wegen des Verdachts, dass er Gruppen protegierte, die in den Drogenhandel und den Schmuggel von Holz und gestohlenen Autos nach Zentralamerika verwickelt waren. Soweit bekannt, wurde sein Fall von der Bundesstaatsanwaltschaft "auf Eis gelegt".

 

Quelle: https://www.jornada.com.mx/2008/11/19/index.php?section=politica&article=019n1pol


 

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