Tod eines Repressionsstrategen

Mexiko: Nach der Ermordung von General Acosta Chaparro bleiben viele Fragen offen

junge welt vom 25.04.2012
Von Andreas Knobloch

 

Der Tod von Mario Arturo Acosta Chaparro Escápite ist eine Schande, weil wir ihn nie für seine Verbrechen vor Gericht stellen konnten«, erklärte Atoyac Julio Mata Montiel von der Opfervereinigung Afadem zu der Nachricht von der Ermordung des pensionierten Generals. Der war am Freitag abend vergangener Woche in Mexiko-Stadt von Unbekannten erschossen worden.

jw-logoAcosta Chaparro gilt als einer der Hauptverantwortlichen für das »Verschwinden« von Hunderten Regierungsgegnern während des sogenannten »schmutzigen Krieges« im Bundesstaat Guerrero. Ausgebildet in den USA an der berüchtigten Militärakademie Escuela de las Americas wurde Acosta Chaparro 1974 nach Guerrero geschickt, wo er maßgeblich an Repressionsmaßnahmen gegen linke Oppositionelle und Guerillas beteiligt war. Es folgten schnelle Beförderungen und die Spezialisierung auf Aufstandsbekämpfung. Zusammen mit General Francisco Humberto Quiróz Hermosillo wurde er zur Schlüsselfigur bei der Planung und Ausführung paramilitärischer Einsätze in dem südmexikanischen Bundesstaat. Beide waren auch Teil der sogenannten Weißen Brigade (offizieller Name: Brigada Especial), die die Guerillagruppe Kommunistische Liga 23. September in Mexiko-Stadt und im Bundesstaat Estado de México verfolgte.

Mit dem Aufstand der EZLN 1994 wurde Acosta Chaparro als Berater aktiviert. Im Jahr 2000, kurz bevor die PRI von der Macht verdrängt wurde, wurden er und Quiróz verhaftet. Unter der PAN-Regierung von Vicente Fox wurden beide wegen Verbindungen zum Juárez-Drogenkartell verurteilt. Quiróz starb in der Haft an Krebs; Acosta Chaparro dagegen kam 2005 wieder frei, nachdem ein Bundesrichter das Urteil annullierte und ihn von allen Anschuldigungen freisprach. Er wurde wieder in die Armee aufgenommen, die ihn 2008 mit allen Ehren nach 45 Dienstjahren pensionierte. Bereits 2010 war ein Attentat in Mexikos Hauptstadt auf ihn verübt worden, das er leicht verletzt überlebte.

Menschenrechtsorganisationen werfen Acosta Chaparro vor, nicht nur in Unterdrückungsmaßnahmen der 1970er verstrickt zu sein, sondern durch sein Wissen als Berater und Ausbilder zur Institutionalisierung der Gewalt unter dem aktuellen Präsidenten Felipe Calderón beigetragen zu haben. Sie beklagten zudem, daß er für sogenannte außergerichtliche Hinrichtungen und das forcierte »Verschwindenlassen« von Oppositionellen nie vor Gericht gestellt wurde. Im Gegenteil, alle mexikanischen Regierungen, auch die aktuelle, hätten ihn protegiert, so Mata Montiel. »Sie haben ihn für seine Verdienste um das Heimatland ausgezeichnet, was ein Hohn ist für die Bevölkerung von Guerrero und die Familien derer, die ihr Leben gelassen haben im Kampf um Freiheit und Gerechtigkeit«, beklagte der Sozialaktivist und Kommunist Pablo Sandoval Cruz gegenüber der Tageszeitung La Jornada. Andere befürchten, daß der Tod des Generals a.D. die Arbeit der kürzlich gebildeten Wahrheitskommission in Guerrero und die Verurteilung anderer Täter erschweren könnte, da er viele wichtige Informationen mit ins Grab genommen habe.

Auch mehrere Tage nach den Schüssen auf Acosta Chaparro tappt die Polizei hinsichtlich Täter und Motiv noch im Dunkeln. Viele vermuten eine Verwicklung der Drogenmafia. Allerdings trägt die Tat nicht die Handschrift der Kartelle. So wurden weder Kleinlaster, noch großkalibrige Waffen oder Maschinenpistolen verwendet. Es sieht eher danach aus, als ob alte Rechnungen von einer der früheren bewaffneten Gruppen beglichen wurden. Wenn es keine Justiz, keine Gerechtigkeit, keine Versöhnung gibt, bleibt nur Rache. »Die Geschichte wurde geradegerückt«, sagte Sandoval Cruz.

 

Quelle: http://www.jungewelt.de/2012/04-25/032.php


 

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