SIPAZ Bericht November 2011 (deutsch)

SIPAZ-News vom 29.12.2011

 

 Bericht mit Bilder unter  
  http://www.sipaz.org/informes/vol16no4/vol16no4d.htm


AKTUELL
Mexiko: International und National werden die Konsequenzen der Strategie des Kampfes gegen den Drogenhandel hinterfragt

Anfang November präsentierte das Washington Office on Latin America (WOLA) einen Bericht über die Merida-Initiative, die Teil der US-Beteiligung an der Strategie der mexikanischen Regierung ist, das organisierte Verbrechen im Land zu bekämpfen. Die Veröffentlichung mit dem Namen »Eine lehrreiche Geschichte. Die Lehren aus dem Plan Colombia für die US-Außenpolitik gegenüber Mexiko und anderen Staaten«, weißt darauf hin, dass »die Gruppen des organisierten Verbrechens den Staat angreifen und untereinander einen Krieg Alle gegen Alleführen. Die Ausschaltung der Anführer der Kartelle hat zum Auseinanderbrechen der Gruppen geführt und neue Machtkämpfe hervorgerufen, die die Gewalt vervielfacht haben.« Das Dokument weist darauf hin, dass trotz der Absichten der US-Regierung, die Unterstützung des Justizsystems zu betonen, die Hilfe für militärische Struktur und Strategie weiter vorherrschend bleibt. WOLA warnt, dass »die militärische Zusammenarbeit der USA einen Anstieg der Menschenrechtsverletzungen mit sich bringen kann« — eine Bestätigung dessen, worauf verschiedene zivilgesellschaftliche Menschenrechtsorganisationen seit Jahren hinweisen.

Einige Tage vor der Veröffentlichung des Berichts von WOLA überreichte der Direktor für die Amerikas bei der Organisation Human Rights Watch (HRW), José Miguel Vivanco, dem mexikanischen Präsidenten den HRW-Bericht »Weder Sicherheit noch Recht. Exekutionen, Verschwindenlassen und Folter im Krieg gegen den Drogenhandel in Mexiko«. Dem Bericht zufolge wenden Mitglieder der staatlichen Sicherheitskräfte systematisch Foltermethoden an, um Geständnisse und Informationen über die Gruppen des organisierten Verbrechens zu erhalten. Außerdem »legen Beweise nahe, dass Soldaten und PolizistInnen an außergerichtlichen Exekutionen und erzwungenem Verschwindenlassen beteiligt waren.« Der Bericht führt außerdem auf, dass die Generalstaatsanwaltschaft bezüglich der mehr als 35.000 Tote im Rahmen der Strategie der Bundesbehörden seit Beginn 2011 wegen Tötungsdelikten »nur 997 Ermittlungsverfahreneingeleitet hat«.

Mexiko: Die Gewalt bleibt an der Tagesordnung

Unter den jüngsten Vorkommnissen stach der Tod des Innenministers Francisco Blake Mora beim Absturz seines Helikopters am 11. November heraus. Bis zur Fertigstellung dieser Ausgabe waren die Untersuchungen über diesen Vorfall noch nicht abgeschlossen, trotzdem unterstützten erste Erklärungen der Regierung die Version, es habe sich um einen Unfall gehandelt. Es sei daran erinnert, dass vor drei Jahren der damalige Innenminister Juan Camilo Mouriño unter ähnlichen Bedingungen ums Leben kam. Bis heute sind die Ermittlungsergebnisse über seinen Tod noch nicht bekanntgegeben worden. Bleibt zu erwähnen, dass Blake Mora der vierte Innenminister während der fünf Jahre der Regierungszeit Calderóns war.

Eine andere Gewalttat, die eine starkes Medienecho und eine Veränderung im Diskurs des Präsidenten hervorrief, war der Vorfall im Casino Royale in Monterrey mit über 50 Toten und vielen Verletzten am 25. August diesen Jahres. Felipe Calderón verurteilte diesen «Terror-Akt” —das erst mal, das die Bundesregierung diesen Begriff im Bezug auf Taten des organisierten Verbrechens anwandte. In der Vergangenheit haben Vertreter der US-Regierung die Gealt des organisierten Verbrechens in Mexiko als »Drogen-Terrorismus« bezeichnet, was in Mexiko wachsende Sorge über eine mögliche militärische Intervention des Nachbarlandes hervorrief.

Das zweite Zusammentreffen der Bewegung für einen Frieden mit Gerechtigkeit und Würde mit der Bundesregierung fand am 14. Oktober im Schloss von Chapultepec statt. Der Dichter Javier Sicilia, Anführer dieser Bewegung der Opfer des Kampfes gegen den Drogenhandel, warnte, dass die »Atmosphäre von Gewalt und Schrecken, die täglich wächst, die Worte und das Reden vergiftet. In diesen gibt es eine Hauptbedrohung, die wir BürgerInnen erkennen und ablehnen: Die Gefahr des Autoritarismus und seiner brutalsten Fratze, dem Militarismus und dem Faschismus.« Obwohl der Präsident auf jede einzelne Wortmeldung der Bewegung einging, verdeckte diese nach dem Treffen nicht die Enttäuschung über die spärlichen Ergebnisse des Dialogs — eines davon die Einrichtung einer staatlichen Hilfestelle für die Unterstützung von Verbrechensopfern ohne eigenes Budget und hinreichende Arbeitsbedingungen. Man einigte sich nicht auf ein weiteres Zusammentreffen. Daher bleibt es unklar, ob der Dialog fortgesetzt wird.

