Mexikanische Regierung autorisierte Unterstützung von Paramilitärs in Chiapas

US Nachrichtendienst bestätigt Beteiligung der Armee

La Jornada vom 22.08.2009
David Brooks
übersetzt von: Dana

 

Bewaffnete Gruppen zur Zeit des Acteal Massakers unterstanden Aufsicht des militärischen Geheimdienstes

New York, 20. August. Der Verteidigungsnachrichtendienst der Vereinigten Staaten (Defense Intelligence Agency − DIA) informierte über die "direkte Unterstützung" der Mexikanischen Armee für Paramilitärs in Chiapas, die seit Mitte 1994 unter Autorisierung des damaligen Präsidenten Carlos Salinas, im Teil der Aufstandsbekämpfungsstrategie gegen die zapatistischen Unterstützungsbasen geleistet wurde. Nach Angaben der DIA unterstanden die paramilitärischen Gruppen an den Tagen des Acteal Massakers der Aufsicht des mexikanischen Militärnachrichtendienstes, als Ernesto Zedillo bereits Oberhaupt der Mexikanischen Armee war. Diese Information ist kürzlich deklassifizierten offiziellen US Dokumenten zu entnehmen, die heute vom National Security Archive veröffentlicht worden sind.

Ein Telegramm des U.S.-Büros des Verteidigungsattachés in Mexiko an das DIA Hauptquartier in Washington, vom 4. Mai 1999, berichtete, dass "Mitte 1994 wurde die Mexikanische Armee vom Präsidenten autorisiert militärische Teams einzusetzen, die in den Konfliktzonen von Chiapas bewaffnete Gruppen fördern sollen. Damit sollten lokale indigene Gruppen unterstützt werden, die gegen die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) vorgingen. Zusätzlich waren zur Zeit des Massakers von Acteal in 1997, Offiziere des militärischen Geheimdienstes mit der Aufsicht der bewaffneten Gruppen im Hochland von Chiapas betraut.

Bei der Beschreibung der "direkten Unterstützung" der Mexikanischen Armee für bewaffnete indigene Gruppen in der Zone von Chiapas nahe Acteal, informiert das Telegramm über ein geheimes Netzwerk von "Human Intelligence Teams (Geheimdienstagenten), die von der Armee Mitte 1994 mit der Autorisierung des damaligen Präsidenten, Carlos Salinas de Gortari, eingerichtet wurden. Diese Teams hatten die Aufgabe indigene Gemeinden zu infiltrieren, um Informationen über zapatistische "Sympathisanten" zu sammeln.

Diese Teams waren es, so heißt es weiter, die bewaffene anti-zapatistische Gruppen − das heißt Paramilitärs − förderten, indem sie ihnen sowohl Ausbildung zukommen ließen, als auch Schutz vor Verhaftungen durch Polizei und militärische Einheiten in der Region. Das Telegramm informiert darüber, dass diese Aktivitäten schon bereits seit Dezember 1997 im Gange waren, als das Massaker von Acteal stattfand.

"Das Wichtigste an den DIA Dokumenten ist es, dass sie dem offiziellen Bericht über das Massaker, wie es von der Regierung des damaligen Präsidenten Ernesto Zedillo dargestellt wurde, direkt widerlegen", bestätigt Kate Doyle, Leiterin des Mexiko Projektes des National Security Archive, in ihrer Präsentation der Dokumente, die von dieser Organisation unter dem Informationsfreiheitsgesetz erhältlich gemacht werden konnten und auf ihre Webseite veröffentlicht sind. Wie Doyle erklärt, beteuerte der Bericht des damaligen mexikanischen Generalstaatsanwalts Jorge Madrazo von 1998, dass die PGR die Existenz bewaffneter Gruppen von Zivilisten in Chenalhó dokumentiert hätte, "die weder von der Mexikanischen Armee noch von irgendeiner anderen Regierungsstelle organisiert, gegründet, ausgebildet oder finanziert worden sind, deren Leitung und Organisation jedoch einer internen Logik folgen, die von der Konfrontation mit zapatistischen Unterstützungsbasen zwischen und innerhalb der Gemeinden bestimmt wird".

