Geschichte für Mamá Corral

EZLN vom 31.01.2009
Subcomandante Marcos
übersetzt von: Dana

 

Subcomandante Insurgente Marcos

Für Mamá Corral. (Geschichten statt Spritzen)

Januar 2009

An allen, die es angeht:

Die Nachricht traf noch vor dem Morgengrauen ein. Die kalte Nacht wurde noch kälter, und bei Tagesanbruch entdeckten wir so etwas wie eine Leere, als ob uns etwas fehlte, als ob wir etwas sehr Persönliches verloren hatten.

Die Geografie von der aus wir Zapatisten kämpfen, ist sehr umfangreich. Auf den Landkarten trägt sie den Namen "Mexiko", und ihre Winkel zu bereisen ist eine Aufgabe, die noch umfangreicher ist.

Im Kalender der Sexta hatten wir einen ihrer fremdartigsten Winkel erreicht, denn ganz gleich was die Landkarte und der Kilometerzähler sagten, die Geschichte, dieses komplexe Netzwerk aus Kalendern und Geografien von oben, zeigte an, dass wir eines unserer leidvollsten Herzen erreicht hatten: Ciudad Juárez, Chihuahua.

Ciudad Juárez. Die Stadt der jungen Arbeiterinnen, die ungestraft ermordet werden. Ermordet weil sie Frauen sind, weil sie jung sind, weil sie Arbeiterinnen sind. Weil sie sind. Die Stadt der wütenden Würde der Einwohner von Lomas de Poleo, die Angriffen, Fallen, Verleumdungen und Schweigen trotzen.

Die Stadt von Mamá Corral.

Nein, ich werde ihre Geschichte nicht erzählen. Dies zu tun steht jenen zu, die ihr in all dieser Zeit zur Seite gestanden haben und stehen, im Kampf für das Vorzeigen der politisch Verschwundenen.

Wir gingen, um mit ihr zu reden. Es war eine private Zusammenkunft mit ihr und anderen Angehörigen von Verschwundenen. Darum hatte sie ersucht, darum hatten wir ersucht. Es fand im Wohnzimmer ihres Hauses statt. Hier drängten wir uns zu 15 oder 20 Personen zusammen.

Doña Concepción García de Corral war die älteste von allen ... und die stärkste.

Als ob sie die Kalender auf der Suche nach ihrem Sohn, José de Jesús, nicht erschöpft hätten. Als ob das Nichtnachgeben ihr ermöglicht hätte, weiter zu sehen.

Es sprachen die Compas Angehörigen. In mehr oder weniger Worten sagten sie: "Wir wollen die Wahrheit wissen".

Doña Concepción ging noch weiter: "Wenn Gott mir so viele Lebensjahre gegeben hat, dann sicher, weil José de Jesús am Leben ist, und ich ihn finden werde".

Nein, ich kann mich nicht erinnern, ob das ihre genauen Worte waren, aber ich denke, dass es den Sinn trifft.

Dann sprach ich.

Ich sagte nicht viel.

Oder ich sagte alles.

Ich erinnere mich nicht genau, aber ich glaube dass ich ihnen das sagte, was ich gerne hätte, dass jemand meinen eigenen Angehörigen sagen würde, wenn es dafür Ort, Zeit und Möglichkeit gäbe: wir sind nicht weg gegangen, weil wir sie nicht liebten, sondern gerade weil wir sie lieben, auch wenn auf eine andere Art, eine andere Weise.

Man sollte nicht allzu viel darauf geben, aber ich glaube das war es, als ich Doña Concepción García de Corral umarmte und ihr ins Ohr sagte "Mamá Corral".

Dann ging ich wieder.

Immer gehe ich.

Wieder einmal kamen die Geografien und die Kalender überein, um uns davonzutragen und weiter zu ziehen. Aber in ihnen und wegen ihnen, kannten wir sie nun.

Ich glaube einmal haben wir ihr sogar einen Text gewidmet. Der sollte immer noch irgendwo zu finden sein, denke ich.

Vielleicht hat sie ihn gelesen. Vielleicht hat sie gelächelt. Vielleicht hat sie verstanden, was wir ihr sagten: "Wir sind hier, und wir vergessen nicht".

