Kritik an der Vergabe des »Trayectoria humana« an Ex-Präsident Zedillo

»Trayectoria humana« = Lifetime Award

News vom 20.08.2011

 

An die Stiftung Cristóbal Gabarró,

Wir wenden uns an Sie, um unsere Meinung über die Verleihung des Preises »Trayectoria Humana« 2011 zu äussern, der vor kurzem dem ehemaligen Präsidenten Mexicos, Ernesto Zedillo Ponce de León, verliehen wurde.

Anschließend werden kurz und knapp Informationen, die mit der Präsidentschaft von Ernesto Zedillo zu tun haben, zusammengefasst, insbesondere hinsichtlich seiner Unterdrückungspolitik im südlichen Bundesstaat Chiapas, obwohl es diverse Fälle gibt, die über das nachstehend Erklärte hinaus, zur Anklage gebracht werden könnten.

Aus unserer Sicht und nach unserem Kenntnisstand der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Lage Mexikos, sowohl während der Präsidentschaft Zedillos als auch in der heutigen Zeit, stehen — zurückhaltend ausgedrückt — die Verleihung des »Trayectoria Humana« Preises an den Ex-Präsidenten und die historischen Fakten im Widerspruch zueinander.

Während der Präsidentschaft von Carlos Salinas de Gortari (1998-1994), war Ernesto Zedillo eine sehr wichtige Figur bezüglich der Einführung sozialer Reformen, die die am stärksten benachteiligten Teile der Bevölkerung zu mehr und mehr Armut verdammten. Am Anfang der sechsjährigen Präsidentschaft, landeten aufgrund einer der schlimmsten Wirtschaftskrisen, die das Land je erlebte, tausende Personen auf der Straße. Danach ernannte sich Ernesto Zedillo zum Retter der mexikanischen Wirtschaft, indem er anordnete, die von den Banken selbst erzeugten Schulden aus der Staatskasse zu begleichen.

Von den globalen ökonomischen Institutionen, den Wirtschaftsfakultäten und transnationalen Konzernen wurde der ehemalige Präsident Zedillo dafür gepriesen, dass er die Gesundung und Erholung der Wirtschaft ins Laufen gebracht habe. Doch die aufmerksamen Bürger und Bürgerinnen innerhalb und außerhalb Mexikos vergessen nicht die während seiner Regierung verursachten Schäden.

Abgesehen von den wirtschaftlichen Problemen, die vor allem durch die vom Internationalen Währungsfonds verhängten Maßnahmen verursacht wurden — als dessen Direktor er sich vor einigen Monaten bewerben wollte − hatte Zedillo die Möglichkeit, auf die Forderungen der Indigenas in Chiapas einzugehen, die seit Jahrhunderten unsichtbar gemacht wurden aber Widerstand leisteten und durch das Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) vertreten wurden. Dies tat er jedoch nicht.

Am Anfang seiner Präsidentschaft kamen die EZLN und die föderale Regierung miteinander ins Gespräch. Zuvor rief die Rebellengruppe alle interessierten Gruppierungen der Gesellschaft dazu auf, Diskussionsforen zu bilden, aus denen Vorschläge resultierten, die bei den Verhandlungen mit der Regierung vorgestellt wurden. Am Ende entstand das »Abkommen von San Andrés«, das dem Vorschlag zu einer Verfassungsreform die rechtliche Basis gab, mit der unter anderem die Selbstverwaltung und Unabhängigkeit der indigenen Gemeinschaften anerkannt werden sollte. Ernesto Zedillo, die Chef der mexikanischen Regierung, respektierte die Abkommen von San Andrés nicht. Im Gegenteil, der mexikanische Senat billigte eine Verfassungsreform, die das Abkommen komplett ignorierte. Die Reaktion darauf lehnten die indigenen Gemeinschaften eine Anerkennung des aufgezwungen Gesetzes ab, beendeten die Gespräche mit der mexikanischen Regierung und bildeten als Ausdruck friedlichen zivilen Ungehorsams selbstverwaltete ländliche Strukturen (autonome Landkreise). Für einen wichtigen Teil der Bürger des Landes — Forscher, kritische Schriftsteller und Journalisten — war dies eine Bestätigung der Unfähigkeit und Unwilligkeit der Regierung, seinem Volk zuzuhören und es zu beachten.

