Veranstaltungshinweise Rhein-Main
Veranstaltungshinweis vom 10.05.2013 | |
Einladung
Am 26.Mai findet im Cafe Exzess, Leipziger Strasse 91 in Frankfurt/Main-Bockenheim um 19 Uhr eine Veranstaltung mit dem mexikanischen Aktivisten Ignacio del´Valle über die sozialen Bewegungen und die Repression in Mexiko statt.
Ab 21 Uhr Konzert mit der Band Resistencia d´Mexico (Ska, Punk, Latin).
Cafe Exzess, Leipziger Strasse 91 in Frankfurt/Main-Bockenheim
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Lageplan − Detail
Am 23. Mai wird in der Au 14-16 ein Film über den Widerstand gegen den geplanten Bau des Flughafens von Mexico City in der mexikanischen Stadt Atenco gezeigt, wo Ignacio del´Valle herkommt und weswegen er zu 112 Jahren Knast verurteilt und nach knapp 5 Jahren wegen mangels an Beweisen vom obersten mexikanischen Gericht freigesprochen wurde.
In der Au 14-16, Frankfurt/Main
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Ignacio und die Band werden auch an Blockupy teilnehmen.
Veranstalterin: Ya Basta Rhein-Main
Mit Macheten, roten Halstüchern und Unnachgiebigkeit — Erfolgreicher Widerstand und Repression in Atenco/Mexiko
Europarundreise des Aktivisten Ignacio del Valle und der Band La Resistencia D’ México
Wandgemälde im Gemeindepalast von Atenco
Atenco — der Name dieses mexikanischen Kleinstadt steht heute in Mexiko zusammen mit Orten wie Tlatelolco, Acteal oder Ciudad Juárez für Staatsverbrechen, Folter, Repression und Straflosigkeit. Doch zugleich ist Atenco zu einem Symbol von unbeugsamen Widerstand und Solidarität geworden. Dafür stehen die Machete und das rote Halstuch, die seitdem den Kampf der Bewohner_innen von Atenco symbolisieren, und der Familienname del Valle.
Ignacio del Valle, besser bekannt als "Nacho", ist Siebdrucker, Fleischer, Friseur, arbeitete als Industriearbeiter und Sportlehrer und ist nebenbei der "vielleicht berühmteste Bauer seit Zapata" in Mexiko. Außergewöhnliche Umstände haben gewöhnliche Menschen wie Nacho, seine Frau Trinidad und ihre Tochter América wie so viele andere Bewohner Atencos außergewöhnlichen Taten vollbringen lassen. Atenco, ein kleine Stadt mit etwa 17.000-Einwohner_innen 35 km von Mexiko-Stadt entfernt, muss sich seit Jahrzehnten gegen die Gier, die ungezügelte Expansion oder das Vergessen der großen Metropole erwehren. Ignacio del Valle wuchs in einem Atenco auf, in dem sich die Bewohner_innen der Notwendigkeit von Einheit und Organisation bewusst waren, wollten sie ihr Recht auf Grundversorgung wie etwa Zugang zu fließendem Wasser, Strom oder eine Bibliothek vom mexikanischen Staat einfordern, ihre Gemeindeautonomie verteidigen oder schlichtweg auf ihre Lebensweise als Bäuer_innen beharren. Auch wenn der Gemeindepräsident im 20. Jahrhundert traditionell der Regierungspartei angehörte, bestimmte die Bewohner_innen wichtige Ämter, wie die des Vorstehers des Gemeindelandes oder kommunalen Wasserrates selbst und war an zahlreichen politischen Organisationen in der Region beteiligt. Nacho del Valle hatte sich dabei als unkorrumpierbarer Sprecher der Menschen von Atenco bewährt und genoss hohes Ansehen in der Bevölkerung Atencos.
Im Oktober 2001 unterschrieb der mexikanische Präsident Vicente Fox ein Regierungsdekret zur Enteignung von 5.400 Hektar Gemeindeland. Das betroffene Land gehörte zu Atenco und einigen Nachbargemeinden im Bezirk Texcoco und sollte dem Bau eines neuen Großflughafens für Mexiko-Stadt dienen. Die lokale Bevölkerung wurde bei dieser Entscheidung nicht einbezogen und der angebotene Entschädigungspreis spottete dem realen und ideellen Wert, den das Land für die Bevölkerung in Atenco hat, und die sich beharrlich weigert, ihre Existenz als Bäuer_innen aufzugeben.