Das DIA Telegramm eröffnet ebenfalls zuvor unbekannte Details über die Arbeitsweise der "Human Intelligence Teams", der Mexikanischen Armee, die diese Unterstützung leisteten. Nach Angaben des Telegramms bestanden diese Teams "hauptsächlich aus jungen Offizieren im Rang eines zweiten oder ersten Hauptmanns, sowie aus einigen ausgesuchten Feldwebeln, die die Dialekte der Region beherrschten".

Der Bericht an das DIA Hauptquartier gibt weiter an, dass die Human Intelligence Teams "aus drei bis vier Personen zusammengesetzt waren, die bestimmten Gemeinden zugeordnet wurden, um sie für einen Zeitraum von drei bis vier Monaten zu bespitzeln. Nach Ablauf von drei Monaten wurden die Offiziere der Teams nach anderen Gemeinden in Chiapas versetzt. Grund für die Versetzungen nach drei Monaten war die Sorge um die Sicherheit der Teams".

Laut Doyle ist aus diesen Dokumenten zu erschließen, dass die Logik des Verteidigungsministeriums (SEDENA) eine "sorgfältig geplante Aufstandsbekämpfungsstrategie darstellte, die zivile Aktionsprogramme − vom Verteidigungsministerium häufig in Presseerklärungen angekündigt, − mit Geheimdienstoperationen kombiniert, die dazu dienen die Paramilitärs zu stärken, und Konflikte gegen EZLN Unterstützer zu provozieren".

Doyle kritisierte den mangelhaften Zugang und fehlende Zuwendung seitens der mexikanischen Regierung hinsichtlich der gesamten Dokumente über Acteal. "Bis die gegenwärtige Regierung beschließt ihrer Pflicht nachzukommen, die Bürger ihres Landes über die Wahrheit des Massakers von 1997 zu informieren, werden sich die Forderungen der Bevölkerung nach Fakten in den unbearbeiteten Archiven verlieren. Und uns wird nichts anderes übrig bleiben, als uns auf der Suche nach Informationen über die Mexikanische Armee und Acteal zu an die Vereinigten Staaten zu wenden".

Truppenentfaltung

Das zweite deklassifizierte Dokument, das von dem National Security Archiv veröffentlicht wurde, informiert über die Entsendung von 5000 Truppen durch die Zedillo-Regierung, um die 30.000 Soldaten zu verstärken, die bereits permanent in der Chiapas stationiert waren, unmittelbar nach dem Massaker an 45 Tzotzil Indigenas in Acteal, am 22. Dezember 1997.

Unter Zitierung von "öffentlichen als auch vertraulichen Quellen, unterrichtet das Telegramm des U.S.-Büros des Verteidigungsattachés in Mexiko vom 31. Dezember 1997 die DIA darüber, dass weitere 2000 Truppen in die Zone von Chenalhó entsendet wurden, um in der Region für "Gesetz und Ordnung" zu sorgen, sowie "soziale Aufgaben" in den indigenen Gemeinden zu leisten, insbesondere in den Gemeinden, die von der MIRA vertrieben worden waren. Der Bericht gibt an, dass Angehörige dieser paramilitärischen Gruppierung die Zone "durch Drohungen und Gewaltanwendung in der Region von Chenalhó" beherrschten. Gleichzeitig wird berichtet, dass andere Einheiten "in Bereitschaft versetzt wurden, um im Fall eines Aufstandes zu assistieren".

Unter den "öffentlichen Quellen", die das Dokument zitiert, einschließlich einiger Presseberichte, wird die La Jornada hervorgehoben, die als "seriöse, linksgerichtete Tageszeitung mit guter Berichterstattung" bezeichnet wird.

 

Quelle: https://www.jornada.com.mx/2009/08/21/index.php?section=politica&article=003n1pol


 

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