Vor dem Treffen hat die Bewegung die sogenannte »Karawane in den Süden” durch die Bundesstaaten Guerrero, Oaxaca, Chiapas, Tabasco, Veracruz und Puebla organisiert. Beim Abschluss der Karawane in Mexiko-Stadt am 19. September zog die Bewegung die Bilanz, dass »wir in den letzten 11 Tagen gesehen haben, dass die offene Wunde in Ciudad Juárez sich — wegen der fehlgeschlagenen Kriegsstrategie des Präsidenten Calderón — wie ein Wundbrand bis in den Süden des Landes ausgebreitet und sich mit den alten Schmerzen vereint, die die indigenen Gesellschaften und Gemeinden im Süden erleiden.« Die Bewegung forderte, dass man ihre Forderungen ernst nimmt, denn — wie es Javier Sicilia während der Rundreise ausdrückte — »wenn [die PolitikerInnen] sich nicht in den Dienst der BürgerInnen stellen und ein Land und Sicherheit für diese schaffen sowie das gesellschaftliche Miteinander wieder herstellen, wird dies leider die letzte pazifistische Bewegung sein und das, was dann aus Empörung entstehen wird, wird fürchterlich sein.«
Ein anderes Thema beständiger Sorgen bleibt die Situation der MigrantInnen, die durch Mexiko reisen, wo viele von ihnen irgendeine Form von Unrecht zu erleiden haben, von Angriffen und Erpressung bis hin zu Vergewaltigungen, Entführungen und Mord. Um auf diese Problematik aufmerksam zu machen, begannen 33 mittelamerikansiche Frauen am 31. Oktober in Honduras die »Karawane der Mütter auf der Suche nach ihren Verschwundenen«. Die Menschen, die sich für die Migranten einsetzen, setzen sich aufgrund ihrer Arbeit ebenfalls einem Risiko aus. Das ist zum Beispiel bei Bruder Tomás González der Fall, ein Verteidiger der Rechte der Migranten in Tabasco, der im September eine telefonische Drohung erhielt.

Abschließend bleibt auch die journalistische Arbeit in Mexiko einem sehr hohen Risiko ausgesetzt, und — betrachtet man die Angriffe auf Reporterinnen — besitzt dieses Verbrechen eine Geschlechterdimension, die die mexikanischen Behörden bisher verstecken wollten. Am 1. September wurden in Mexiko-Stadt die Leichen der Journalistinnen Ana María Marcela Yarce Viveros und Rocío González Trápaga mit eindeutigen Spuren von Gewalt aufgefunden. Die Generalstaatsanwaltschaft des Hauptstadtdistrikts (PGJDF) ließ verlauten, dass die Ermittlungen wegen Feminizid geführt würden und dass sie an die entsprechende Spezialabteilung für Tötungsdelikte der PGJDF weitergeleitet worden sein.

Guerrero: Die Widerstände und die Forderungen nach Gerechtigkeit gehen weiter

Am 31. August begannen die Organisation der indigenen Gruppe der Me’phaa (Organización del Pueblo Indígena Me’phaa, OPIM) und das Menschenrechtszentrum Tlachinollan in Absprache mit Inés Fernández y Valentina Rosendo mit einer neuen Kampagne unter dem Namen »Erfüllen der Urteile des Interamerikanischen Gerichtshofes für Menschenrechte, um die Mauer der Straflosigkeit einzureißen«. Absicht ist es, von der Regierung zu fordern, dass die Arbeitsgruppen gemäß des von Inés und Valentina vorgebrachten Abkommens arbeiten bis die Umsetzung aller Teile des Urteils erreicht ist. 2010 verurteilte der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte (IAGMR) des mexikanischen Staat mit der Feststellung, dass 2002 beide indigene Me’phaa-Frauen von Mitgliedern des mexikanischen Militärs vergewaltigt und gefoltert wurden. In einem Rundschrieben vom 8. November betonte Tlachinollan die Auflage, diesen Fall zivilrechtlich zu behandeln, sei Teil des Urteilsspruchs des IAGMR: »In Mexiko ermittelt bis heute die Militärstaatsanwaltschaft bei Menschenrechtsverletzungen durch Militärs gegen ZivilistInnen — trotz der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der Nation, trotz dessen, was vier Urteilssprüche des IAGMR entschieden haben, und trotz der Vertragsverpflichtungen aufgrund der Merida-Initiative.«

Des Weiteren begann am 22. August die Regionalkoordination der Gemeindeautoritäten — Gemeindepolizei (Coordinadora Regional de Autoridades Comunitarias — Policía Comunitaria, CRAC-PC) mit einer Informationskampagne für die Indigenas der Regionen der Costa Chica und La Montaña über die Aktivitäten des Minentagebaus in der Gegend. Diese informierte, dass kanadische und englische Firmen ohne die Zustimmung der Bevölkerung anscheinend mit dem offenen Minentagebau beginnen. Am 14. und 15. Oktober wurde der 16. Jahrestag der Gemeindepolizei im Landkreis Malinaltepec gefeiert. Anschließend prangerte die CRAC-PC Militärbewegungen in Gemeindegebieten an und signalisierte, dass dies eine Provokation gegenüber der Entscheidung der Gemeinden seien könnte, ihre Rechte wahrzunehmen und den Minentagbau abzulehnen.

Außerdem verbreitete Tlachinollan am 13. September eine Presseerklärung über die hohen Strompreise in der Region La Montaña in Guerrero. Die Erklärung berichtete, dass das Menschenrechtszentrum von 2007 bis heute 400 Klagen — von Einzelpersonen und Gemeinden — über überhöhte Stromrechnungen angenommen hat. Einige Stunden nachdem Mitglieder der Widerstandsbewegung gegen die hohen Strompreise am 8. November in einer Protestaktion den Sitz des staatlichen Stromunternehmens (Comisión Federal de Electricidad, CFE) schlossen, wurden sie von mehreren Soldaten geräumt.

Oaxaca: Ein Jahr Regierung Gabino Cué. Zunehmende Konflikte im Istmus

Am 15. November stellte der Gouverneur Gabino Cué Monteagudo seinen ersten Regierungsbericht vor. Er gab zu, dass es Fehler und unzureichende Entwicklungen gegeben habe, machte aber die Vorgänger-Regierungen für mehrere Probleme verantwortlich, wie z.B. die Landkonflikte, die es in Teilen des Bundesstaats gibt. Teile der Zivilgesellschaft kritisierten, dass in diesem ersten Regierungsjahr die Zeichen guten Willens nicht zu relevanten Fortschritten im Bereich der rechtlichen Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen vergangener Jahre geführt haben.

