Onda-Info 219 erschienen (u.a. zu Genmais in Mexiko und Dtl.)

ONDA vom 11.10.2009

 

Neben anderen wichtigen und interessanten Beiträgen ein solcher zu Gen-Mais in Mexiko (und Deutschland), etwa ab Sendeminute 17:30. In diesem Zusammenhang der Hinweis auf einen nach wie vor aktuellen Text (siehe anbei), der es bislang nicht über die Chiapas98-Liste und nicht auf die Chiapas98-Homepage geschafft hatte und im November 2005 im Infoblatt 67 des Ökumenischen Büros München erschien
http://www.oeku-buero.de/info-blatt-67/articles/die-mexikanische-genmais-kontroverse.html


Liebe Hörer_innen,

im mittlerweile herbstlichen Berlin haben wir für euch wieder ein äußerst interessantes onda-info 219 gezaubert: In Honduras überschlugen sich in den letzten Tagen die Ereignisse: Der vom Militär geputschte Präsident Zelaya kehrte nach Honduras zurück und bekam in der brasilianischen Botschaft Asyl. In der Folge haben sowohl die Pro-Zelaya-Demonstrationen als auch die Repressionen der De-Fakto-Regierung bzw. des Militärs zugenommen... ++ In Argentinien ist nicht nur die sozialkritische weltberühmte Sängerin Mercedes Sosa gestorben. Es zeichnet sich dort auch die Ratifizierung eines dringend notwendigen neuen Mediengesetzes ab. Während dies von unabhängigen Medien begrüßt wird, laufen die privaten Medienkonzerne Amok − nachvollziehbar, soll es doch Monopolisierung verhindern. Wir haben uns ein wenig mit den Hintergründen beschäftigt und halten euch selbstverständlich auch weiter auf dem Laufenden. ++ Schließlich kommen wir doch noch zum Thema Ressourcen: Diese Mal geht es darum, was der Anbau gentechnisch veränderten Saatguts im mexikanischen Oaxaca mit der Landwirtschaft in Deutschland zu tun hat und wie mensch gemeinsam etwas bewirken kann ++ Die Musik kommt diesmal aus Argentinien vom Elektro-Duo Pulsar_AM, völlig lizenzfrei anzuhören und herunterzuladen auf: http://www.dorogrecords.com/

++ Ach, und allen, die bis hierher gelesen haben, sei auch noch verraten, dass ganz frisch − der Beitrag "Costa Rica: Volksinitiative bringt Wassergesetz ins Parlament", aus der Reihe »Knappe Ressourcen? Gemeinsame Verantwortung!« im Netz steht.

Nicht vergessen! Am 17.10. machen wir wieder live-Radio


Die mexikanische Genmais-Kontroverse
Geschäftsinteressen gegen Menschenrechte

(Peter Clausing) Auf der diesjährigen Mexiko-Tagung in Bad Boll, die vom 14. bis 16. Oktober zum Thema "Genmais und Wasserprivatisierung — eine Bedrohung für die Menschenrechte" stattfand, kam es zu Streitgesprächen zwischen einem Tagungsteilnehmer und den zu diesem Thema eingeladenen mexikanischen Gästen Aldo González Rojas (von UNOSJO − Unión de Organizaciones de la Sierra Juárez de Oaxaca) und Ana de Ita (von CECCAM − Centro de Estudios para el Cambio en el Campo Mexicano). Dieser Disput spiegelt die internationale Kontroverse zu diesem Thema wider, die mit einer unlängst veröffentlichten, fragwürdigen Studie erneut aufflammte.

