Internationale WahlbeobachterInnen in El Salvador

Öku-Büro München vom 10.12.2008

 

Liebe Lateinamerika-Interessierte,

nicht nur in Bolivien, Venezuela und Ecuador spielen sich interessante und hoffnungsvolle Prozesse ab, sondern auch in dem etwas in Vergessenheit geratenen mittelamerikanischen Land El Salvador.

Momentan sieht es stark danach aus, dass die antikommunistische, rechtskonservative Regierungspartei ARENA, die das Land nun seit 1989 regiert, bei den Präsidentschaftswahlen am 16.3.09 aus dem Amt gedrängt werden könnte. Am 18.1.09 wird außerdem das Parlament neu gewählt − ein Ereignis, das als richtungweisend für die Präsidentschaftswahlen gilt. Für den Fall, dass weder der linksliberale, gemäßigte Kandidat Mauricio Funes der linken Oppositionspartei FMLN noch der rechtskonservative Rodrigo Ávila, der für die derzeitige neoliberal-autoritäre Regierungspartei Arena kandidiert, im ersten Wahlgang über 50% der Stimmen erhält, wird am 15.4.09 eine Stichwahl stattfinden.

Zu allen drei Terminen 18.1., 16.3 und ggf. 15.4. wünschen sich AktivistInnen der sozialen Bewegungen und der FMLN, dass auch von den tendenziell konservativen Internationalen Organisationen und ihren Interessen unabhängige WahlbeobachterInnen zu den Wahlen vor Ort sind. Die schlichte Anwesenheit in Wahllokalen an der Peripherie der großen Städte und auf dem Land kann helfen, den aller Erfahrung nach zu erwartenden massiven Wahlbetrug zu erschweren. Deshalb möchten wir vom Bundestreffen der El Salvador-Solidarität, zu dem sich Ende November 08 die in der Solidaritätsarbeit zu El Salvador aktiven Gruppen und Einzelpersonen wie jedes Jahr getroffen haben, alle an progressiven Veränderungen in Lateinamerika interessierten Menschen auffordern, sich zu überlegen, ob sie nicht nächstes Jahr als WahlbeobachterInnen nach El Salvador reisen wollen. Dazu solltet ihr mindestens eine Woche vor sowie eine Woche nach den Wahlen im Land sein und Spanisch sprechen können.

Leider können wir aus Kapazitätsgründen keine organisierte Delegation und auch keine finanzielle Unterstützung anbieten, aber einige von uns werden selbst in El Salvador sein. Wer weitere Informationen und Kontakt zu anderen WahlbeobachterInnen sucht, kann sich gerne an das Ökumenische Büro in München elsal AT oeku MINUS buero PUNKT de wenden. Unterstützung bei Akkreditierung und die Vermittlung von notwendigen vorherigen Schulungen vor Ort bietet das Zentralamerika-Sekretariat in Zürich (zas11 AT sunrise PUNKT ch).

Uns ist wichtig, dass die unabhängigen WahlbeobachterInnen vor Ort auch ggf. Druck auf die Regierung auszuüben versuchen, sowie eine realistische, eigene Berichtserstattung über das Geschehen entwickeln.

Mit solidarischen Grüßen

Eure El Salvador-Solidarität

PS: Wer sich selbst nicht in der Lage sieht eine solche Reise zu organisieren, und lieber eine wahlspezifische, organisatorische Anbindung möchte (die allerdings leider weniger auf Öffentlichkeitsarbeit hier zielt), findet diese beim CIS (Centro de Intercambio y Solidaridad): http://www.cis-elsalvador.org/election_observers.htm oder bei der Lutherischen Kirche El Salvadors. Infos und Kontakt siehe Anhang.

Hintergrundinfos zu den politischen Verhältnissen und der Notwendigkeit von Wahlbeobachtung in El Salvador:

Seit nunmehr über 15 Jahren ist in El Salvador der Bürgerkrieg beendet, doch von wirklichen demokratischen Verhältnissen, Frieden und umfassender Verbesserung der Lebensverhältnisse der ausgeschlossenen Bevölkerungsmehrheit kann keine Rede sein. Vier Amtsperioden lang haben die Rechtsregierungen für die Durchsetzung eines umfassenden neoliberalen Programms gesorgt, das mit steigenden Preisen, sinkenden Löhnen und brutaler Repression gegen soziale Bewegungen und Gewerkschaften dazu beiträgt, dass über die Hälfte der Bevölkerung in Armut lebt und sich viele Menschen gezwungen sehen zu emigrieren. Die Regierungspartei ARENA hat nach knapp 20 Jahren "Demokratie niedriger Intensität" noch immer stark antikommunistische und zum Teil semi-faschistische Züge. Viele ihrer Mitglieder organisierten während des Bürgerkriegs systematischen Terror und Folter, auch wenn sich ARENA heute gerne als Partei des modernen Unternehmertums darstellt.