Die Organisation »Consorcio para el Diálogo Parlamentario y la Equidad Oaxaca A.C.« machte am 3. November einen Einbruch in ihren Büros sowie den Diebstahl von Dokumenten über die Menschenrechtssituation in Oaxaca, von Mobilfunktelefonen und Computern öffentlich. Sie erklärte: »Wenn diese Regierung den Weg zu einem demokratischen Wandel ernst meint, ist einerder zentralen Aspekte die Garantie gegenüber den zivilen Organisationen und ihren MenschenrechtsverteidigerInnen, ihre Arbeit zum Wohle der Gesellschaft ungestört zu leisten«.

Der langjährige Konflikt zwischen Oaxaca und Chiapas in der Region Chimalapas, bei dem es um den Anspruch auf 4.975 Hektar Land geht, führte am 4. November zu zwei Konfrontationen, wobei es mindestens zehn Verletzte gab. Nach den Zusammenstößen wurde ein gemeinsamer Stützpunkt der oaxaquenischen und der chiapanekischen Polizei sowie der Armee in der Region eingerichtet, um weitere Konfrontationen zu verhindern. Allerdings wurde am 4. November der Anführer der Rinderzüchter der chiapanekischen Seite, Jorge Humberto Luna, von BewohnerInnen von San Miguel Chimalapas festgesetzt. Er wurde am 9. November durch einen Einsatz oaxaquenischer Sicherheitskräfte befreit, der Polizeieingriff erfolgte nach Angaben der oaxaquenischen Seite unter Einsatz von Gewalt. Am 11. und 12. November besuchte eine zivile Beobachtungsmission, zusammengesetzt aus VertreterInnen von Menschenrechts- und Umweltorganisationen, die Region Chimalapas, um die Situation vor Ort zu dokumentieren.

Ein weiterer Brennpunkt, der jüngst zu einer gewaltsamen Konfrontation geführt hat, ist der Bau von Windrädern im Istmus von Tehuantepec. Am 28. Oktober organisierten Mitglieder der Versammlung der Dörfer des Istmus zum Schutz ihrer Ländereien und des Territoriums mit VertreterInnen des Komitees im Widerstand zum Windradprojekt von Unión Hidaldgo eine friedliche Protestaktion gegen das Windradprojekt »Piedra Larga«. Die Protestierenden informierten darüber, dass eine Gruppe Bewaffneter am Ort des Geschehens auftauchte und auf einige der Protestierenden einschlug, unter ihnen Bettina Cruz Velázquez und Juan Regalado Martínez. Letztere erhielten Morddrohungen. Am selben Nachmittag kam Reynaldo Ordaz Velásquez, der zur Gruppe der Bewaffneten gehörte, unter unklaren Umständen durch Schüsse um. Selbige Gruppe machte die Protestierenden für den Tod verantwortlich, diese wiesen die Anschuldigungen zurück und forderten eine unabhängige Untersuchung der Vorgänge. Ein paar Tage zuvor wurden Morddrohungen gegen Cruz Velázquez und Maribel González von Seiten von ca. 50 Angestellten des Stromkonzerns Desarrollos Eólicos de México (DEMEX) öffentlich gemacht, beides Menschenrechtsverteidigerinnen, die die GegnerInnen des Windradprojekts unterstützen.

Chiapas: Die Landfrage ist die Hauptkonfliktlinie

Ein offener Brief an Felipe Calderón und den Gouverneur von Chiapas, Juan Sabines, vom 24. Oktober, der aufgrund des Anstiegs der Mitunterzeichnung durch Einzelpersonen und Gruppen anschließend noch einmal aktualisiert wurde, drückte »Sorge und Ablehnung darüber aus, dass Ihre Regierungen mit den zu beobachtenden Angewohnheiten fortfahren — darunter weisen wir auf die häufigsten hin: Unterlassung angesichts vieler Anschuldigungen und Aufforderungen zum Eingreifen, die an Sie gerichtet sind; Zulassen, dass das Gemeinde- und gesellschaftliche Miteinander durch die Anheizung von Konflikten zerstört werden; Schaffung von Ernährungs- und Hygiene-Notstand in Gemeinden, die umzingelt und belagert werden; eine Politik, die durch rechtliche und verwaltungstechnische Vorgänge für schwere Menschenrechtsverletzungen gegen die indigene Bevölkerung in Chiapas sorgt.« Der Brief warnte auch: »Die autonomen Gemeinden im Widerstand, deren BewohnerInnen die UnterstützerInnen-Basis der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung bilden, sind Zielscheibe eines möglichen Angriffs und folglich des Wiederaufflammens von Feindseligkeiten wie jene, die wir in kollektiven Gedächtnis eines beschämten Mexikos bewahren.«

Es steht fest, dass sich die Anklagen bezüglich Angriffen und Vertreibungsdrohungen vervielfältigen, besonders im Fall der »wiedergewonnenen Ländereien« der verschiedenen zapatistischen Verwaltungssitze der autonome Regionen (Caracoles). Der schlimmste Fall fand in der Gemeinde San Patricio (offizieller Landkreis von Sabanilla, nördliche Zone) statt, die für mehr als drei Wochen im September und Oktober von mehr als hundert Personen aus verschiedenen Gemeinden der Landkreise Tila und Sabanilla belagert wurde. Der zapatistische Rat der Guten Regierung von Roberto Barrios berichtete von Mord- und Vertreibungsdrohungen sowie von Schäden am Eigentum seiner UnterstützerInnen-Basis in dieser Gemeinde.

