Sprachrohr des Präsidenten oder mundtot - Zeitungen in Mexiko

Poonal vom 18.02.2014
von Lydia Cacho

 

(Mexiko-Stadt, 04. Februar 2014, cimac).- »Der Präsident hat nun mal das Recht, sich gegen die Medien zu wehren", sagte sein Pressesprecher.

Es gibt eine Reihe von zynischen MachthaberInnen, die korrupte Verhaltensweisen und Personen aufs Äußerste verteidigen, ebenso wie Kommunikationsmedien mit einem Mangel an Ethik. Auch im Internet gibt es jene SöldnerInnen, die hunderte von Persönlichkeiten annehmen, um die KritikerInnen des Systems anzugreifen.

Prestige, Ruf oder Privatleben zerstören

So versuchen sie auch den Ruf, das Prestige oder das Privatleben der JournalistInnen UnternehmerInnen und AktivistInnen zu zerstören, die sich offen gegen die Vorgehensweise der Regierung stellen. Dieses Vorgehen schwächt und zerschlägt die in einer Demokratie lebensnotwendigen Prozesse, wie faire Wahlen oder ein lokales Parlament, das der Gesellschaft mehr nützt als den Mächtigen.

Zahlenmäßig gibt es von diesen PolitikerInnen nicht viele, doch haben sie Zugang zu öffentlicher und wirtschaftlicher Macht, die es ihnen erleichtert, das Justizsystem zu ihrem Werkzeug für Bestrafung und persönliche Rache zu machen.

Zudem verfügen sie auch über die wirtschaftlichen Mittel, um tausende Exemplare verleumderischer Tageszeitungen zu drucken, die alles andere als investigativer Journalismus, sondern allenfalls als ein Produkt des »schmutzigen Krieges« der Regierung anzusehen sind. Solche PolitikerInnen nutzen öffentliche Mittel, um illegal jene auszuspionieren, die sie als ihre FeindInnen betrachten.

Die Pressemitteilung der Regierung als Aufmacher

Sie manipulieren Informationen und erfinden Geschichten, um die emotionalen Beziehungen, gemeinschaftlichen Netzwerke und beruflichen Verbindungen ihrer Opfer zu zerrütten. Außerdem haben Regierende und BürgermeisterInnen Strategien entwickelt, um verschiedene Kommunikationsmedien in den mexikanischen Bundesstaaten auszuschalten.

Dies tun sie bekanntlich mittels einer perversen Wechselbeziehung: Das Schalten von staatlichen Werbeanzeigen ist daran gebunden, dass Maßnahmen der Regierung einen Sendeplatz erhalten, über die dann — als Nachrichten getarnt — berichtet wird.

Pressemitteilungen der Regierung werden so zu einem Nachrichtenersatz, der die Titelseite beansprucht. Manche Medienchefs zensieren sich selbst, um Unstimmigkeiten mit Regierenden mit einer mafiösen Aura zu vermeiden.

Selbstzensur der HerausgeberInnen

Wenn die Regierung bei gewissen Medien um den »Gefallen« bittet, eine Geschichte zu verbreiten die jedoch nicht informieren soll, sondern darauf abzielt, KritikerInnen des Systems anzugreifen oder unglaubwürdig zu machen, dann wissen die HerausgeberInnen, dass ihre Weigerung, eine solche Nachricht zu verbreiten zur Folge haben kann, dass sie als nächste auf der Liste der Gebrandmarkten stehen.

Die Regierung weiß, dass es ziemlich wahrscheinlich ist, dass der Herausgeber oder die Herausgeberin die Nachricht bringen wird, um sich die Regierung nicht zum Feind zu machen.

Für die Gesellschaft beinhaltet dieses Thema die Überlebensfrage. Wir stehen den Machteliten gegenüber, die sich Korruption und Intransparenz als ihr unumstrittenes Recht angeeignet haben. Um ihre Macht aufrecht zu halten, haben sie es sich zur Aufgabe gemacht, die Weltanschauung massiv zu kontrollieren.

»Freundliche Hinweise«

Sie kontrollieren, worüber man spricht und ebenso, was nicht diskutiert werden darf. In den Regionen, wo das geschieht und die in dieser komplexen Situation gefangen sind, gibt es tausende von Personen, die in der Lage wären, sich sozial dagegen zu stellen und die Wahrheit ans Licht zu bringen. Diese Personen könnten den Blick auf die Wirklichkeit der Politik enthüllen, doch sie entschließen sich täglich aufs Neue, zu schweigen. Diese Strukturen der psychologischen Gewalt zermürben und verschleißen die Kräfte, die Gefühle und die Gesundheit dieser Menschen. Und sie wiegen letztlich schwerer als ihre soziale Verpflichtung.

Wer kann denn FirmeninhaberInnen beschuldigen, denen VermittlerInnen der Verwaltung »freundliche Hinweise« erteilen und die ihnen nahe legen, dass sie inhaftiert werden könnten, falls sie sich über die Regierung beklagen (wobei es dieselbe Regierung ist, die sie daran hindert, ihr Geschäft weiterzuführen, wenn sie nicht »besondere« Gebühren zahlen).

Der Gouverneur lässt grüßen

Wer kann eine zum Schweigen gebrachte Journalistin anklagen, deren neu geborenes Baby fotografiert worden ist, und der ein korrupter Kollege dieses Foto mit den Worten präsentiert: »der Gouverneur lässt dich grüßen«.

Die professionellen Kommunikationsmedien haben eine lebensnotwendige Funktion, die nicht durch soziale Netzwerke ersetzt werden kann, auch wenn diese als Raum für Meinungen einen Wert und ihre Gültigkeit haben, so übernehmen sie doch keine ethische Verantwortung. Dort wird nicht nach professionellen journalistischen Parametern recherchiert, die gesetzlichen Regeln folgen und sich gemäß den gerichtlichen und sozialen Folgen ausrichten.

#Werden diese Medien von Regierungskräften instrumentalisiert, so wird das Gesetzsystem zu ihrem Schutzschild und der »schmutzige Krieg« wird für jene, die es wagen ihn heraufzubeschwören, zerstörerisch sein.

Verstärktes Ungleichgewicht der Machtverteilung

Wie wir gesehen haben, gibt es Fälle, in denen ein schwerwiegendes Delikt konstruiert wird, um FirmeninhaberInnen, JournalistInnen und politische FeindInnen unglaubwürdig und handlungsunfähig zu machen. Die Herausforderung bestünde nun darin, in ganz Mexiko offen zu legen, dass diese Medien der politischen Rache von RegierungsvertreterInnen geschaffen wurden, um Lügen zu verbreiten, zu Gewalt aufzurufen und Widerspruch zum Schweigen zu bringen.

Da die Regierungskräfte nicht in der Lage sind, sich gegen tatsächliche, auf legalem Wege vorgebrachte Anklagen zu wehren weil sie journalistische Enthüllungen nicht zurückweisen können, greifen sie zur Selbstjustiz und kreieren ihre eigenen Medien. Dadurch schaffen sie eine Atmosphäre der Verfolgung und ein noch größeres Ungleichgewicht der Machtverteilung gegenüber in der Gesellschaft.


* Plan b ist eine Kolumne, die montags und donnerstags in CIMAC, El Universal und verschiedenen Tageszeitungen Mexikos veröffentlicht wird. Ihren Name verdankt sie dem Glauben daran, dass es immer auch eine andere Art und Weise gibt, die Dinge zu betrachten und viele Themen existieren, die sehr wahrscheinlich vom traditionellen Diskurs, dem Plan A, unbeachtet bleiben.

(Twitter: @lydiacachosi)


Quelle: poonal
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