Das war der Beginn einer unmöglichen Widerstandsbewegung, die Politik, Kapital und Medien gegen sich wusste. Gemäß den Anforderungen der neoliberalen Ideologie, die die Wünsche des globalen Kapitals über alle anderen Interessen stellt, sollte Atenco ein Opfer im "nationalen Interesse" aufbringen. Von Beginn an waren sich die Gegner des Großprojektes ihrer isolierten Lage bewusst, doch mit ihrer militanten Unnachgiebigkeit trotzten sie dem mexikanischen Staat. Sie organisierten sich in der "Frente de Pueblos en Defensa de la Tierra" (FPDT oder "Vereinigung der Dörfer in Verteidigung der Erde") und überzogen den mexikanischen Staat sowohl mit juristischen Klagen als auch mit Protestmärschen und anderen Aktionen, bei denen sie ihre Erkennungszeichen, rote Halstücher und ihr Arbeitswerkzeug, ihre Macheten, mit sich trugen. In ihrem Protest stellten sie das "nationale Interesse" an einem elitären und privaten Großprojekt in Frage, an dem reiche Investor_innen sich nur weiter bereichern würden, und warfen damit die Diskussion einer wünschenswerten Entwicklung für die mexikanische Mehrheitsgesellschaft erneut auf.
Im Juli 2002 nahmen die Aktivist_innen der FPDT mehrere Politiker und private Unternehmer einige Tage als Geisel, da diese ungenehmigt eine Bodeninspektion in Atenco vornahmen. Als Reaktion griff die Regierung einen Protestmarsch der FPDT an und verhaftete einige ihrer Anführer_innen. Daraufhin entführten diese wiederum Staatsangestellte aus Texcoco, blockierten die Autobahn nach Mexiko-Stadt und drohten zwei Tanklaster anzuzünden. Nach zähen Verhandlungen kam es zu einem Gefangenenaustausch und am 1. August 2002 gab die Regierung Fox schließlich bekannt, auf das Großprojekt zu verzichten, da der politische Preis mittlerweile zu hoch erschien.
Doch damit hatte die Regierung das Problem der rebellischen Bäuer_innen der FPDT nicht beseitigt. 2003 verhinderte die FPDT die offiziellen Wahlen in Atenco und erklärte sich zur autonomen Gemeinde. Außerdem tauchten die "Atencos" mit ihren Macheten fortan bei vielen anderen Protesten auf und begannen ein Netz von Kontakten zu knüpfen, indem sie andere Gruppen in ganz Mexiko in ihren Kämpfe unterstützten. Für andere Oppositionsgruppen verkörperten sie ein Beispiel erfolgreichen Widerstands. Für die Regierung jedoch wurden sie zum Feindbild.
Im Mai 2006 kam für die Mächtigen der Augenblick der Rache. Während die Zapatistas, vertreten durch Subcomandante Marcos, mit ihrer "Anderen Kampagne" die offizielle Agenda des Präsidentschaftswahlkampfes störten und sich in Mexiko-Stadt befanden, nutzte Präsident Fox und Enrique Peña Nieto, heute mexikanischer Präsident und damals Gouverneur des Bundesstaates Mexiko, einen Konflikt zwischen der Polizei und lokalen Blumenhändler_innen in der Nähe von Atenco zur Eskalation. Die organisierten Bewohner_innen von Atenco, die den Händler_innen zur Hilfe eilten, gelang es, die Polizei zu vertreiben, erneut die nahe Bundesstraße zu blockieren und die Blockade gegen Polizeiangriffe zu verteidigen. Erst der von Peña Nieto befohlene Angriff von über 3.000 schwer bewaffnete Bundespolizisten brach den Widerstand. Diese gingen bei der Erstürmung von Atenco mit äußerster Brutalität vor: Unter den Aktivist_innen kam zu zwei Toten, dutzende Schwerverletzen und über 200 Festnahmen, viele davon willkürlich. Die Festgenommenen waren schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Sie wurden gefoltert, mehrere weibliche Gefangene wurden vergewaltigt. Dieser Gewaltakt galt nicht nur Atenco, sondern sollte zugleich die Grenzen der zapatistischen "Anderen Kampagne" und ihrem Programm der Vernetzung und Solidarität "von Unten" aufzeigen. Für die widerständigen Bewegungen in Mexiko sollte ein Fanal gesetzt werden, dass sich Widerstand eben doch nicht lohnt.