Zufällig war ich gerade dabei, einige Geschichten zu schreiben, weil jemand krank war und wir ihnen irgendein Heilmittel geben mussten, wenn auch nur aus der Ferne.

Und außerdem auch, weil ich einen ganzen Berg von Protestschreiben gekriegt hatte. Einige von vermeintlichen medizinischen Gesellschaften, die mich wegen meiner Erklärungen gegen Spritzen rügten, und andere von erbosten Mamas, weil sie jetzt mit den bereiten Spritzen in der Hand dastehen mussten, während das Opfer sich der Folter verweigerte, und einen angeblichen Paragraphen aus einem angeblichen nationalen Kampfprogramm dagegen anführte, das angeblich die Produktion, den Handel und den Konsum von Spritzen untersagte. Kurzum, sie machen mich für die schlimmsten Epidemien und Seuchen verantwortlich.

Nein, ich lüge, es sind gar keine Protestschreiben angekommen. Aber ich hab da so ein Summen in den Ohren, und wie meine Mutter sagte, bedeutet das, dass irgendjemand schlecht über einen redet. Und so, unter Druck gesetzt von Lupita und Toñita, machte ich mich in meinem Laboratorium an die Arbeit, um ein alternatives Heilmittel zu Spritzen zu produzieren. Dabei kam die erste dieser "Geschichten statt Spritzen" raus.

Während ich die Entscheidung der Kommandantinnen abwartete, ob sie am 8. März eine sportliche und kulturelle Veranstaltung haben würden, erreichte mich die Nachricht, noch vor Morgengrauen, über den Tod von Mamá Corral.

Sie kam in einem Brief, unterzeichnet von dem Komitee der Mütter der Politisch Verschwundenen von Chihuahua, und hörte so auf: "Subcomandante Marcos, bitte erhalten Sie unsere Anerkennung und unseren Beileid. Mamá Corral ist von uns gegangen, aber sie steht weiterhin, stärker den je, Ihnen und uns zur Seite. Wir senden Ihnen eine feste Umarmung und unseren Segen".

Es tat weh. Sehr.

Später las ich diese Zeilen wieder und dachte, ja, sie steht uns zur Seite und auf unsere Seite. Und so, mit den entsprechenden Erlaubnissen, nahm ich an der ersten der "Geschichten statt Spritzen" ein paar Veränderungen und Modifikationen vor, und erzählte sie nun Mamá Corral, Helena, und all den anderen Mamas die Schmerz erdulden, so wie ich es hier nachfolgend erzähle:

1. Heilmittel gegen Herzschmerz.

Die Geschichte vom anderen kleinen Blatt.

Es war einmal ein kleines Blatt, das auf einem Baum lebte, ganz oben auf der Spitze. Das kleine Blatt war sehr zufrieden, denn es hatte viele andere kleine Blätter um sich, und sie sangen alle so schön wenn der Wind sie bewegte. Und weit unten konnte das kleine Blatt das ganze Tal erblicken, bis hin zu den anliegenden Bergen.

Natürlich hatte das auch einige Nachteile, denn, zum Beispiel, da es so viele kleine Blätter auf einem Haufen gab, flog der Tratsch natürlich nur so rum. "Hast du gesehen wie eng so-und-so an diesen anderen klebt", würden sie sagen. Und dann gab es immer Aufregung, weil der Tratsch dann die Runde machte, und irgendwer dann antworten würde, "na, dass musst gerade du sagen, so wie du immer mit so-und-so von da drüben zusammenklebst". Und so hatten die kleinen Blätter immer viel Streit untereinander.

Und wenn es regnete, waren die kleinen Blätter von oben immer die ersten, die nass wurden, und kamen nie dazu diesen Satz zu sagen mit "ach, wie schön es ist wenn es regnet und man nicht nass wird".

Aber das hatte auch seine Vorteile, den wenn die Sonne herauskam, waren die kleinen Blätter ganz oben auch die ersten, die trocken wurden.

So ging es also mit dem kleinen Blatt in dieser Geschichte, in dem Hin und Her von Regen und Sonne, als ein starker Wind aufkam und es von dem Ast fortriss, auf dem es lebte. Und das kleine Blatt fing an zu fliegen, Überschläge zu machen, und auf den Luftzügen auf und nieder zu gleiten. "Stark!" sagte das kleine Blatt, das ein bisschen was von einem Skater hatte.