Die Regierung intervenierte in diesen Fall und am 23. Oktober besuchte der Gouverneur selbst San Patricio, wo er erklärte: »Wir sind hier (...) um Ihnen erneut die rechtliche Sicherheit über den Besitz dieses Anwesens und Ihrer Häuser zu geben. Die eindringende Gruppe wurde nicht nur von diesen Ländereien verbannt, sondern auch in andere Landkreise gebracht, die weit von hier entfernt sind, damit sie Sie nicht belästigen, damit sie sich nicht in den Frieden dieser Gemeinde einmischen.« Dagegen prangerten zivilgesellschaftliche Organisationen kurz vorher an, dass »die Behörden [die AggressorInnen] für ihre gewalttätige Aktion, die eindeutig Teil der Aufstandsbekämpfung ist, belohnt haben, indem sie ihnen Ländereien auf dem Gutshof La Josefina im Landkreis Palenque zugesprochen haben.« Des weiteren wird oben erwähnten offenen Brief erklärt: »Der öffentliche Diskurs der Regierung von Chiapas hat die Achtung der Menschenrechte in einen Werbeslogan verwandelt, der den Schein begünstigt und schwere Mängel zum Schaden der allgemeinen Bevölkerung verdeckt.«

Die zivilgesellschaftliche Organisation Las Abejas (Die Bienen) prangerte im Oktober an, dass die Belästigung gegen indigene Gemeinden, die ihr Selbstverwaltung verteidigen, der gleichen Logik folgten und erklärte: »Die Belästigungen in diesen Gemeinden, besonders in San Patricio erinnern uns an das, was wir in Chenalhó in den Wochen vor dem Massaker von Acteal erlebten: Menschen, die in ihren eigenen Gemeinden zu Geiseln gemacht werden und die oft nichts zum Essen haben, Raub und Niederbrennen der Ernte und des Viehs, ständige Schüsse, um zu verängstigen. Und all das machen die Paramilitärs, ebenso wie in Chenalhó, unter den Augen ihrer KomplizInnen von Polizei und Verwaltung.«

In der Mehrheit der Fälle ist das, worum es geht, ein Streit um die Kontrolle von Land in indigenem Gebiet. Daher begann die Andere Kampagne im September mit einer Kampagne unter dem Motto »Stoppt den Krieg gegen die Mutter Erde und ihre Völker«. Aus Anlass der Demonstrationsversammlung, die dieses Netzwerk am 12. Oktober durchführte, gab man bekannt: »Am 519. Jahrestag der spanischen Invasion in unsere Ländereien demonstrieren und protestieren wir gegen das Vergessen (...) Die Unabhängigkeitskriege und die Revolution haben die Rechte der ursprünglichen Gesellschaften, die heute einem Vertreibungs- und Vernichtungskrieg ausgesetzt sind, nicht wieder hergestellt.« Einen Aspekt dieses Streits spiegelt sich wieder im letzten Bericht des Menschenrechtszentrums Fray Bartolomé de Las Casas (CDHFBC) mit dem Titel »Die Erde lebt auf den Pfaden des Widerstandes«. In diesem wird auf die negativen Auswirkungen der sogenannten »grünen« Entwicklungsprojekte hingewiesen — wie etwa Ökotourismus-Projekte, die dafür sorgen, dass in vielen Fällen Gemeinden vertrieben werden oder das es zu internen Spaltungen kommt (siehe auch Schwerpunkt).

Außerdem trafen sich angesichts der fortbestehenden Problematik bezüglich der MenschenrechtsverteidigerInnen am 8. und 9. Oktober verschiedene Menschenrechtszentren aus Anlass des »Forums für den Schutz der MenschenrechtsverteidigerInnen«, das in Tonalá, Chiapas, stattfand. Ein praktisches Beispiel dessen, was dort angesprochen wurde, gab es zwischen dem 19. und 20. Oktober, als eine Morddrohung im Haus der VerteidigerInnen Margarita Martínez und Adolfo Guzmán hinterlassen wurde. Beide haben seit November 2009 mehrere Drohungen und Angriffe erleiden müssen und haben von der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte (IAKMR) Schutzmaßnahmen zugesprochen bekommen.

:: SCHWERPUNKT

Ökotourismus: Entwicklung mit oder ohne die Menschen?

Im Januar dieses Jahres hat die mexikanische Regierung das Jahr 2011 zum »Jahr des Tourismus« ernannt, »mit dem Ziel, alle Sektoren, die mit dieser Aktivität zusammenhängen, zu einen, um Aktionen in Gang zu setzen, die es ermöglichen, dass mehr TouristInnen Mexiko zu ihrem Hauptreiseziel machen«. Während die Zunahme der Gewalt, die durch den von Felipe Calderón erklärten Krieg gegen den Drogenhandel entfesselt wurde, zu einem Rückgang der TouristInnenzahlen in vielen Teilen des Landes geführt hat, bleibt der Bundesstaat Chiapas ein wichtiges Tourismus-Ziel. Die natürlichen Schönheiten und die kulturellen Reichtümer des Bundesstaates waren der Grund dafür, dass im vergangenen Oktober San Cristóbal de Las Casas Gastgeber für den VIII. Internationalen Gipfel des Abenteuertourismus wurde.

Der Tourismus im Allgemeinen, und spezieller der alternative und ökologische Tourismus, oder Ökotourismus, wurden als eine exzellente Möglichkeit beworben, um den indigenen, ländlichen, entfernten und isolierten Gemeinden Wege aus der Armut ermöglichen. Der Ökotourismus wird von verschiedenen Umweltschutzgruppen, internationalen Institutionen und Regierungen als eine machbare Alternative der nachhaltigen Entwicklung gesehen. Viele Dörfer sind jedoch nicht von ihren vermeintlichen wirtschaftlichen Gewinnen überzeugt und sehen ihn als einen möglichen Kontrollverlust über ihr Land und Leben. Auf der anderen Seite gibt es auch Uneinigkeiten innerhalb der Gemeinden, wenn ein Teil der Bevölkerung das Ökotourismus-Projekt befürwortet während der andere Teil sich der Umsetzung entgegenstellt. In diesem Sinne kann ein Ökotourismus-Projekt eine große Auswirkung auf die Gemeinde haben, da nicht notwendigerweise die ganze betroffene Bevölkerung in gleicher und gerechter Weise davon profitiert.

Die Prinzipien des Ökotourismus schließen die Notwendigkeit zur Erhaltung der Gegend, die Bildung eines Umwelt- und kulturellen Bewusstseins und die Einhaltung der Menschenrechte ein. Obwohl unterschiedliche Interpretationen existieren, wird im Allgemeinen der Ökotourismus mit der Idee eines »ethischen« Tourismus verbunden, was bedeutet, dass das Wohlergehen der lokalen Bevölkerungen berücksichtigt werden sollte. Dies reflektiere sich in der Struktur und der Arbeitsweise der Unternehmen und Genossenschaften, welche den Ökotourismus-Service anbieten. Die Sociedad Internacional de Ecoturismo (TIES; Internationale Gesellschaft des Ökotourismus) definiert den Ökotourismus als »eine verantwortungsvolle Reise in Naturgebiete, die die Umwelt erhalten und das Wohlergehen der lokalen Bevölkerung verbessern«. Die erwähnten Grundsätze sollten in der Minimierung der von dieser Aktivität hervorgerufenen negativen Effekte für die Gemeinde widergespiegelt werden.