Für Nacho, seine Familie und für ganz Atenco folgte nun ein langer Leidensweg. Nacho wird in einem Schauprozess gegen ihn und elf andere Aktivist_innen zu 112 Jahren Haft in einem Hochsicherheitsgefängnis verurteilt. Dort sitzt er neben Drogenbossen, in Ungnade gefallenen Politikern und Guerilleros ein. Nacho wird permanentem Kunstlicht und der physischen Gewalt der Wärter ausgesetzt, seine persönlichen Gegenstände werden täglich durchsucht und zerstört, Telefonanrufe werden ihm verboten oder unterbrochen. Während er im Gefängnis sitzt, sterben sein Bruder und sein Vater, ohne dass er die Möglichkeit bekommt, sich zu verabschieden. Zugleich wird nach seiner Tochter América gefahndet, so dass sie gezwungen ist unterzutauchen, um der Verhaftung zu entgehen. Ignacio del Valle ist von seiner Familie und der Bewegung isoliert, er altert und nimmt 16 Kilo ab, aber, so Nacho, »was ich nie verlor, war die Hoffnung«. Er schwört sich seinen Peinigern nicht zu beugen, hält sich mit Atem- und Gymnastikübungen fit, sucht den Kontakt zu den Mitgefangenen, tritt mit einigen von ihnen in den Hungerstreik gegen die schlechte Behandlung ihrer Familienangehörigen bei Gefängnisbesuchen und schreibt Grußbotschaften an zahlreiche andere soziale Bewegungen. Seine Frau »Trini« übernimmt währenddessen Nachos Platz in der Bewegung und kämpft zugleich für ihre Familie, die Freilassung der 12 politischen Gefangenen und den Fortbestand der FPDT und setzt sich für die Vernetzung mit zahlreichen anderen Widerständen ein.
Direkt nach der brutalen Repression 2006 erfährt Atenco breite Solidarität sozialer Bewegungen in Mexiko und weltweit. Unter anderem beginnt eine breite internationale Kampagne für die Freilassung der politischen Gefangenen um Nacho del Valle, der sich auch elf Friedensnobelpreisträger_innen anschließen. Und erneut gelingt der Bewegung und ihren Verbündeten ein nicht für möglich gehaltener Erfolg: Nach vier Jahren und zwei Monaten Haft wird Nacho und die elf anderen Gefangenen im Juli 2010 durch den Obersten Gerichtshof Mexikos freigesprochen. Dieser war zu dem Schluss kommt, die damals vorgelegten Beweise seien dürftig und widersprüchlich und das Ganze sehe nach dem Versuch der Kriminalisierung sozialen Protests aus. Noch am Gefängnisausgang tauscht Nacho die Häftlingskleidung gegen ein rotes Halstuch und eine Machete ein.
Trotz dieses erneuten Erfolges der Bewegung und der internationalen Solidarität, bleibt noch einiges zu tun: Die meisten Verantwortlichen für den brutalen Polizeiangriff wurden bisher nicht zur Rechenschaft gezogen. Nur einige beteiligte Polizeibeamte erhielten geringe Strafen. Zurzeit läuft ein neues Verfahren, das die von der Polizei vergewaltigten Frauen vor dem Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof gegen den mexikanischen Staat angestrengt haben. Dennoch holt die Verantwortlichen die brutale Repression in Atenco immer wieder ein: Als im Frühjahr 2012 Studierende gegen ein Wahlkampfveranstaltung von Enrique Peña Nieto an der Universidad Iberoamericana in Mexiko-Stadt protestierten riefen sie »Mörder« und »Atenco«. Damit traten sie die mexikoweite studentisch geprägte Protestbewegung Yo soy #132 los, die sich für mehr gesellschaftliche Demokratie und gegen die korrupte Politikelite sowie das Meinungsmonopol in den kommerziellen Medien engagierten. Auch wenn Peña Nieto die Präsidentschaftswahl anschließend trotzdem gewann, das Image des aalglatten Medienlieblings war durch die Erinnerung an seine Verantwortung für Atenco beschädigt und er war mehrfach gezwungen, sich öffentlich zu rechtfertigen.