"JAAAAA!" rief es, als es einen doppelten Salto, ganz nahe am Dach einer Hütte schlagen konnte. Daraufhin trug es ein Windhauch nahe zu einer Wolke, die mit vielen Farben bemalt war, die sagten: "Für die Freiheit und das Vorzeigen der Verschwundenen."

Und auf einer anderen stand: "Das Gute daran, auf den Wolken zu skaten ist, dass die Polizei nicht so hoch rauf kommt.

Und so schwebte das kleine Blatt hin und her.

Aber der Wind ging dann fort und nahm sein Lied mit sich, und das Gesetz der Schwerkraft trat mit voller Wirkung in Kraft, und auch wenn es das nicht wollte, fiel das kleine Blatt bis ganz auf den Boden herab.

"Na toll!", sagte sich das kleine Blatt, "und was soll ich jetzt tun?"

Das kleine Blatt wollte wieder auf die Spitze des Baumes zurückkehren. Dort waren all seine Freunde, auch wenn sie gerne tratschten. Und auch wenn es als erstes im Regen nass wurde, wurde es auch als erstes von der Sonne gewärmt, und es konnte ganz weit sehen. Und falls der Wind es wieder abreißen sollte, konnte es die neuen Pirouetten ausprobieren, die ihm eingefallen waren, und es dachte sogar darüber nach, eine Wolke hinabzuskaten, die mit Buchstaben in vielen Farben und ganz verschiedenen Formen bemalt war, um Freiheit und Gerechtigkeit zu fordern.

Das kleine Blatt versuchte zu laufen, aber da es immer nur in einem Baum an einem Ast gehangen hatte, kam es mit dem Laufen nicht so zurecht.

Da gerade lief eine kleine Ameise vorbei. Das kleine Blatt erkannte sie, weil es eine kleine Ameise war, die einmal auf die Baumspitze gekommen war und hatte vom dem kleinen Blatt sogar einen Bissen genommen.

"Hallo!" sagte das kleine Blatt zur kleinen Ameise.

"Und du, wer bist du denn? Kenn ich dich?" antwortete die kleine Ameise, die zur Abwechslung mal schlecht gelaunt war.

Das kleine Blatt stellte sich vor: "Mein Name ist Kleines Blatt und ich lebe hoch oben auf der Spitze des Baumes, aber ich bin hinuntergefallen und nun möchte ich nach Hause zurückkehren, weiß aber nicht wie. Kannst du mir helfen?"

Die kleine Ameise sah es eine Weile an, dann sah sie zum Baum, dann wieder zum kleinen Blatt. Die kleine Ameise sah es eine ganze Weile nur an.

Schließlich sagte sie: "Nein, da hast Du jetzt aber Pech, weil ich dich nämlich tragen müsste und den gaaaanzen Weg den Baum hinaufklettern müsste, ohne dass mich die Vögel oder der Ameisenbär auffressen. Und selbst wenn wir so weit hinaufkommen sollten, hätten wir immer noch das Problem, wie wir dich wieder an dem Ast festmachen soll, wo du hingehörst".

Das kleine Blatt sah die kleine Ameise eine Weile an, dann sah es zum Baum. Es sah es eine ganze Weile nur an, das heißt, es versuchte die Art der kleinen Ameise nachzuahmen.

Schließlich sagte es: "Das ist kein Problem, wir können nämlich im Schreibwarenladen Kleber kaufen, oder ich kann mich an dem Ast an dem ich gehöre richtig fest festhalten."

Die kleine Ameise hörte dem kleinen Blatt zu und sah es eine Weile an und, nun, wir werden nicht mehr sagen, als dass sie es eine ganze Weile nur ansah, weil die Geschichte sonst richtig lang wird.

Also sagte die kleine Ameise, "Also gut, ich werde dich hinauftragen, aber zuerst muss ich meine Freundin besuchen, um sie um etwas Mais zu bitten, weil es mit ausgegangen ist. Willst du mitkommen, oder möchtest du lieber hier auf mich warten?"

