Südmexiko-Soli-Newsletter September 09

Direkte Solidarität Chiapas vom 03.09.2009

 

Von der unperfekten Justiz zur perfekten Straflosigkeit
Chiapas: Attentäter des Massakers von Acteal vom Obersten Gericht freigelassen

20 Täter des Massakers von Acteal (22.12.97) wurden vom höchsten Gerichtshof Mexikos vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen. Sie waren zu langjährigen Haftstrafen verurteilt gewesen. Die Entlassung geschah angeblich aufgrund von Verfahrensfehlern in ihrem Prozess. »Mit dieser Begründung können ziemlich alle Gefangenen Mexikos freikommen«, meinen Kommentaristen. Sie bezeichnen den Entscheid des höchsten Gerichtes treffend als Schritt von der »unperfekten Justiz hin zur perfekten Straflosigkeit«. Die Drahtzieher und politischen Verantwortlichen des Massakers, bei dem 45 Indigene brutal ermordet worden waren, wurden nie zur Rechenschaft gezogen.

Angehörige und Überlebende des Massakers sind entsetzt. Die Gemeinden stehen unter Schock. Viele überlegen sich ein erneutes Exil aus Angst vor der angedrohten Rache durch die Täterkreise. Und das Menschenrechtszentrum Frayba, welches die Opfer in all den Jahren begleitete, erhält neue, massive Drohungen...

Hinter dem vermeintlich rechtsstaatlichen Verfahren zur Freilassung der Attentäter stehen evangelikale Kreise aus dem Umfeld der Täter. Die juristische Verteidigung übernahm ein neoliberales Forschungsinstitut namens CIDE. Dem Direktor des CIDE ist der Fall nun plötzlich nicht mehr geheuer. Er schliesst im Interview nicht aus, dass evangelikale Kreise im Präsidentschaftswahlkampf dem Kandidaten Calderón Stimmen versprachen, wenn er die Freilassung der Attentäter (via CIDE) vorantreibe.

Ausserdem wurden in diesen Tagen deklassifizierte Geheimdienst-Dokumente in den USA öffentlich. Diese beweisen, dass die mexikanische Bundesarmee die paramilitärischen Gruppen in Chiapas förderte und beschützte:

Mexikanische Regierung autorisierte Unterstützung von Paramilitärs in Chiapas
https://www.chiapas.eu/news.php?id=4752

El fallo de la Corte sobre Acteal no descarta crimen de Estado: CIDE
https://www.jornada.com.mx/2009/08/29/index.php?section=politica&article=003n1pol

Chiapas: Widerstand gegen die Schnellstrasse Sán Cristóbal-Palenque wird mit delinquenten Gruppierungen bekämpft

Verschiedene Gemeinden, die entweder den Zapatisten oder der anderen Kampagne angehören, haben eine breite Front des Widerstands gegen die Schnellstrasse gebildet. Sie sind nicht bereit, ihr Land und damit ihre Lebensgrundlage dem Tourismus zu opfern. Sie werden von regierungstreuen oder evangelikalen Gruppen bekämpft, die für ihre gewaltätigen und illegalen Aktivitäten bekannt sind. Vor zwei Monaten überfuhr am Kilometer null in Mitzitón eine Gruppe evangelikanischer Strassenbau-Befürworter mit dem Geländewagen die Protestierenden in der Strassenblockade. Dabei wurde Aurelio Días Hernández getötet (Siehe Artikel: Evangelisten der ?Armee Gottes? töten im Namen des Fortschritts). Die Autoritäten der Gemeinde melden neue Drohungen und warnen vor weiteren Gewalttaten.

Auch an anderen Orten in Chiapas kommt es zu immer wieder zu Zusammenstössen. So gab es am 1. September bei Santo Tomas, Bezirk Ocosingo, eine Konfrontation zwischen Zapatistas und ehemaligen UnterstützerInnen der EZLN, die heute in der Bauernorganisation ARIC-UU organisiert sind. Ein Anhänger der ARIC wurde dabei getötet, beide Seiten beklagten Verletzte und nahmen Gefangene. Der Streit um ein Landstück, das beide Seiten früher gemeinsam besetzten, soll nun per Verhandlungen beigelegt werden, die Regierung von Chiapas verspricht, die Familie des Getöteten zu entschädigen.

Un muerto en riña ARIC-UU vs. zapatistas
https://www.jornada.com.mx/2009/09/02/index.php?section=politica&article=018n1pol

Oaxaca und Guerrero: LehrerInnen mobilisieren gegen Repression

In Oaxaca wurde ein Lehrer ermordet und zahlreiche weitere wurden verletzt, als sie versuchten, eine Schule einzunehmen, die sich in den Händen der Streikbrecherorganisation Sektion 59 befindet. Die paramilitärisch organisierte, PRI-nahe Sektion 59 antwortete mit Schnellfeuerwaffen. Der Vorfall geschah in San Pedro Jicayán. In derselben Gemeinde an der Küste wurde im April die 33-jährige PRD-Aktivistin Beatriz López Leyva durch eine Gewehrsalve ermordet. Sie hatte gegen die Korruption des PRI-Bürgermeisters mobil gemacht. Die PRD protestierte zwar leise gegen die brutale Ermordung der jungen Mutter und Statthalterin der ?legitimen Regierung? von Andrés Manuel López Obrador, aber es geschah nichts weiter.

