USA gut informiert

Honduras: Christdemokrat gibt Auskunft über die Rolle von Washingtons Botschaft während des Putsches in Tegucigalpa

junge welt vom 04.08.2009
Von André Scheer

 

Honduras’ christdemokratischer Präsidentschaftskandidat Felícito Ávila hat in einem Gespräch mit der den Putschisten ergebenen Tageszeitung El Heraldo betont, daß der US-Botschafter in Tegucigalpa, Hugo Llorens, von den Planungen für den Staatsstreich gewußt hat. Sicherlich habe Llorens auch das State Department in Washington informiert.

Der Insider Ávila, der den Sturz von Manuel Zelaya am 28. Juni erklärtermaßen unterstützte, präsentierte weitere Details über die Verwicklung Washingtons in die Ereignisse. Demnach ging der US-Botschafter davon aus, daß der Sturz des Präsidenten erst am 29. Juni, also nach Abschluß der Volksbefragung über die Aufstellung einer »vierten Urne« bei den für Ende November geplanten allgemeinen Wahlen, erfolgen werde. Weiter habe Llorens vermutet, daß der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), José Miguel Insulza, kurz nach dem Sturz Zelayas nach Tegucigalpa kommen würde, um die Rechtmäßigkeit der Absetzung des Präsidenten zu bestätigen, weil dieser die Verfassung gebrochen habe.

Die von einer breiten Volksbewegung unterstützten Pläne Zelayas, neben den Wahlen eines neuen Präsidenten, der Parlamentsabgeordneten und Bürgermeister auch über die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung abstimmen zu lassen, gelten als der Auslöser für den gewaltsamen Sturz des Präsidenten. Aus Sicht der US-Botschaft in Tegucigalpa hätte die Abstimmung über die »vierte Urne« durchgeführt werden müssen, »um die wirkliche Begründung dafür zu haben, daß die Ablösung rechtmäßig war«, sagte Ávila.

Die Putschisten sind verärgert darüber, daß sich der Präsidentschaftskandidat der Democracia Cristiana in der vergangenen Woche in Managua mit Zelaya getroffen und dabei betont hatte, daß die US-Administration diesen weiterhin als rechtmäßigen Präsidenten von Honduras anerkenne. Der »Übergangspräsident« der Putschisten, Roberto Micheletti, hatte dies Washington gegenüber als »Einmischung in die inneren Angelegenheiten« seines Landes kritisiert.

Zelaya selbst wird am heutigen Dienstag in Mexiko erwartet, wo er mit Präsident Felipe Calderón zusammenkommen will. Zuvor hatte Zelaya in einem Interview mit dem lateinamerikanischen Nachrichtensender TeleSur betont, er verfüge über Beweise für die Verwicklung der venezolanischen und US-amerikanischen Rechten in den Staatsstreich. Namentlich nannte er unter anderem den früheren Vizeaußenminister von George W. Bush, Otto Reich, der sich für den Putsch ausgesprochen hätte.

Die Widerstandsbewegung in Honduras ruft unterdessen ab Mittwoch zu »Nationalen Widerstandsmärschen« nach Tegucigalpa und San Pedro Sula auf. Die Teilnehmer dieser Demonstrationen in die beiden größten Städte des Landes sollen täglich zwischen 15 und 20 Kilometer marschieren und dabei Kundgebungen und andere Aktionen gegen die Putschisten durchführen. Die Strecken sind bis zu 115 Kilometer lang, erläuterte der in der Nationalen Widerstandsfront aktive katholische Priester Andrés Tamayo.

Unterdessen ist offenbar ein weiterer Lehrer Opfer der Repression durch die Putschisten geworden. Beim Heimweg von der Trauerfeier für seinen am vergangenen Donnerstag durch Kugeln der Polizei tödlich verwundeten Kollegen Róger Vallejo wurde Martín Florencio Rivera Barrientos von unbekannten Tätern mit 25 Messerstichen regelrecht hingerichtet worden. Milton Bardales von der honduranischen Lehrergewerkschaft geht deshalb von einer gezielten Kampagne gegen die streikenden Professoren und Lehrer aus, die zu den am besten organisierten Kräften der Widerstandsbewegung gegen die Putschisten gehören und die Schulen und Hochschulen des Landes seit Wochen nahezu lahmgelegt haben.

 

Quelle: http://www.jungewelt.de/2009/08-04/016.php


 

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