22. Dezember 1997, Acteal, Chiapas.

Laut Informationen des Menschenrechtszentrums Fray Bartolomé de las Casas (Frayba), begann die mexikanische Armee auf Befehl der Regierung , während die Representanten der mexikanischen Regierung eine Strategie der Aufstandsbekämpfung, die als »Krieg niedriger Intensität« bezeichnet wurde, während parallel dazu Vertreter der regierung Friedensverhandlungen führten. Die Strategie hatte das Ziel, in den indigenen Dörfern bewaffnete Gruppen zu trainieren, die die schmutzige Arbeit machen sollten, um den Eindruck zu erwecken, dass es sich um Konflikte zwischen den und innerhalb der Dörfer handeln würde. Dies beinhaltete außerdem eine Propagandaaktion mit dem Ziel, die kritische Informationen über die Aktionen der Regierung in Misskredit zu bringen. Die Angst, die durch die ununterbrochenen Angriffe der paramilitärischen Gruppen auf die Einwohner der Dörfer erzeugt wurde, führte zur Vertreibung von 9000 Menschen. Die massive Umstrukturierung der Besiedlung hatte zahlreiche Drohungen und die Etablierung von Milit.rstützpunkten an den Eingängen der Dörfer zur Folge, von denen viele noch heute existieren.

Am 22. Dezember 1997 erschoss eine Gruppe von Tsotsil-Indigenas 45 Menschen mit großkalibrigen Waffen (18 Frauen, von denen fünf im 7. Monat schwanger waren; 7 Männer; 16 Mädchen zwischen 8 Monaten und 17 Jahren; 4 Jungen zwischen 2 und 15 Jahren) und sie verletzten 26 weitere Personen, die meisten davon minderjährig, von denen mehrere bleibende Schäden davon trugen.

Die angegriffenen Personen befanden sich aufgrund der Attacken bewaffneter Gruppen, die ihre Häuser und Felder verbrannten und ihre Güter stahlen, als Flüchtlinge in der Gemeinde Acteal. Sie waren unbewaffnet. Nach Zeugenaussagen nahmen an diesem Angriff ungefähr 90 Personen teil, und in 200 Meter Entfernung befand sich ein gemischter Stützpunkt verschiedener Sicherheitskräfte. Dieser Sachverhalt stützt die Ansicht, einer direkten Verantwortlichkeit der mexikanischen Regierung.

Die Tatsache, dass kein einziger hochrangiger Funktionär der Regierung, wie der ehemalige Präsident Ernesto Zedillo oder die damaligen Militärchefs, zur Rechenschaft gezogen wurden, ersterer als intellektueller Autor und die anderen als Komplizen des Massakers —— zeigt den indigenen Gemeinden, dass die Morde bis heute unbestraft geblieben sind. Die große Mehrheit der physisch für das Massaker Verantwortlichen, die anfangs festgenommen wurden, wurden kürzlich wieder frei gelassen.

Für die mit Chiapas verbundenen Menschenrechtsorganisationen, für die auf nationaler und internationaler Ebene organisierte Zivilgesellschaft ist klar, dass das Lebenswerk von Ernesto Zedillo, was Gewinne oder Fortschritte für die mexikanische Gesellschaft angeht, zweifelhaft ist. Wir sind deshalb der Meinung, dass sie aus kritischer Perspektive analysiert werden sollten.

Hochachtungsvoll,

Grupo de Apoyo a la Zona Costa de Chiapas;
Mexicanos en Resistencia desde Barcelona ;
Anhänger der Zezta Internacional;
Conexión de Recursos para la Acción Comunitaria (CRAC);
Educación para la Acción Crítica (EdPAC);
Grupo de investigación en DDHH y Sostenibilidad Catedra UNESCO en Sostenibilidad;
Producciones Informativas Nube Roja;
Movimiento Ciudadano de Mexicanos en Barcelona;
Zapateando, medios libres, Xalapa, Ver., México;
Einzelpersonen;

 

Quelle: http://www.cgtchiapas.org/noticias/premio-trayectoria-humana-ernestozedillo- respuesta-barcelona


 

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