Gentechnisch veränderter (Gen-) Mais wird in den USA seit 1996 kommerziell angebaut. Sein Anteil belief sich im Jahr 2000 auf 25 Prozent und im Jahr 2003 auf 40 Prozent der Maisanbaufläche der USA. Mexiko importierte in letzter Zeit jährlich 5-7 Millionen Tonnen Mais von seinem nördlichen Nachbarn. Die Importe unterliegen keiner Kennzeichnungspflicht, so dass der Anteil von Genmais am Gesamtimport weder überprüft wird, noch bekannt ist. Zwar erließ die mexikanische Regierung im Jahr 1998 ein Verbot für Anbau und Feldversuche mit Genmais, unternahm aber keine weiteren Anstrengungen, um die bodenständigen Maissorten im Ursprungsland dieser Nutzpflanze vor Genmais zu schützen, etwa durch Auflagen für den importierten Mais aus den USA.

Im Herbst 2000 sammelten Ignacio Chapela und David Quist, Wissenschaftler der Universität Berkeley (Kalifornien), Proben lokaler (Criollo) Maissorten auf vier Feldern im Municipio Ixtlán, Oaxaca. Darüber hinaus wurde eine Sammelprobe aus den lokalen Vertriebsstellen der mexikanischen Regierungsagentur Disconsa gezogen. Wie sich bei der Laboranalyse herausstellte, fanden sich in sämtlichen Proben Verunreinigungen durch Genmais. Dies war der wissenschaftliche Beleg dafür, dass manipulierte Gene "auf Wanderschaft" gehen können — ein Tatbestand, der von der Gentechnik-Industrie stets in Abrede gestellt wurde. Als die beiden Wissenschaftler ihre Ergebnisse im November 2001 publizierten, wurden sie von Gentechnik-Protagonisten heftig angegriffen und die Zeitschrift Nature, in der ihre Arbeit veröffentlicht worden war, griff unter dem Druck der Gentech-Lobby zu dem absolut ungewöhnlichen Mittel, die Publikation des bereits erschienen Artikels zu widerrufen. Der Tatbestand der genetischen Verunreinigung fand jedoch seine Bestätigung durch die Ergebnisse von drei weiteren Untersuchungen. Zwei von ihnen waren von staatlichen mexikanischen Institutionen durchgeführt worden, dem Nationalen Ökologischen Institut und von der Interministeriellen Kommission für Biologische Sicherheit. Der Skandal dieser Untersuchungen bestand darin, dass die Kontamination der mexikanischen Regierung monatelang bekannt war und erst zugegeben wurde, als die Veröffentlichung von Chapela und Quist unmittelbar bevor stand.

Jorge Soberón vertrat Mexiko als Leiter der Nationalen Kommission für Biologische Vielfalt (CONABIO) auf einer UNO-Konferenz im April 2002 in Den Haag und berichtete dort, dass laut einer neuen Regierungsstudie "massive Kontamination bei in der Nähe von Straßen angebauten bodenständigen Maissorten" gefunden wurde. "Das ist der weltweit schlimmste Fall von Verunreinigung mit genetisch verändertem Material, denn er geschah im Zentrum des Ursprungs einer wichtigen Kulturpflanze. Das wurde bestätigt. Es gibt darüber keinen Zweifel", sagte Soberón am Rande dieser Konferenz dem Daily Telegraph (britische Tageszeitung; A. d. K.). Die Bemühungen der mexikanischen Regierung zu ermitteln, auf wessen Gentechnologie die Verunreinigung zurückzuführen war, wurde von den Gentechnik-Firmen blockiert, indem sie sich weigerten, die dafür notwendigen vertraulichen Informationen zur Verfügung zu stellen. Im Jahr 2003 führte das aus Bauern, indigenen Gemeinden und zivilgesellschaftlichen Organisationen bestehende Netzwerk "Zur Verteidigung des Mais" mit kommerziell verfügbarer Analysentechnik in neun Bundesstaaten 1) eine Untersuchung von insgesamt 5000 Mais- pflanzen aus 134 Gemeinden durch. In allen neun Bundesstaaten wurde — in unterschiedlichem Maß — genetische Kontamination festgestellt. All dies sind wichtige Fakten für die Bewertung der Ereignisse.

