Durito über Züge und Fußgänger

Revista Rebeldía No. 3 vom 15.03.2003
Von Subcomandante Marcos
übersetzt von: Dana

 

Durito (der mal ein Eisenbahnarbeiter war) sagt, die Politik der Macht unter dem Neoliberalismus ("Schreib’s ganz auf,’ befiehlt er mir, "weil es keine Wahrheit für die Ewigkeit ist, sondern nur für jetzt") ist wie ein Zug.

Durito sagt, im Zug der neoliberalen Politik, kämpfen jene die denken sie könnten besser führen dummerweise um die vorderen Waggons, und vergessen, dass die Waggons von der Lokomotive gefahren werden, und nicht umgekehrt.

Durito sagt, die Politiker würden auch nicht begreifen, dass die Lokomotive von jemand anderen gefahren wird (jener, der die Sprache des Geldes spricht) und dass in der sich abzeichnenden Entgleisung, die vorderen Luxuswaggons in der Tat die ersten sein werden, aber nur die ersten die aus den Gleisen springen werden.

Durito sagt, dass gewöhnliche Menschen zu Fuß gehen

Durito sagt, dass das Gehen umsonst ist, dass es mehr Spaß macht und man so selber entscheiden kann wo man hingeht und was passieren soll.

Durito sagt, dass die meisten Fußgänger den vorbeifahrenden Zug mit Gleichgültigkeit betrachten, der sich damit brüstet seinen Weg selbst zu bestimmen, und nicht begreift, dass er nicht die Gleise verlassen kann, die von den politischen Richtlinien bestimmt werden.

Durito sagt, dass gewöhnliche Menschen nicht nur den Zug nicht fahren wollen, sondern dass sie manchmal auch das Ziel der Reise hinterfragen (die außerdem in ihrem Namen unternommen wird und sie repräsentieren soll).

Durito sagt, dass es unter den Fußgängern einige Rebellen gibt. Diese kritisieren nicht nur das Reiseziel und die lächerliche, willkürliche Verteilung der Fahrscheine. Sie stellen sogar die ganze Existenz des Zuges in Frage, und fragen sich ob Züge wirklich notwendig sind. Denn ja, man kommt mit ihnen sicher schneller und bequemer an, aber man kommt dort an, wo man nicht hinkommen will.

Durito sagt, wir Zapatisten gehören zu den rebellischen Fußgängern ("Zapa-Fußgänger") und von denen verspottet werden, die kritisieren, dass wir kein Fahrschein kaufen wollen um mit Hochgeschwindigkeit in die Katastrophe zu fahren.

Durito sagt, wir Zapatisten sind eine besondere Art der Fußgänger. Denn anstatt die arrogante Fahrt des Zuges mit Gleichgültigkeit zu betrachten, geht ein Zapatista zum Gleis hin und stellt sein Fuß drauf. Sicher glaubt er naiverweise, den mächtigen Zug auf diese Weise zum Stolpern zu bringen und ihn entgleisen lassen zu können.

Durito sagt, dass die Fahrgäste in den Waggons, die eben noch Schauplatz des erbitterten (und kleinlichen) Kampfes für die Macht gewesen sind, die nicht da war, sich nun zusammenschließen, durch das Fenster lugen und den Zapatisten verspotten, der versucht mit seinem dunkelhäutigen Fuß, den Zug der Macht zum stehen zu bringen.

Durito sagt, dass am 1. Januar 1994 (es was verregnet, kalt, und ein dichter Nebel umhüllte die Stadt), ein zapatistischer Indigena seinen Fuß niedersetzte, um den allmächtigen PRI-Zug zum entgleisen zu bringen.

Durito sagt, dass 6 Jahre später, die PRI ganz unten in der Gosse liegt, und seine Überreste von jenen umkämpft werden, die gestern noch diesen Indigena auslachten, der gerade seinen Fuß bandagiert, nicht weil der etwa wehtut, sondern weil er einen anderen Zug kommen sieht, und noch einen, und noch einen...

Durito sagt, dass wenn die Zapatisten von etwas genug haben, dann sind das Füße, weil sie groß geworden sind, von dem Durchwandern der langen Nacht zwischen Trauer und Hoffnung.

Durito sagt, dass die Zapatisten nicht aufhören werden die Nacht zu durchwandern, bis alle Fußgänger entscheiden können, nicht nur die Existenz und den Weg des Zuges, sondern auch und vor allem, bis es auf der Wanderung der Fußgänger der Geschichte, viele Stühle unter einem Apfelbaum voller Früchte geben wird ... für alle.

"Denn darum geht es eigentlich . äpfel, Stühle und Züge," sagt Durito, während er mit Zufriedenheit sieht, dass das Samenkorn, den er vor einiger Zeit gepflanzt hat, bereits ein Stückchen der Erde nach oben drückt, die er, nachgiebig und solidarisch gerettet hat.

Subcomandante Insurgente Marcos

Januar 2003,

zu Fuß und bereits im 10. Jahr des Krieges gegen das Vergessen.

 

Quelle: http://www.revistarebeldia.org


 

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