Argumente für und gegen Ökotourismus-Projekte

Viele Ökotourismus-Projekte, wie man auf dem Gipfel in San Cristóbal herausfinden konnte, erhalten Finanzierung durch die Comisión Nacional para el Desarrollo de los Pueblos Indígenas (CDI; Nationale Kommission für die Entwicklung der Indigenen Völker), unter dem Programa Turismo Alternativo en Zonas Indígenas (PTAZI; Programm für Alternativen Tourismus in Indigenen Gebieten). Laut CDI ist das Ziel des Programms, »mit der Durchführung von Aktivitäten im Bereich des alternativen Tourismus zur Entwicklung der indigenen Bevölkerung beizutragen, spezifischdurch Öko- und ländlichen Tourismus, wodurch das vorhandene Potential der indigenen Regionen genutzt und die Unterstützung gewährt wird, um Projekte, die auf die Aufwertung, Erhaltung undnachhaltige Nutzung ihrer natürlichen Ressourcen und Anziehungspunkte und ihrem kulturellen Erbe gerichtet sind, auszuarbeiten und durchzuführen sowie um zu helfen, ihre Einkünfte zuverbessern«.

Bei einer Erklärung im Rahmen des Gedenkens am »Tag der indigenen Völker« am vergangenen 12. Oktober sprachen sich jedoch mehrere Gruppen, der Andere Kampagne (LOC) angehören, gegen diese Form der »Entwicklung« aus. Über den Gipfel, der einige Tage später anfangen sollte, sagten sie: »Wir sehen in dieser Initiative eine neue Offensive im Konzert der Aggressionen undVerletzungen der kollektiven Rechte und der freien Bestimmung unserer Völker. Von hier aus sagen wir den Herren des Neoliberalismus, dass das Land, das Wasser, die Wälder, die kulturellenund zeremoniellen Stätten nicht verkauft, sondern verteidigt und beschützt werden von ehrenwerten Männern und Frauen, die Widerstandleisten«.

Am 17. Oktober eröffneten Präsident Felipe Calderón, Gouverneur Juan Sabines Guerrero und die Ministerin des Tourismusministeriums (Sectur), Gloria Guevara, den VIII. Weltgipfel des Abenteuertourismus in San Cristóbal de Las Casas. Laut Shannon Stowell, Präsident der Internationalen Assoziation für Abenteuertourismus (ATTA [engl.]), nahmen mehr als 650 Reiseveranstalter aus 54 Ländern teil. Katya de la Vega, Direktorin der Kommission für die Entwicklung des Alternativen Tourismus in Chiapas erklärte, dass mehr als 408 Millionen Pesos in die Veranstaltung investiert wurden. Um die Aufmerksamkeit auf die Tatsache zu lenken, dass Chiapas einer der führenden Bundesstaaten des Anbaus von Jatropha und der Afrikanischen Palme zur Produktion von Biodiesel ist, fuhren die auf dem Gipfel benutzten Transportmittel mit Biodiesel aus Chiapas, einer »sauberen Energie, die zur Abschwächung des Klimawandels beiträgt«, laut der Internetseite der Veranstaltung.

Felipe Calderón war in seinem Beitrag der Ansicht, dass der Aufstand der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) 1994 die erlittene Marginalisierung seiner Mitglieder widerspiegelte. Es war das erste Mal seit Jahren, dass er auf die Zapatistenbewegung Bezug nahm. Er regte an, dass die Option für die indigenen Gruppen, welche die natürlichen Reichtümer besitzen, der Abenteuertourismus sei. In seinem Beitrag hob der Gouverneur Juan Sabines die Projekte für nachhaltige Entwicklung und Ökotourismus hervor, die von den indigenen Gemeinden durchgeführt wurden. Er erklärte, dass in der neuen Verfassung von Chiapas die Einhaltung der freien Bestimmung der indigenen Gruppen garantiert würde, die nun eine Möglichkeit zur besseren Entwicklung hätten, indem sie ihre natürlichen Schönheiten förderten.

Im Gegensatz zum offiziellen Diskurs erklärte die Organisation Otros Mundos Chiapas in einer Mitteilung: »Der Tourismus hat verschiedene Auswirkungen: die lokalen Kulturen, von denen verlangt wird, dass sie sich in den Dienst des Tourismus stellen; die Ausgabe von Millionen von Pesos für Werbung, die an Schulen und Krankenhäuser gehen könnten; die Unterdrückung und Militarisierung der Gemeinden, die diese Aktivitäten nicht wollen und kämpfen, um ihr Land und ihr Gebiet zu verteidigen und die reelle Alternativen zum Überlebensuchen«. Allgemeiner gesagt, verurteilte das Centro de Estudios Superiores de México y Centroamérica (CESMECA; Zentrum für Höhere Bildung Mexikos und Mittelamerikas): »Implizit versucht man uns glauben zu machen, dass die sozialen Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten, welche die Gemeinschaften erleiden, von der ‚Selbstisolation’ herrühren, die sich sicher selber auferlegen. Und dass sie mit dieser Art von touristischen Aktivitäten in den ‚Fortschritt’ mit eingeschlossen werden. Die offizielle Meinung ist, dass diese Wirtschaftsaktivitäten vorangetrieben werden, um angeblich dieUngleichheit und Armut zu bekämpfen. Seltsamerweise wird jedoch versäumt, die Meinung und Rechte der hauptsächlich Betroffenen, der indigenen Gruppen des Gebiets, zu berücksichtigen. Es ist offensichtlich, dass wir einen klaren Beweis für einenmodernen und Abenteuerkolonialismus vor uns haben«.