Am 8. August 2005 erfolgte die Vorabveröffentlichung einer Arbeit in den Proceedings der Nationalen Akademie der Wissenschaften PNAS (wissenschaftliche Zeitschrift; A.d.K.) der USA 2), in der berichtet wurde, dass 2003 und 2004 genetische Kontamination in lokalen Maissorten von Oaxaca nicht nachgewiesen werden konnte. Es wird zwar eingeräumt, dass der Befund fehlender genetischer Verunreinigung in den Proben dieser Studie, die allesamt von Feldern eines ca. 40 km langen und 10 km breiten Streifens stammten, nicht auf andere Regionen Mexikos übertragen werden dürfe. Aber genau das geschah unmittelbar im Anschluss an diese Veröffentlichung. Scharenweise — von den USA über Südafrika bis Europa — berichteten die Medien, dass die gentechnische Verunreinigung in Mexiko verschwunden sei. Die Tatsache, dass die für die PNAS-Publikation zuständige Herausgeberin, B.A. Schaal, zugleich Leiterin eines von Monsanto finanzierten Labors ist, legt die Vermutung nahe, dass die mediale Vermarktung ein kalkulierter Effekt war. Dem „Falken« der Biotechnologie-Lobby, C.S. Prakash, war der ohnehin irreführende Titel „Worst GM Pollution Incident Vanishes« (Schlimmster Fall genetischer Verunreinigung ist verschwunden) im Londoner Telegraph vom 9. August 2005 viel zu zahm, und er verstieg sich zu der Forderung, die Meldung hätte mit „The GM Incident that Never Was« (Der Fall genetischer Verunreinigung, den es nie gab) titeln sollen. Ein Vertreter des mexikanischen Agrobusiness frohlockte: „Diese Studie bahnt den Weg für den kommerziellen Anbau von Genmais in Mexiko.« 3) Und in der FAZ vom 12. August 2005 suggerierte Barbara Hobom mit dem Titel „Biologisch sauberes Kulturgut«, dass Mexiko nun frei von genetischer Verunreinigung sei. Zugleich wurden die 18 Dörfer aus dem 10x40 km Streifen der Probennahme von ihr zu „18 Regionen« hochstilisiert.

Die meisten dieser 18 dörflichen Gemeinden lagen nach Auskunft von Baldemar Mendoza, Vertreter der indigenen Bauernorganisation UNOSJO im Wald. Die Gemeinden in Waldlage seien nicht sonderlich repräsentativ, denn dort spiele der Maisanbau nur eine untergeordnete Rolle. Insofern seien die Ergebnisse der PNAS-Studie für ihn nicht überraschend gewesen, denn UNOSJO hatte selbst Proben in drei der 18 Gemeinden gesammelt und analysiert und diese waren ebenfalls negativ. Unabhängig von der ungeklärten Frage, ob die gentechnische Verunreinigung auch an anderen Stellen Oaxacas und in anderen Bundesstaaten Mexikos verschwunden ist (siehe oben), lässt sich folgendes feststellen.

1. Die Autoren der PNAS-Veröffentlichung betonten, dass weltweit die Verbreitung und Vielfalt gentechnisch veränderter Maissorten zunehmen wird. Deshalb und aufgrund der Tatenlosigkeit der mexikanischen Politik in Bezug auf den Schutz der heimischen Sorten, gibt es leider keinen Grund anzunehmen, dass der Druck des Genmais auf die bodenständigen Sorten nachlassen wird.

2. Für die Indígenas von Mexiko ist Mais viel mehr als nur eine landwirtschaftliche Nutzpflanze. Wie von Aldo Gonzales in Bad Boll eindrucksvoll beschrieben, ist für den indigenen Teil der Bevölkerung Mais ein zentraler Bestandteil ihrer Kultur und Religion. „Wir sind aus Mais gemacht«, sagte er. Insofern bedeutet für diese Menschen, die in den Sierras von Mexiko den Mais seit Tausenden von Jahren kultivieren und bis heute die Hüter seiner Sortenvielfalt sind, eine gentechnische Verunreinigung zugleich eine Missachtung ihrer kulturellen Rechte, wie sie in der von Mexiko 1990 ratifizierten ILO-Konvention 169 festgeschrieben sind.