Nun, am 28. August, mobilisierte die Sektion 22 gleichentags nach der Ermordung des Lehrers ihre Mitglieder. Sie blockierte die vier wichtigsten Kreuzungen in Oaxaca Stadt, womit diese völlig lahmgelegt war. Diese Woche findet kein Schulunterricht statt, sondern Mobilisierungen im ganzen Bundesstaat und in der Hauptstadt. Damit soll eine Bestrafung der Täter mit dem Druck von der Strasse erreicht werden.

Auch in Guerrero sind die LehrerInnen ein Sektor in Bewegung. Sie halten seit dem 1. September die acht Einrichtungen des Erziehungsministeriums besetzt und fordern u. a. ein Ende der neoliberalen Reformen im Schulwesen. Dies geschieht in einem äusserst schwierigen Umfeld, immer wieder werden Übergriffe des Miilitärs laut. Am 20. August fand ein politischer Mord statt, der das Ausmass der Gewalt in Guerrero erneut deutlich macht: Armando Chavarría Barrera, der Parlamentsvorsitzende und aussichtsreichster Kandidat der PRD für die Gouverneurswahlen von 2010, wurde vor seinem Haus durch eine Gewehrsalve getötet. Der 20. getötete PRD-Militante in diesem Jahr in Guerrero war ein Gegenspieler des Gouverneurs Torreblanca, ebenfalls PRD-zugehörig. Dieser entzog ihm nach einem neuen Disput vor einigen Wochen den polizeilichen Personenschutz...

Reportage Guerrero: Kontrollieren, schikanieren, einschüchtern
http://jungle-world.com/artikel/2009/33/37380.html

Mexikos Wirtschaft im Keller

Mexiko steht vor dem größten ökonomischen Niedergang seit der Weltwirtschaftskrise vor 77 Jahren:
http://www.neues-deutschland.de/artikel/154256.mexikos-wirtschaft-im-keller.html

Veranstaltung und Ausstellung »Blicke auf Chiapas«

Informationsveranstaltung «Chiapas im Visier von Politik und Kapital» mit Luz Kerkeling (Gruppe B.A.S.T.A. und Ciepac) am Montag, 28. September 2009, 20.00 Uhr
Ausstellung mit Holzschnitten von Eva Gallizi zur Menschenrechtsarbeit in Chiapas von 28. September bis 3. Oktober.
Ort: Kulturhaus Helferei, Kirchgasse 13, 8001 Zürich.
Organisation: Peace Watch Switzerland
Flyer (pdf): http://www.peacewatch.ch/download/Chiapas/Flyer_Chiapas_September09.pdf

Film-Empfehlung: Entre Muros e Favelas

In Anwesenheit des Regisseurs Márcio Jerônimo und in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Unterstützungskomitee «Menschenrechte in Favelas» zeigt das Kino Xenix den sehenswerten Film Entre Muros e Favelas,.10. September, 19.15 Uhr. Details:
http://xenix.ch/1_programm/filmdetail.php?movieID=2079

Honduras: Putschisten weiter an der Macht, Widerstand weiter auf der Strasse

Langsam aber sicher können sie aufatmen: Die von ihrem antikommunistischen Kreuzzug überzeugten Putschisten in Honduras (»Wir retten die USA vor einer Diktatur verkleidet als Demokratie«) retten sich in einen Wahlkampf, dessen Resultat allerdings international nicht anerkannt werden soll - bisher. Dafür meldete die Putschregierung, sie habe vom Internationalen Währungsfonds 150 Millionen Dollar gegen die »Krise« erhalten. Die Regierung Obama scheute sich nicht, weiter Millionen über USAID an Honduras fliessen zu lassen. Erst heute, 3. September, nennt das US-Aussenministerium den Putsch einen Putsch (»coup d’etat«), bleibt aber in seiner Haltung ambivalent.
Unterdessen geht der Widerstand der Volksorganisationen und immer mehr auch der Mittelklasse mit täglichen kreativen Protesten weiter. Zelaya und Wahlen hin oder her, diese Bewegung gegen Oligarchie und Militär wird den Mächtigen wohl noch länger Kopfschmerzen bereiten.

Dazu drei ausgewählte Artikel:

Aufruhr gegen den Putsch (WoZ)
http://zas-correos.blogspot.com/2009/08/aufruhr-gegen-den-putsch.html

Obamas doppeltes Spiel geht in die zweite Runde
http://www.amerika21.de/nachrichten/inhalt/2009/sep/Honduras-787398-Obamas-Doppeltes-Spiel/

IMF: stop funding Honduras
http://www.guardian.co.uk/commentisfree/cifamerica/2009/sep/03/imf-honduras-aid-zelaya


Quelle:
Direkte Solidarität mit Chiapas/Café RebelDía:
Quellenstrasse 25, 8005 Zürich

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Quelle: https://chiapas.ch/


 

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