Beispiele von negativen Auswirkungen von Ökotourismus-Projekten
Agua Azul

Die Situation des Tourismuszentrums Agua Azul spiegelt einige der negativen Konsequenzen des Ökotourismus wieder, sowohl wegen der Uneinigkeit der Bevölkerung als auch wegen der Militarisierung des Gebiets. Laut US-amerikanischen Tourismus-Beratern, die geholfen haben, die bundesstaatliche Tourismus-Strategie für Chiapas zu entwickeln, »hat Agua Azul das Potential, eineder überragendsten Ökotourismus-Erfahrungen in der westlichen Hemisphäre zu schaffen«, wie ein Artikel der Financial Times vom 30. September 2011 berichtet. Ein neuer touristischer Komplex, der in dem Gebiet geplant ist, bestünde aus einem First-class-Hotel, einem Rückzugsort, einer Bar und einem Restaurant mit Blick auf die Wasserfälle. Laut dem Artikel weisen die Berater auch auf die Notwendigkeit hin, die umliegenden Gebiete der Wasserfälle einzubeziehen, um genügend Platz für die Erholung bieten zu können und um die Naturlandschaften als Teil der Schönheit des Tourismuskomplexes zu erhalten. In der angrenzenden zapatistischen Gemeinde Bolom Ajaw gab es Anfang 2010 Konfrontationen zwischen den Menschen der Gemeinde und Anhängern der Organización para la Defensa de los Derechos Indígenas y Campesinos (OPDDIC; Organisation zur Verteidigung der Rechte der indigenen und Landbevölkerung). Grund für den Disput waren die Wasserfälle neben der Gemeinde, die auf dem Gebiet, das 1994 von den Zapatisten zurückgewonnen wurde, liegen, und von großem Interesse für die genannte touristische Nutzung sind.

In den letzten Jahren gab es mehrere Konflikte und Auseinandersetzungen zwischen Dorfbewohnern, die die touristische Nutzung des Gebietes von Agua Azul befürworten, und welchen, die diese ablehnen. 2008 stellten Mitglieder der LOC aus San Sebastián Bachajón ein Zahlungshäuschen neben der offiziellen Hütte auf, um Einkünfte zu erzielen und um die Touristen für die Konfliktsituation in dem Gebiet auf Grund der Ablehnung der touristischen Nutzung der Wasserfällen von Seiten eines Teils der Bevölkerung zu sensibilisieren. Am 2. Februar dieses Jahres wandelten sich die Spannungen zu einer Konfrontation zwischen Indigenen, die der LOC angehören und gegen die touristische Nutzung sind, und einer Gruppe von Anhängern der PRI (Partei der Institutionellen Revolution), die diese befürworten. Sie hinterließ einen Toten und mehrere Verletzte.

Seit der Auseinandersetzung wurde das Gebiet um Agua Azul streng von der Polizei und dem Militär überwacht, mit einem Aufmarsch von Hunderten von Einsatzkräften. Der Direktor des Zentrums für Menschenrechte Fray Bartolomé del las Casas (CDHFC), Victor López, nahm während einer Pressekonferenz nach der Freilassung der letzten Gefangenen, die der LOC nahestehen und während der Auseinandersetzung verhaftet worden waren, Bezug auf die starke Militarisierung und die fehlende Beratung mit der Bevölkerung. Er erwähnte, dass sie immer noch »Gefangene« seien, infolge eines »unilateralen Prozess, mit der Präsenz der Polizei und dem Militär auf ihrem Land, und angesichts von Regierungsprojekten, die nicht mit den Bewohnern beraten wurden«.

Bei dem Versuch, einen Ökotourismus-Komplex auf diesem Gebiet zu errichten, sieht man deutlich die Uneinigkeit der Bevölkerung der Gemeinde von Agua Azul. Auf der einen Seite stehen die Autoritäten des kommunalen landwirtschaftlichen Betriebs, die von der Regierung unterstützt werden und die auf Jobs und Einkünfte setzen, die der Tourismus bringen könnte. Auf der anderen Seite befindet sich ein anderer Teil der Bevölkerung, der auf seinem Recht auf Erhalt ihrer Lebensweise, d.h. auf freier Bestimmung, besteht und die Einschüchterung, Gewalt und den Missbrauch des Rechtssystems zur Landenteignung öffentlich verurteilen. Der Artikel in der Financial Times endet mit dem Hinweis, dass für viele »der Ökotourismus eine Form der Harmonie von Tourismus undUmwelt bedeute«. Aber diese Suche schien die lokale Bevölkerung aus der Gleichung außen vor zu lassen.

Die Lagune Miramar in der Biosphäre Montes Azules

Ein anderer problematischer Versuch der ökotouristischen Nutzung der Natur geschieht in der Region der Lagune Miramar in der Biosphäre Montes Azules. Am vergangenen 20. August erschien ein Artikel in La Jornada del Campo, in dem dargelegt wurde, dass in dem Integralen Biosphärenreservat Montes Azules (RIBMA), das von den Umweltbehörden als »vorrangiges Schutzgebiet« betrachtet wird, ein Makro-Hotelkomplex kurz vor dem Baubeginn steht, ohne den Konsens der BewohnerInnen und ohne eine wirklich nachhaltige Entwicklung zu verfolgen.

2010 hat Sectur die BewohnerInnen der Gemeinde von Emiliano Zapata, deren Ländereien an die Lagune Miramar angrenzen, informiert, dass das Bauprojekt von Übernachtungsplätzen für den Tourismus durchführbar wäre, aber nicht in der einfachen Form wie vorher beantragt, sondern als ein großer Hotelkomplex in einem Bereich von 40 Tausend Quadratmetern einen Kilometer von der Lagune entfernt. In den stattgefundenen Versammlungen zur Diskussion des Vorschlags brachten die kommunalen LandbesitzerInnen ihre Angst zum Ausdruck, die Kontrolle über ihre Ländereien zu verlieren, zu Bediensteten der Unternehmer zu werden und fast nichts von den Einnahmen zu bekommen. Sie informierten Sectur, dass sie das Projekt nicht akzeptierten, und die Antwort von Sectur war, dass sie das Projekt in einer anderen Gemeinde auf dem Gebiet umsetzen würden. Angesichts dessen erreichten die ProjektbefürworterInnen innerhalb der Gemeinde in einer neuen Versammlung, dass es mehrheitlich akzeptiert wurde.