Ihr diametral gegenüber steht die FMLN, die in den 1980ern als Guerilla und seit Ende des Bürgerkriegs 1992 als legale politische Partei gegen die soziale Ungleichheit und die autoritären, repressiven Züge des Regimes kämpft. Bei den Wahlen 2009 kandidiert als FMLN-Präsidentschaftskandidat ein links-liberaler Journalist, Mauricio Funes, der bis weit in die Mittelschicht hinein Sympathien hat. Als Kandidat für die Vizepräsidentschaft ist Salvador Sánchez Cerén, langjähriges FMLN-Mitglied und Comandante während des Krieges, aufgestellt. Seit Monaten liegt Mauricio Funes nach Angaben verschiedener Umfrageinstitute um ca. 15% der Stimmen in Führung, selbst die konservativen, regierungsnahen Zeitungen geben einen deutlichen Vorsprung zu.

Doch so einfach wird die Rechte ihre Niederlage wohl nicht hinnehmen. Bei allen Wahlen der letzten Jahre ist es zum Wahlbetrug gekommen. So haben Tote gewählt, Stimmen wurden gekauft, aus den Nachbarländern wurden scharenweise Menschen zu den Wahlen mit salvadorianischem Pass ausgestattet, abhängig Beschäftigte unter Druck gesetzt u.v.a.m. Dennoch haben die offiziellen WahlbeobachterInnen der OAS (Organisation Amerikanischer Staaten) kaum Unregelmäßigkeiten beanstandet. Statt sich mit den gemeldeten Unstimmigkeiten bei der Auszählung zu befassen, feierten sie am Wahlabend in ihrem Hotel ausgelassen den ARENA-Sieg. Als unabhängige WahlbeobachterInnen können sie deshalb unserer Meinung nach nicht gelten.

Derzeit befinden sich im entscheidenden Wahlregister rund 960.000 Menschen mehr als laut Zensus in El Salvador wahlberechtigt sind — das entspricht der Anzahl der Stimmen, die voraussichtlich wahlentscheidend sein werden.

Wir als Soli-Gruppen glauben keineswegs, dass ein Wahlsieg die Lösung aller Probleme des Landes bedeuten würde. Dennoch stimmen wir, bei aller Unterschiedlichkeit mancher Positionen, darin überein, dass die Verdrängung ARENAs von der Macht wesentlich dazu beitragen würde, die Forderungen der sozialen Bewegungen und die Interessen der verarmenden Bevölkerungsmehrheit im politischen Prozess zu berücksichtigen und einer tatsächlichen Demokratisierung des Regimes Vorschub leisten würden. Jahrzehntelang haben Menschen in El Salvador für soziale Gerechtigkeit und Demokratisierung gekämpft, viele haben dabei ihr Leben gelassen. Die AktivistInnen sozialer Bewegungen und der FMLN in El Salvadors verbinden große Hoffnungen mit den Wahlen Anfang 2009. Sie begreifen das Recht auf freie, faire und saubere Wahlen als einen wesentlichen Schritt zu sozialer Veränderung und Emanzipation. Deshalb wollen wir als Soli-Bewegung unseren Beitrag dazu leisten, dass sie dieses Recht trotz der vergleichsweise finanzstarken Diffamierungskampagne, allen Versuchen des Wahlbetrugs und der direkten und indirekten Beihilfe dieses Betrugs seitens internationaler Akteure Anfang 2009 durchsetzen können. Deshalb setzen wir uns für einen fairen, transparenten Wahlprozess ein, der hoffentlich zur Veränderung der sozialen und politischen Verhältnisse führt.

Dateianhang 1: Formular (.doc)

Dateianhang 2: Internationale Wahlbeobachtung El Salvador (.pdf)


Oekumenisches Buero fuer Frieden und Gerechtigkeit e.V.
Oficina Ecumenica por la Paz y la Justicia
Pariser Str. 13
D-81667 Muenchen
Alemania
Tel: + 49 89 4485945 Fax: + 49 89 487673
EMail: info AT oeku MINUS buero PUNKT de
http://www.oeku-buero.de
Vereinsregister Nr. VR 11081
Registergericht: Amtsgericht Muenchen
Vertretungsberechtigter Vorstand: Karl Schuhbauer, Miriam Stumpfe

 

Quelle: http://www.oeku-buero.de


 

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