Baja California Sur: Massaker nach Niederschlagung von Gefängisaufständen

Mexikanische Polizei foltert und ermordet 24 Gefängnissinsassen

Direkte Solidarität Chiapas vom 12.12.2008
Direkte Solidarität mit Chiapas

 

Gefangenenaufstände sind regelmässige mediale Randnotizen. Man sieht tätowierte, wild gestikulierende Männer auf dem Dach und anschliessend Horden von Polizisten, die der Situation wieder Herr werden. So auch in Baja California Sur. Genauer hingeschaut zeigen sich typische Ereignisse aus der Vorhölle der Globalisierung.

Häftlinge auf dem Gefängnistrakt

Am Tag der Menschenrechte, dem 10. Dezember 2008, publizierte die Menschenrechtsstelle des Bundesstaates Baja California (Halbinsel nahe der Grenze zur USA) ganze 22 "Empfehlungen" im Zusammenhang mit den Gefängnisaufständen im Knast La Mesa vom 14. und 17. September. Die staatlichen Menschenrechtsbüros sind in Mexiko normalerweise zahnlose Papiertiger (zugegeben, die Schweiz besitzt nicht mal eine solche Behörde). Doch unter diesen Empfehlungen befindet sich eine an das lokale Parlament, um einen politischen Prozess gegen den Polizeiminister, Daniel de la Rosa Anaya, zu eröffnen, eine andere fordert von Justizministerium die Eröffnung einer Untersuchung und das Zitieren des Polizeichefs als Angeklagter, eine dritte fordert eine öffentliche Entschuldigung des Gouverneurs José Guadalupe Osuna Millán gegenüber den Familien der Insassen des Gefängnisses. Was geschah denn, dass die staatliche Menschenrechtsbehörde scharf schiesst gegen ihre Mitesser am Buffet der Macht?

Verbrecher: ā€˛Ratten«

Mexiko wird von einer Welle von Ressentiments gegenüber Verbrecher überzogen. Die täglich zunehmende Opferzahl im von der Regierung Calderón tölpelhaft und einseitig militärische geführten "Kampf gegen die Drogenmafia" (Geldwäsche ist beispielsweise kein Thema, niemand wird verurteilt, Gesetze dagegen gibt es kaum, der neue Innenminister verteidigte der Geldwäsche verdächtigte Firmen) ist eine Geschichte. Aber noch mehr beschäftigt Fernsehsender und Presse die Entführungen. Denn dieser lukrative Geschäftsbereich des "Hampa" genannten kriminellen Untergrunds nimmt entweder zu oder wird mindestens stärker beleuchtet. Betroffen sind naturgemäss Familien aus der Oberschicht, die Lösegeldforderungen begleichen können. Des öftern dauern die die Entführungen endlos lange und enden gar mit dem Tod der Opfer, was die verzweifelten Angehörigen dann medienwirksam den Behörden vorwerfen.

Inzwischen hängt in fast jedem Dorf Mexikos ein grosses Transparent mit dem Bild einer Ratte oder eines vermummten Kriminellen und den markigen Worten, dass hier mit "Ratten" kurzer Prozess gemacht werde. Eine Strassenecke weiter macht die Grüne Partei Mexikos (ein konservativer, korrupter Familienbetrieb, der mit der PRI verbandelt ist) Propaganda für ihre Forderung nach der Einführung der Todesstrafe für Entführer. Die Todesstrafe wird täglich in Feuilleton und Fernsehen diskutiert, wobei die grosse Parlamentskammer Mexikos in einem Anflug von Vernunft die Diskussion darüber am Dienstag abgelehnt hatte. Gleichentags wurden aber im Senat im Fast-track-Verfahren weitere Menschenrechtsverletzungen durchgedrückt: Das "Allgemeine Gesetz zum System der öffentlichen Sicherheit" beinhaltet die verfassungswidrige Militarisierung von Polizeistrukturen und die Überwachung der Mobiltelefongespräche. Die sozialdemokratische PRD bedauerte vergeblich, dass sie den Gese tzesentwurf "erst vor 10 Minuten" erhalten habe und deshalb eine tiefere Diskussion wolle. Innerhalb einer Tagessession wurde diskutiert und abgesegnet, fertig lustig. Die Verbrechensbekämpfung heiligt alle Mittel.

Abschiessen von Gefangenen aus dem Helikopter

In diesem Setting des "manufacturing consent" ist auch die Aufstandsbekämpfung im Knast von La Mesa zu sehen: Francisco Javier Sánchez Corona, der Ombudsmann der Menschenrechtsbehörde von Baja California, konstatiert, dass "nur" die Ermordung von 24 Insassen nachweisbar sei, denn an diesen Leichen wurde eine Autopsie durchgeführt. Aber es habe eine unbekannte Anzahl von toten Insassen, die nicht identifiziert werden konnten, da sie verbrannt wurden. Wobei 10 Säcke mit Knochen sichergestellt wurden. Die Autopsie der nicht verbrannten Leichen ergab, dass 18 der 24 Insassen vorsätzlich mit Schüssen getötet wurden (11 in den Kopf, sechs in den Oberkörper). Zudem ist in den meisten Fällen die Ballistik eindeutig: Die Schüsse durchqueren die Körper von oben nach unten, was mit den Zeugenaussagen korrespondiert, dass die bundesstaatliche Präventivpolizei (PEP) aus dem Helikopter auf die aufständischen Gefangenen schoss.

Häftlinge zusammen getrieben auf dem Innenhof

Der erste Gefangenenaufstand fand seinen Anfang, als der Kommandant Jorge Eduardo González Montero mit Hilfe von zwei Schliessern 23 Insassen folterte, um herauszufinden, wem eine Portion Marihuana und ein Handy gehöre. Bei dieser Folter wurde der Insasse Israel Blanco Márquez zu Tode geprügelt. Aus Anlass dieses Mordes rebellierten die Häftlinge im Block Nr. 5 tags darauf, am 14. November. Und am 17. November folgten ihrem Beispiel die Frauen aus dem Block 7, die auf das Dach kletterten, um Essen, medizinische Versorgung und Wasser zu fordern. Darauf wurden die Gefangenen mit Tränengas und Schlägen von Hundertschaften der Polizei angegriffen. Die aufständischen Häftlinge ergaben sich schliesslich. Anschliessend begann die Schiesserei. Eine unvorstellbare Safari aus dem Helikopter auf Insassen, die sich in einem letzten Aufbäumen gegen die Unmenschlichkeit gewehrt hatten. Die Ausgrenzung, Entrechtlichung, Entmenschlichung und letztlich Vernichtung der Globalisierung sverlierer erreicht Niveaus, die erschaudern lassen.


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