Aufstand der Sprache

Ironie und ihre Spiegelung im zapatistischen Diskurs

News vom 21.02.2010
Martin Bors

 

Aufstand der Sprache»Wie die Ironie des Subcomandante Marcos das subversive und paradoxe Wesen des Unbewussten und das kritische Bewusstsein in sich vereint, diverse diskursive Funktionen übernimmt, die Sinnbestimmung von Rebellion nachvollzieht, und von weiteren erstaunlichen und aufregenden Hervorbringungen«

Diplomarbeit von Martin Bors zur Erlangung des Magister der Philosophie, Uni Wien 2008

Kurzzusammenfassung

Indem sich die Zapatisten hinter Masken verstecken, um erst gesehen zu werden, demaskieren sie die Gesichter der Macht, halten sie der Gesellschaft den Spiegel vor. Maske und Spiegel sind zentrale Diskursrepertoires des Zapatismus, an denen nicht zufällig auch die Ironie wesentlich Anleihen nimmt. So entlarvt der Subcomandante über die ironische Verstellung die verschiedenen Seiten einer Wirklichkeit, die sich auch anders denken lässt...

Die vorliegende Arbeit zielt grundsätzlich auf eine Aufwertung der Ironie und im Besonderen auf die Erörterung von Bedeutung, Funktion, Möglichkeiten und Grenzen der Ironie als Teil des zapatistischen Diskurses. Dabei werden Ähnlichkeitsbeziehungen zwischen Ironie und Rebellion sichtbar werden, da sich —neben anderen Hinweisen— beide als Ausdrucksformen einer Dialektik zwischen subversivem Unbewussten und kritischem Bewusstsein lesen lassen. Dazu wird zunächst einmal, im I. Teil, Ironie von mehreren Perspektiven her theoretisch erfasst. Der II. Teil dient der Kontextualisierung, vermittelt grundsätzliche diskurstheoretische Annahmen und gibt Einblick in die Beschaffenheit zapatistischer Textproduktion. Im III. Teil wird schließlich das im I. Teil erarbeitete Konzept der Ironie mit ausgewählten Textbeispielen aus dem zapatistischen Diskurs konfrontiert, darin "gespiegelt".

Bei dieser vielleicht allzu schematischen Gegenüberstellung von Konzeption und konkretem Phänomen wird sich die Ironie als Zweiflerin, Störenfried und Widersacherin dann und wann dazwischenschalten und sich "gegen sich selbst" wenden. Das fröhlich-freie Deduktions- Induktionsspiel zur Grundlegung und Aufwertung der Ironie würde ansonsten, ganz losgelassen, allzu sehr in Eigenliebe verfallen, gänzlich in abgehobener Schöngeisterei und Pathos versinken und somit selbst zum ironisierten Gegenstand werden. Eine Arbeit wie diese, über Ironie, wird also unweigerlich Ironie in sich tragen, auch ohne dass diese gewollt oder gar offen bemüht werden müsste.

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung

I. Zur Identifikation der Ironie
1. Begriffswesen
1.1. Die vielen Gesichter der Ironie
1.2. Die Schwierigkeit der Begriffsbestimmung
1.3. Eine kurze Geschichte der Ironie
1.3.1. Wortursprung und klassische Begriffsführung
1.3.2. Begriffserweiterung ab der Romantik
1.4. Ironie und Philosophie − der Ernst der Ironie
1.4.1. Romantische Ironie und Moderne, Radikalisierung der Aufklärung, ironisches Kulturverständnis
1.4.2. Romantische Ironie und Ästhetik — das transzendentale Moment
1.5. Ironie im Vergleich mit ihr ähnlichen Phänomenen
1.5.1. Die Unvermeidbarkeit von Überschneidungen und ihre Folgen für die Lektüre
1.5.2. Die kleine, freche Schwester des Humors, zwischen Tragik und Komik
2. Rezeptionsweise, psychologische Wirkung und Funktion
2.1. Wirkungsweise — die Rolle des triebhaften Unbewussten
2.1.1. Lustprinzip und Erleichterung von psychischem Aufwand
2.1.2. Überlegenheitsprinzip, Empathie und psychischer Automatismus
2.2. Der ironische Blick — die Rolle des (selbst-) kritischen Bewusstseins
2.2.1. Voraussetzung kritisches Bewusstsein
2.2.2. Kritischer Blick und psychischer Automatismus
3. Ironischer Ausdruck und Stil
3.1. Vom ironischen Blick zum ironischen Ausdruck
3.1.1. Spiel mit der Kritik — Kritik als Ausdruck des Widerspruchs
3.2. Literarisch erzeugte Ironie: von der Überlegenheit zum Komplizentum
3.2.1. Literarische Ironie und Stellenironie
3.3. Ironischer Stil
3.3.1. Dialektische Ironie: Parodie der Wirklichkeit, liebevolle Überlegenheit, psychischer Automatismus
3.3.2. Ironische Stilmittel: sprachliche Verfahren
4. Spielraum und diskursive Funktion
4.1. Spielraum als Voraussetzung von Ironie
4.2. Spielraum als Folge von Ironie
4.3. Der zugleich weite und enge Spielraum

II. Zapatismus: Kontextualisierung, diskurstheoretische Annahmen, Beschaffenheit der Lektüre
1. Sozial-politischer Hintergrund, diskurstheoretische Prämissen
1.1. Chronologie des Aufstands − Zu den Anfängen
1.2. Wortergreifung, Diskurs, Macht
1.2.1. Symbole und uneigentliches Sprechen
1.3. Konstitutive Unbestimmtheit, Reichweite von und Unzulänglichkeiten im Diskurs
2. Entstehungskontext, Textbeschaffenheit und Lektüre
2.1. Diskurs-Guerilla zwischen Heterodoxie und Heterogenität
2.2. Text-Formalia, Entstehungshintergrund
2.3. „Literarischere« politische Texte

III. Spiegelung der Konzeption der Ironie in der Ironie des Zapatismus
1. Blick von oben: Zapatismus, Ironie, Begriffswesen, Philosophie
1.1.Auch die Ironie des Zapatismus hat viele Gesichter
1.1.1. Laute, verbale, Stellenironie
1.1.2. Verspielte, liebevolle, sokratische Ironie
1.2. Marcos, ein romantischer Ironiker, Rebellion und romantische Ironie, Aufklärung der Aufklärung, Revolution der Revolution
1.2.1. Dichterische Kongruenz
1.2.2. Konzeptionelle Kongruenz
1.2.3. Dichterisch und konzeptionell kongruent
2. Blick von unten: Zapatismus, Ironie, un/bewusste Subversion
2.1. Elías Contreras — von der Perspektivierung, über den Aufstand der Sprache
2.1.1. Vom ironischen Blick auf die Lebenswelt
2.1.2. ...zum ironischen Ausdruck im Kriminalroman
2.2. Durito auf Pégaso − über die Wucht der Langsamkeit, über die Sprache vom Aufstand
2.2.1. Transgression der Textlogik
2.2.2. Vom ironischen Blick auf den Aufstand über den ironischen Ausdruck hin zur diskursiven Funktion in den comunicados
3. Blick von der Seite: Zapatismus, Ironie und Spielraum
3.1. Spielraum als Voraussetzung von Ironie
3.2. Spielraum als Folge von Ironie
3.3. Der zugleich weite und enge Spielraum von Ironie und Rebellion und PD, que pregunta por necesidad: ¿No eran 4 los 3 mosqueteros?

Literatur
Anhang
 

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