Während des Jahres 2010 handelten Sectur und die privaten Unternehmer mit den BewohnerInnen von Emiliano Zapata die Genehmigung für vier Hektar des Gebietes für den Bau des Komplexes und das Recht auf touristische Nutzung der Lagune für die nächsten 30 Jahre. Während der zehn ersten Jahre können die Tourismusunternehmer, die Teil der Investition tätigen, nicht aus der Verwaltung des Komplexes ausgeschlossen werden, aber der Vorstand der Gesellschaft für Ökotourismus in Zapata, zusammengesetzt aus 125 Mitgliedern des Dorfes, kann einen Teil der Verwaltung bilden und 10 % der Gewinne erhalten. Nach dieser Frist haben die kommunalen LandbesitzerInnen die Möglichkeit, den Komplex zu verwalten, aber nur, wenn sie die notwendigen Fähigkeiten erworben haben. Anfang 2011 wurde die Vereinbarung zwischen den Autoritäten der Gemeinde, Sectur und dem beteiligten Unternehmer unterzeichnet. Das Projekt beginnt bald, aber die Gemeinde ist gespalten.

Chincultik

Die vorherigen Beispiele des Widerstandes gegen die touristische Nutzung in den Regionen von Agua Azul und der Lagune Miramar handelten von Gemeinden, die schon organisiert waren, bevor die Tourismuspläne aufkamen. Ein Beispiel sehr starker Gewalt gegen Personen, die nicht mit den Tourismusplänen in ihrem Gebiet einverstanden und die vorher nicht organisiert waren, ist Chincultik im Oktober 2008. Die kommunalen LandbesitzerInnen hatten die Ruinen von Chincultik, die sich gegenüber der Gemeinde befinden, eingenommen, um die archäologische Maya-Stätte nahe der Stadt Comitán selber zu verwalten. Obwohl es einen Verhandlungsprozess zwischen dem offiziellen Verwalter des Ortes, dem Nationalen Institut für Anthropologie und Geschichte (INAH) und den DemonstrantInnen gab, führte die Bundes- und bundesstaatliche Polizei einen gewaltsamen Einsatz durch, um die Demonstration zu beenden, mit einem Ergebnis von sechs Toten, 17 Verletzten und 36 Verhaftungen.

Ökotouristische Gemeindeentwicklung

Ein Beispiel für einen gemeinschaftlicheren Ökotourismus ist der ökotouristische Park El Arcotete in der Gemeinde Río Arcotete, sechs Kilometer von San Cristóbal entfernt. Laut der Broschüre des Parks widmeten sich die ansässigen Tsotsil-Indigenen, die das Gebiet in den 80ern infolge ihrer Vertreibung aus San Juan Chamula besiedelten, zunächst der Holzfällerei, weil sie keine anderen Einkunftsquellen gefunden hatten. Erst der Beginn des Ökotourismusprojekts 2008 führte zu einer Diversifizierung der Einnahmequellen. In einem Interview sagte der Präsident des Ökotourismusparks, der aus der Gegend stammt, dass die Initiative zur Entwicklung des Projekts in der daneben liegenden Gemeinde diskutiert wurde, bevor es begonnen wurde. Angestellte des Ministeriums für Soziale Entwicklung (SEDESOL) kamen, um mit den Leuten über die Entwicklung des Parks zu reden, und boten an, die Spazierwege zu finanzieren. Die Menschen der Gemeinde fingen an, das Gelände und die Grotten zu säubern und die Hängebrücken aufzuhängen. Eine der letzten Attraktionen des Parks ist die Seilrutsche, die vom CDI im vergangenen Jahr finanziert wurde.

Die Begünstigten des Parks sind die Menschen der Gemeinde selber. Laut dem Präsidenten gibt es 15 Personen der Gemeinde, die in dem Projekt arbeiten. Vorher gab es wenig Arbeit, bis zu dem Maße, dass die Menschen sich gezwungen sahen, in die USA zu gehen. Anscheinend berücksichtigt das Projekt das Wohlergehen der Menschen, die in dem Gebiet leben: »Hier passen wir kommunalen LandbesitzerInnen auf. Es arbeitet keiner von außerhalb. Wenn Menschen von außen kommen, fangen dieProbleme an«. Das Ökotourismus-Projekt El Arcotete war auch auf dem VIII. Internationalen Gipfel des Abenteuertourismus vertreten, um es zu fördern und mehr Menschen in den Park zu locken. Wie der Präsident erwähnte, gibt es anscheinend schon Ergebnisse: »Wir sehen bereits, dass mehr Menschen einen Tag im Park verbringen«.

Die Ökotourismus-Projekten stellen eine potenzielle Konfliktquelle dar, wenn sie die verschiedenen Elemente, die mit dem Recht der freien Bestimmung der indigenen Völker in Verbindung stehen, nicht berücksichtigen. Um Konflikte zu vermeiden, muss man sicherstellen, dass die Personen und Gemeinden, die von dem Projekt betroffen werden, ab dem Beginn der Entwicklung der Pläne informiert werden. Dies bedeutet Transparenz bezüglich der Verteilung der Gewinne aus dem Projekt und die Teilnahme an Entscheidungen in Bezug auf Jobs und anderen Verantwortungen, die das Projekt erzeugt. So könnte der Ökotourismus die Ziele, die Auswirkungen sowohl auf die Umwelt als auch auf die BewohnerInnen des Gebiets zu minimieren, einhalten. Damit die Suche nach einer »Harmonie von Tourismus und Umwelt« auch die von dem Projekt betroffenen Personen einschließt, müssen ihre Wünsche, Bedürfnisse und Meinungen berücksichtigt werden.

:: ARTIKEL
Das Stigma Gefangener Zu Sein

29. September 2011: Elf der indigenen Gefangenen, die im Gefängnis von San Cristóbal de Las Casas inhaftiert sind, sahen keinen anderen Ausweg als den Hungerstreik angesichts der Gefangenschaft, die sie für ungerecht halten, sowie der Misshandlungen durch die Gefängniswärter. Sie riskierten ihre Gesundheit und ihr Leben für die Hoffnung gehört zu werden. Am 6. November beendeten sie diese Aktion, obwohl nicht alle Fälle überprüft wurden. Zwei Gefangene wurden am 14.Oktober freigelassen, zwei weitere am 15. November.