3. Im Februar diesen Jahres wurde das Genmais-Moratorium in Mexiko de facto gekippt, weil das zu diesem Zeitpunkt verabschiedete mexikanische „Gesetz zur Biosicherheit« eine Sicherheit suggeriert, die nicht existiert. Die mediale Ausschlachtung der PNAS-Veröffentlichung verleiht dem Ganzen einen Anstrich von Wissenschaftlichkeit und ist für die Gentechnik-Konzerne von strategischer Bedeutung. Nach Ansicht zahlreicher Nichtregierungsorganisationen haben Biotechnologie-Konzerne dieses Gesetz der mexikanischen Regierung in die Feder diktiert, weshalb es den Spitznamen „Monsanto-Gesetz« trägt. Das Vorpreschen der mexikanischen Regierung wird auch Auswirkungen für die Länder Mittelamerikas haben, die nun unter dem Zugzwang stehen, dieses Pseudo-Biosicherheitsgesetz mehr oder weniger zu übernehmen.

4. Die Genmais-Kontroverse in Mexiko hat weitreichende Bedeutung, bis hin nach Europa. Das wird durch folgende Episode illustriert. Angesichts der festgestellten gentechnischen Verunreinigungen war die Umweltkommission des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA) angerufen worden und erhielt den Auftrag, die Situation aus ihrer Sicht zu beurteilen. Im Juni 2004 legte die Kommission ihren Bericht 4) vor, dessen Veröffentlichung die US-Regierung jedoch monatelang verhinderte. Im Oktober 2004 wurde der Skandal schließlich von Greenpeace Kanada aufgedeckt. In Anerkennung der vom Genmais ausgehenden Umweltrisiken forderte der Bericht, dass Mais künftig nur noch in gemahlenem Zustand nach Mexiko exportiert werden solle. Zu dieser Zeit lief aber bei der Welthandelsorganisation (WTO) ein Verfahren, das die USA und Kanada angestrengt hatten, um die Europäische Union dazu zu zwingen, den Anbau von gentechnisch verändertem Mais zuzulassen (was in der Zwischenzeit erreicht wurde). Die Veröffentlichung des NAFTA-Berichts hätte die Position der USA und Kanadas bei den WTO-Verhandlungen gegen die EU geschwächt. Doch ebenso, wie Gentechnik-Kritik und -Widerstand in Mexiko der EU geholfen hätte und zum Teil geholfen hat, so kommt der Widerstand gegen Genmais in der BRD bzw. in Europa den indigenen und Basisorganisationen in Mexiko zugute. Das war die eindeutige Aussage von Ana de Ita von CECCAM auf der Konferenz in Bad Boll.

Alles in allem war die Mexiko-Tagung in Bad Boll eine lebendige Illustration für die Wichtigkeit der Globalisierung des Widerstandes.

1) In Chihuahua, Durango, Estado de México, Morelos, Oaxaca, Puebla, San Luis Potosí, Tlaxcala und Veracruz wurde genetische Kontamination gefunden.

2) Ortiz-García, S. u. a.: Absence of detectable transgenes in local landraces of maize in Oaxaca, Mexico (2003 - 2004). Proc. Natl. Acad. Sci. 102 (2005), S. 12338 - 12343.

3) zit. von E. Velasco in La Jornada vom 10.08.05.
https://www.jornada.com.mx/2005/08/10/047n1soc.php

4) http://www.cec.org/files/PDF//Maize-and-Biodiversity_en.pdf
Erschienen in: Info-Blatt 67 des Ökumenischen Büros München, November 2005

 

Quelle: http://www.npla.de/onda


 

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