Die Gewalt, Verfolgung und die Haft zentraler Aktivist_innen haben die Bewegung von Atenco jedoch stark gezeichnet, sie aber nicht gebrochen. Heute ist die Bevölkerung in Atenco gespalten und eine von staatlicher Seite voran getriebene geräuschlosere Privatisierung des Landes von Atenco droht die einstige Verhinderung des Flughafenprojektes zu Nichte zu machen. Daher versuchen Nacho und die FPDT nun erneut in die Offensive zu gehen. Heute setzen sie sich mit zahlreichen anderen Oppositionsbewegungen, darunter den Zapatistas, für eine radikale Veränderung Mexikos ein und suchen verstärkt auch den Kontakt zu gesellschaftlichen Kämpfen und Aktivist_innen auf der ganzen Welt.
Dies ist auch das Ziel der Rundreise von Ignacio de Valle, die ihn von Mai bis Juli in verschiedene Länder Europas und bis nach Kurdistan bringen wird. Begleitet wird er von der Latino-Ska-Punk-Band La Resistencia D’ México, die seit 20 Jahren mit ihrer Musik soziale Kämpfe in Mexiko begleitet (http://www.myspace.com/laresistenciademexico ). Ihre Reise steht im Zeichen des gegenseitigen Austauschs und des Verknüpfens von vielfältigen politischen und künstlerischen Widerstandsformen. Daher wollen sie Kollektive, Gruppen, Projekte sowie Aktionen, konkrete Kämpfe und gesellschaftliche Alternativen kennen lernen.
Begleitet werden sie von einem Filmteam, das eine Doku über diese Kämpfe und Widerstände dreht. Diese wird im August auf den Feierlichkeiten zum 10jährigen Bestehen der zapatistischen Räte der Guten Regierung Premiere feiern. In Deutschland werden sie zwischen dem 24. Mai und dem 1. Juni sein und an verschiedenen Demos sowie an Blockupy Frankfurt teilnehmen (genaue Termine siehe unten). Sie alle freuen sich darauf, überall in Austausch mit Aktivist_innen und ihren Kämpfen zu kommen — seid dabei!
Heiko Kiser und ¡Alerta! − Lateinamerika Gruppe Düsseldorf
Mehr Infos zum Kampf der Gemeinde Atenco in der Kurzdoku »La Herida Se Mantiene Abierta / The Wound Remains Open” (Spanisch mit englischen Untertiteln):
Website der FPDT (in Spanisch): http://atencofpdt.blogspot.de
Termine Rundreise Ignacio de Valle und La Resistencia D’ México
24. Mai: Düsseldorf (Vortrag und Austauschtreffen)
25. Mai: Solingen/Wuppertal (Teilnahme an der Demo zum 20. Jahrestag des rassistischen Brandanschlags in Solingen und abends Konzert in Wuppertal)
26. Mai: Frankfurt (Veranstaltung und Konzert)
27. Mai: Frankfurt (Teilnahme an der Demo gegen den Flughafenausbau, Austauschtreffen)
28. Mai: Hamburg (Aktivitäten und Austausch rund um das Thema „Recht auf Stadt«)
29. Mai: Hamburg (Veranstaltung und Konzert)
30. Mai: Blockupy Frankfurt
31. Mai: Blockupy Frankfurt
1. Juni: Blockupy Frankfurt
Weitere Bilder (ggf. Bildrechte beachten):
http://debatemx.files.wordpress.com/2012/05/atenco.jpg?w=177&h=236
http://sipaz.files.wordpress.com/2010/05/atenco.jpg
http://news.bbc.co.uk/nol/shared/spl/hi/pop_ups/06/americas_mexican_mutiny/img/1.jpg
http://www.narconews.com/images/cuerna_atenco_arrive.jpg
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