Gewalt und Drohungen gegen Studenten

Mexiko: Aktivisten von »#YoSoy132« berichten über Repressalien

junge welt vom 03.08.2012
Sara König, Mexiko-Stadt

 

Auch nach der Wahl von Enrique Peña Nieto zum neuen mexikanischen Präsidenten setzt die Studentenbewegung »#YoSoy132« ihre Demonstrationen gegen Wahlbetrug und gegen die großen Medienkonzerne fort. Obwohl die Protestaktionen gefährlich geworden sind. Immer wieder kommt es zu Verhaftungen, Drohungen und tätlichen Übergriffen auf Aktivisten. Sicherheitskräfte reagierten mit Tränengas und Warnschüssen auf die Proteste gegen die Einsetzung Peña Nietos. Bei einer Demonstration von »#YoSoy132« in Oaxaca am 22. Juli wurden 25 junge Frauen und Männer festgenommen, von Beamten brutal geschlagen und beschimpft. Im Gefängnis wurden Studentinnen von Polizisten sexuell belästigt. Ein Student soll sogar durch Elektroschocks gefoltert worden sein.

Wie viele Gewaltandrohungen, Verhaftungen und Übergriffe auf Studenten es seit Beginn der Demonstrationen im Mai gegeben hat, läßt sich schwer sagen. Viele Opfer möchten anonym bleiben. Videos, Fotos und Presseerklärungen der Studentenbewegung lassen jedoch keinen Zweifel an den Repressalien: Morddrohungen per Telefon oder E-Mail, Übergriffe auf offener Straße, anonyme Gewaltandrohung in sozialen Netzwerken, versuchter Mord — die Liste ist lang. »Auf der Autobahn von Pachuca nach Actopan verfolgte mich plötzlich ein Wagen, der versuchte, mich von der Straße zu drängen. Aber ich konnte entkommen«, erzählte Iram del Castillo von »#YoSoy132 Hidalgo« gegenüber jW. Er und weitere Opfer haben bereits Anzeigen bei der nationalen Menschenrechtskommission (CNDH) eingereicht.

»Meist sind es anonyme Anrufe, in denen die Studenten aufgefordert werden zu schweigen. Man droht ihnen mit Gewalt oder Entführung. Als Druckmittel dienen persönliche Daten über die Person und deren Familie«, erklärte Agustín Basave, Leiter für Aufbaustudiengänge an der Universität Iberoamericana in Mexiko-Stadt, im Gespräch mit jW. Seine Fakultät bietet Opfern von Drohanrufen moralischen und juristischen Beistand. Er forderte die mexikanische Regierung auf, notwendige Maßnahmen einzuleiten, um den Aktivisten von »#YoSoy132« Sicherheit zu garantieren. Studierende berichten, daß sich Zivilpolizisten auf Versammlungen einschmuggeln, um Fotos von Aktivisten zu machen und deren persönliche Daten zu sammeln. Was damit geschieht, weiß niemand, bis plötzlich das Foto als Anhang in einer Drohmail auftaucht.

»Meine Eltern sitzen voller Angst zu Hause, wenn ich demonstriere. Sie überlegen schon, mich ins Exil in die USA zu schicken«, meinte die Ingenieurin Irery del Rocio von »#YoSoy132 Guadalajara« gegenüber jW. Etwas Angst hat sie schon vor der Zukunft. Auch im Bundesstaat Jalisco ist wieder die Institutionelle Revolutionäre Partei (PRI) an der Macht. Mit ihr verbinden sich schlimme Erinnerungen: Unterdrückung, Korruption, Wahlbetrug und das Massaker an Studenten im Jahr 1968. Damals richtete Mexiko die ersten Olympischen Spiele in Lateinamerika aus. Das Land wollte sich von der besten Seite zeigen. Doch in der Hauptstadt demonstrierten Studenten gegen den autoritären Polizeistaat und das schlechte Bildungssystem. Zehn Tage vor Eröffnung der Spiele beendeten Panzer die Demokratiebewegung. 337 Menschen wurden nach Zählung von Menschenrechtsorganisationen am 2. Oktober 1968 getötet. Die Regierung hat nie mehr als 37 Tote eingestanden. Auch heute noch trägt sie nach offizieller Lesart keinerlei Schuld an dem Ereignis.

 

Quelle: http://www.jungewelt.de/2012/08-03/021.php


 

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