Das kleine Blatt dachte sich, wenn die kleine Ameise erst einmal ihre Freundin findet, werden sie sich sicher erstmal eine ganze Weile nur ansehen, und die Geschichte würde dann zu Ende gehen ohne dass sein Problem gelöst worden wäre, also antwortete es: "Ich komme mit! Dann können wir unterwegs gleich im Schreibwarenladen Kleber kaufen."

Also trug die kleine Ameise das kleine Blatt den Hügel hinauf und hielt auf das Haus ihrer Freundin zu.

Unterwegs konnte das kleine Blatt viele Dinge sehen, die es nicht kannte. oder die es schon kannte, aber bisher nur aus der Höhe von der Spitze des Baumes aus gesehen hatte, wo es lebte.

Irgendwann zogen sie an dem kleinen unzufriedenen Stein vorbei, der eine Wolke sein wollte, und sie dachten sich, dass er ganz schön groß aussah. Während sie dem kleinen unzufriedenen Stein dabei zusahen, wie er seine Übungen machte, um Gewicht zu verlieren, dachte das kleine Blatt, "von oben sieht man die Dinge wirklich ganz anders".

"Oder man sieht sie gar nicht", sagte die kleine Ameise, die nicht nur reizbar war, sondern auch hören konnte, was andere Wesen dachten.

"Stimmt, oder man sieht sie gar nicht", dachte das kleine Blatt.

Sie liefen weiter.

Nun, eigentlich lief die kleine Ameise, denn das kleine Blatt war nur dabei sich die gleiche Welt anzusehen, die es schon von oben gesehen hatte, die aber von oben gesehen, eine ganz andere Welt war.

Und das kleine Blatt kriegte eine Menge zu sehen.

Es sah zum Beispiel den Bösen und das Böse, die gekleidet waren als Regierungsbeamten, als Großunternehmer, als Flugzeuge, die kleine Kinder bombardieren, als Polizisten, die Jugendliche verprügeln und ermorden und soziale Kämpfer verschwinden lassen, als Männer, die Frauen vergewaltigen, als Verfolger anderer Arten zu lieben, als Rassisten, als Radio- und Fernsehansager, als Journalisten, als politische Analysten, als Kommissare des Denkens.

Aber es sah auch einen behelmten Käfer, der eine Pfeife rauchte und an einem winzig kleinen Computer schrieb.

Und es sah Lupita und Toñita mit ein paar Giraffen spielen, die ihnen jemand beim Festival der Würdigen Wut geschenkt hatte. Und es sah den Sup, wie er den kleinen Mädchen erzählte, dass das gar keine echten Giraffen seien, sondern nur ein paar Kühe, die ihre Hälse lang gestreckt hätten, weil jemand sie zu Suppe machen wollte, aber die Kühe hätten sich geweigert und Widerstand geleistet, weil sie rebellische Kühe waren, und ihre Hälse blieben wegen ihres Widerstandes so lang gestreckt, aber es seien keine echten Giraffen. Und es sah Toñita und Lupita, wie sie auf den Sup schimpften und ihm ein Tierbuch zeigten, damit er sah, dass es tatsächlich Giraffen waren, und keine Kühe mit lang gestreckten Hälsen. Und es sah den Sup antworten, dass das gar nicht wahr sei, dass das Buch von den gleichen Leuten geschrieben worden sei, die die Kühe zur Suppe machen wollten, damit nicht bekannt wurde, dass sie ein Verbrechen verübten. Und es sah wie die kleinen Mädchen ein paar Spritzen herausholten, weil sie sagten, dass der Sup krank sei und nur deshalb so viel Blödsinn redete, und dass sie ihn gesund machen würden. Und es sah den Sup davonrennen. Aber es konnte nicht sehen, ob sie ihn einholten oder nicht.

Und es sah die dunkle Seite des Mondes, wenn Schatten, der Krieger, sie in einer Schleuder trägt. Und es sah Elías Contreras, Ermittlungskommission der EZLN, der Blumen zum Grab der Magdalena brachte.

Und es sah den Alten Antonio, der sich eine Zigarette rollte.

Und es sah indigene Männer und Frauen, die nie zur Schule gegangen waren, die einer Forscherin mit Doktortitel in Sozialwissenschaften erklärten, wie die Welt funktionierte.

