WTO in Cancun: Zwischenbilanz der Proteste

Poonal vom 12.09.2003
Von Andreas Behn, Poonal 590 vom 16.09.2003

 

(Cancun, 12 September 2003, npl ).- Wie am Vortag bei der offiziellen Eröffnung ist es akkreditierten Aktivisten erneut gelungen, am Sitz der Konferenz im Konventionszentrum zu demonstrieren. Knapp 20 Aktivisten riefen Parolen und zeigten Plakate, mit denen sie gegen die Folgen der Privatisierung von Gesundheitssystemen für die Menschen vor allem in armen Ländern protestierten.

Am Donnerstag Nachmittag gelang es mehreren Aktivisten einer Delegation der koreanischen Landarbeiter, deren Präsident sich am Mittwoch während der ersten großen Demonstration mit Messerstichen selbst getötet hatte, ebenfalls im streng kontrollierten Pressesaal des Konventionszentrums auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Auf einer improvisierten Pressekonferenz formulierten sie ihre Kritik an der WTO und forderten ihre sofortige Abschaffung. Um diese Forderung durchzusetzen, so die Sprecher der Delegation, habe sich Lee Kyang Hae am Vortag entschieden, in aller Öffentlichkeit "politischen Selbstmord" zu begehen. Die Koreaner zündeten Kerzen an, um des tragischen Todes des 56-jährigen zu gedenken.

Noch in der Nacht waren mehrere Demonstranten erneut an der Absperrung der Hotelzone aufgetaucht, um gegen die WTO und den Polizeieinsatz am Vormittag zu protestieren. Am Abend beriet der internationale Bauernverband Via Campesina, der bis gestern in Cancun das von gut 3.000 Aktivisten besuchte Campesino- und Indigena-Forum ausrichtet hat, ob ihr Zeltlager aus dem Zentrum Cancuns an den Kilometer Null des Boulevards Kukulkan verlegt werden sollte, an den Ort, wo sich der südkoreanische Bauernführer das Leben genommen hatte und wo die Polizei verhinderte, dass die Bauern bis zum Sitz der WTO-Tagung demonstrieren konnten.

Am Mittag wurde der Kilometer Null, der immer mehr zum Kristallisationspunkt der Anti-WTO-Proteste wird, erneut komplett abgesperrt. Der Stahlzaun, der am Vortag fast überrannt worden war, wurde mit Zementblöcken verstärkt und um 300 Meter nach hinten verlegt. Hundertschaften behelmter Polizisten stehen Hunderten Aktivisten gegenüber, die Stimmung ist gespannt. Zu einer Trauerfeier am Nachmittag kamen rund 1.000 Menschen zusammen, darunter auch Repräsentanten der lokalen Behörde.

Mehrfach erklärten die Bauern, die von der Presse vor Ort teilweise als "radikal und gewalttätig" bezeichnet wurden, dass sie ausschließlich friedlich agieren und demonstrieren würden, sich aber nicht damit abfinden werden, ihren Proteste nicht bis zum Konventionszentrum tragen zu dürfen. Zum Vorgehen mehrheitlich Jugendlicher, die tags zuvor die Polizei mit Steinen und Stangen angegriffen hatten, sagten Vertreter von Via Campesina, dass dies nicht ihr Methoden seien.

Mehrere Aktivitäten, die am nächsten Tag stattfinden sollten, wurden auf den großen runden Platz mit einem Brunnen in der Mitte — direkt am Eingang der Hotelzone — verlegt, darunter das im Zentrum geplante Musikkonzert. Afrikanische Gruppen riefen zu einer Demonstration unter dem Motto "Afrika steht nicht zum Verkauf" am gleichen Platz auf. Das Begrüßungskomitee der eher parteinahen Protestgruppen aus Mexiko erwog, sich an den Mobilisierungen auf dem Platz zu beteiligen und "mit eher phantasievollen Aktionen zu versuchen, die Lage etwas zu beruhigen," so eine Sprecherin gegenüber npl. Die Polizei hielt sich auffällig zurück, offenbar, um nicht erneut zu eskalieren, ergänzte die Sprecherin.


Quelle: poonal
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