Diese Situation bezieht sich in Mexiko nicht auf vereinzelte Fälle, sondern es existiert ein gezieltes Muster von Einschüchterung, Folter und Repression im gesamten Prozess, angefangen beim Moment der Festname »vermutlich Schuldiger” bis hin zur Einsperrung ins Gefängnis. Die Folterungen der Gefangenen als ein ständiger Mechanismus wurde bereits von verschiedenen nationalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen dokumentiert. Im Juli 2011 wies die »Christliche Aktion zur Abschaffung der Folter« (ACAT Frankreich), im Rahmen eines Mexiko-Besuchs darauf hin, dass im Land ein »systematisches Andauern der Folter« existiert und beklagte, »die Fälle, die angezeigt werden, können nicht einfach als isolierte Taten« abgespeist werden. Außerdem verletzen häufig die Gerichtsprozesse die fundamentalen Rechte der inhaftierten Personen aufgrund des fehlenden Zugangs zu einer unparteiischen und unabhängigen Justiz. Die 11 Gefangenen, die sich an besagtem Hungerstreik beteiligten, klagten über die Verletzung ihrer Rechte auf Verteidigung, auf Übersetzung in ihre Muttersprachen sowie auf einen fairen Prozess mit der Möglichkeit einer gerechten Verteidigung.

Wie wir bereits sagten, betrifft diese Realität Männer und Frauen gleichermaßen von dem Moment ihrer Festnahme an. Ein Beispiel ist der Fall von Rosa López Díaz, einer Frau, die den Streik durch 12 Stunden tägliches Fasten unterstützte. Laut ihrer Aussage wurde sie am 10. Mai 2007 in San Cristóbal de Las Casas von zivil gekleideten Personen festgenommen. Rosa klagte an, dass diese sie mehrfach in den Leib traten: «[...] das Traurige für mich als Frau war, dass ich im vierten Monat schwanger war. Ich flehte die Personen an, mich nicht zu schlagen, wegen meiner Schwangerschaft [...] Nach zwei Monaten in der Justizvollzugsanstalt Nr. 5 brachte ich einen Jungen namens Nataniel zur Welt. Durch die von mir erlittenen Schläge wurde mein Sohn mit einer Gehirnlähmung geboren, er war am ganzen Körper gelähmt und hatte noch andere Krankheiten [...]”. Dieses Kind starb Ende Oktober diesen Jahres.
Die körperliche und psychische Folter geht im Gefängnis weiter. Laut dem Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de Las Casas erfüllt die Regierung weder ihre Pflicht, die Grundrechte zu garantieren, noch das Leben und die Integrität der Personen in den verschiedenen Gefängnissen des Bundesstaates zu schützen. Es gibt Aussagen von angeklagten Personen in den sogenannten staatlichen Zentren zur sozialen Wiedereingliederung der Verurteilten (staatliche Justizvollzugsanstalten), die sich gegen ungerechte und unmenschliche Bedingungen wehren: sexualisierte Gewalt, Überfüllung der Gefängnisse, ungenügende Hygienebedingungen, fehlende medizinische Versorgung sowie zu geringe und/oder zu schlechte Qualität der Verpflegung. Diese Zentren brandmarken die Personen und erleichtern keineswegs ihre spätere Wiedereingliederung in die Gemeinschaft. Sie bedeuten auch eine Strafe für die Familien und deren wirtschaftliche Situation, denn sie verändern das familiäre Zusammenleben und bedeuten enorme Kosten.

Einer der Streikenden ist der Lehrer Alberto Patishtán Gómez, Angehöriger der indigenen Gruppe der Tsotsil aus der Gemeinde El Bosque. Er befindet sich seit dem Jahr 2000 im Gefängnis und wird — gemeinsam mit anderen - des Mordes an sechs Polizisten beschuldigt. Sein Gerichtsverfahren wimmelte nur so von Verletzungen seines Rechts auf einen angemessenen fairen Prozess und widersprüchlichen Beweisen gegen ihn. Und das obwohl Patishtán «glaubwürdige klare Beweise brachte, an dem Hinterhalt und Angriff nicht beteiligt gewesen zu sein” (Tageszeitung La Jornada, 27. Oktober 2011).
Im Jahr 2008 begann Patishtán gemeinsam mit anderen Gefangenen, welche in der «Stimme von El Amate” organisiert waren, einen Hungerstreik. Durch diesen konnte nach 41 Tagen die Freilassung von 40 Gefangenen erreicht werden. Während des vergangenen Hungerstreiks, der am 29. September begann, fungierte Alberto Patishtán als Sprecher, bis er auf gewaltsame Weise in das Bundesgefängnis in Guasave, Sinaloa, 2000 km von seiner Familie, Freunden und seiner rechtlichen Verteidigung entfernt, verlegt wurde. Mehrere nationale und internationale Bewegungen und Organisationen, darunter Amnesty International, drückten ihre Besorgnis über diese Verlegung aus.
Aufgrund seiner unmenschlichen und ungerechten Inhaftierung und weil er sich trotz seines schlechten Gesundheitszustandes nie hat unterkriegen lassen und aus dem Gefängnis heraus die Menschenrechtsverletzungen anklagte, die inner- und außerhalb der Haftanstalten begangen werden, bekam er 2010 von Samuel Ruíz García die Anerkennung Jcanam Lum verliehen.
Alberto Patishtán stellt in seinem Kampf für viele Gefangene im ganzen Land ein Beispiel für Hoffnung dar, wie es eine Mitarbeiterin der Solidaritätsbewegung mit den Gefangenen ausdrückt: «Sein Leben besteht darin, sich dem Kampf in den Gefängnissen hinzugeben, um diesen Räumen Würde zu geben... damit auch sie Orte des Kampfes, Zentren des Lernens und der Reflexion werden. [...] Er hat den Leuten lesen und schreiben beigebracht, damit sie sich selbst verteidigen können. Dies ist die Würde, die Spiritualität, die politische Überzeugung, die Alberto hat«.

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