Und es sah zapatistische Truppen die eine Hütte aufstellten, die Radio Insurgente beherbergt.

Und es sah Moy, der sich mit den Autonomen Landwirtschaftskommissionen über ein Landproblem unterhielt.

Und es sah ein Liebespaar, dass sich gegenseitig berührte, mit völlig nackter Haut, und es sah, dass es keine Rolle spielte, ob das Paar aus Mann und Frau bestand, oder aus Mann und Mann, oder aus Frau und Frau, oder aus Anderen und Anderen.

Und es sah, dass jemand auf eine Wand geschrieben hatte, "Eine Wand ohne Graffiti ist wie eine Eiskremtüte ohne Eis," und es sah, dass die Wand zu einer Fahne geworden war.

Und es sah, dass niemand bereit war sich Polyphem zu stellen.

Und sie sah die Kalender und Geografien aufeinander zulaufen, um sich zu treffen.

All diese Dinge und noch viel mehr sah das kleine Blatt, aber das soll in anderen Geschichten erzählt werden.

Schließlich erreichten sie den Ort wo die Freundin der kleinen Ameise lebte, und wie zu erwarten war, war die Freundin nicht zu Hause, weil sie so lange gebraucht hatten, und sie noch in einer andere Geschichte auftreten musste. Also gingen sie zum Schreibwarenladen, um Kleber zu kaufen.

Das kleine Blatt hatte nach allem, was es gesehen hatte, völlig vergessen, dass es Kleber kaufen wollte. Also sagte es zum Schreibwarenverkäufer, "Ich möchte ein Schreibheft und ein paar lustige Buntstifte."

Der Verkäufer antwortete, "Wie können Buntstifte lustig sein? Buntstifte sind Buntstifte."

Hier entbrannte dann eine lange Diskussion darüber, ob leblose Gegenstände zu Gefühlen fähig seien oder nicht − eine Diskussion, die wir überspringen werden, weil die Geschichte sonst in eine völlig andere Richtung laufen würde.

Wie auch immer, das kleine Blatt bekam am Ende seine Buntstifte, sein Schreibheft und seinen Kleber (weil die kleine Ameise sie daran erinnert hatte, weshalb sie überhaupt zum Schreibwarenladen gegangen waren).

Einige Zeit später erreichten die kleine Ameise und das kleine Blatt den Fuß des Baumes.

Sie hatten schon begonnen hinaufzuklettern, plötzlich − Bumm! Es fühlte sich an wie ein Erdbeben. Alles fing an krachen und auseinander zu brechen.

Als ob ein Puzzle auseinanderfallen und die Teile durcheinander geraten würden.

Das Radio, das Fernsehen und die Zeitungen von oben sagten gar nichts, vielleicht weil sie ebenfalls auseinandergefallen waren, also wusste man nur etwas, weil die alternativen Kommunikationsmedien es veröffentlicht hatten.

Denn wie es sich herausstellte, hatten die Zapatisten und Zapatistinnen den Krieg gegen das Vergessen gewonnen, und die ganze Welt stellte sich nun auf den Kopf und alles lief rückwärts.

Und die Sonne ging nicht im Osten auf, sondern im Westen.

Und das Oben war unten und das Unten war oben.

Und um den Ast zu erreichen, auf dem das kleine Blatt lebte, mussten es jetzt hinabsteigen statt hinaufzuklettern, um zur Baumspitze zu gelangen.

"Ach du Schei..." sagten das kleine Blatt und die kleine Ameise, und fingen an miteinander zu streiten.

Das kleine Blatt machte die kleine Ameise verantwortlich, weil sie so viel Zeit mit dem Sehen vergeudet hatte, und in dieser Zeit hatten die Zapatisten und Zapatistinnen gewonnen und die Welt auf den Kopf gestellt.

"Damit die Welt richtig herum steht", sagten die Zapatisten und Zapatistinnen, und wie üblich, verstand keiner was sie sagten.

Ende.

Alles Gute. Salud und geduldige Wut, Mamá Corral, geduldige Wut.

SupMarcos.

Mexiko, Januar 2009.

 

Quelle: http://enlacezapatista.ezln.org.mx/comision-sexta/1381


 

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