Mexikanischer Geheimdienst spioniert Menschenrechtler von Tlachinollan aus

Poonal vom 21.12.2014
Von Gert Goertz, Mexiko-Stadt

 

Das Menschenrechtszentrum Tlachinollan im mexikanischen Bundesstaat Guerrero gehört zu den angesehensten Einrichtungen dieser Art in Mexiko. Es verteidigt die Grundrechte der Menschen in der Region und unterstützt sie häufig mit juristischer Beratung. Unter anderem, wenn es um die Beeinträchtigung durch Bergbaukonzerne in den Dörfern geht oder Übergriffe durch Polizei und Militär gegen die Zivilbevölkerung. In diesem Jahr feierte das Zentrum seinen 20. Geburtstag. »Tlachinollan« und sein Leiter Abel Barrera erhielten 2011 den von Amnesty International Deutschland verliehenen Menschenrechtspreis. Noch im November 2014 war Abel Barrera auf einer zehntägigen Rundreise in Deutschland. Er informierte ausführlich über den Fall der verschwundenen Studenten von Ayotzinapa. Mit Anwalt Vidulfo Rosales berät ein Mitglied von Tlachinollan deren Familienangehörige.

Während die Arbeit von Tlachinollan vielerorts geschätzt wird, bewerten der mexikanische Geheimdienst (Cisen) und die mexikanischen Streitkräfte das offenbar anders. Wie das Journalistenteam des mexikanischen Print- und Digitalmediums Reporte Indigo im Dezember enthüllte, nimmt das Zentrum für Forschung und Nationale Sicherheit (Cisen) die Mitarbeiter von Tlachinollan gezielt unter die Lupe. In den Unterlagen des Cisen werden Rosales und Barrera namentlich genannt. Ihnen werden Kontakte zu radikalen und subversiven Gruppen in Guerrero vorgeworfen. Beide seien »gefährlich für die Regierbarkeit«, so zitiert Reporte Indigo aus dem Archiv des Cisen.

Zusätzlich tat sich der mexikanische Minister für die Seestreitkräfte, Francisco Vidal Soberón Sanz, in diesem Monat mit ungewöhnlich politischen Äußerungen hervor. Die Marine wird seit mehreren Jahren verstärkt für Binneneinsätze mobilisiert. Soberón sprach in Bezug auf die Proteste und Aktionen, die die vollständige Aufklärung im Fall der verschwundenen und wahrscheinlich ermordeten Studenten von Ayotzinapa einfordern, von »manipulierten Familienangehörigen«. Verantwortlich seien »Gruppen und Einzelpersonen«, die nur Sonderinteressen verfolgten. Dies mache in »wütend«. Es war nicht nötig, dass der Minister dabei Tlachinollan und Anwalt Vidulfo Rosales direkt erwähnte. Die Meinungen darüber, ob Soberón Sanz gezielt als Sprachrohr der mexikanischen Regierung eingesetzt wurde oder seine Befugnisse als der Zivilgewalt unterstellter Militär mit seinem persönlichen Vorpreschen überschritt, gehen bei den politischen Beobachtern auseinander.

Abel Barrera macht »höchste Regierungsebenen« dafür verantwortlich, »uns, die wir uns seit Jahren der Menschenrechtsarbeit widmen, zu disqualifizieren, zu kriminalisieren und uns verstärkt angreifbar zu machen«. Vidulfo Rosales sieht hinter der Spionage »eine Einschüchterungs- und Demobilisierungsstrategie« gegen diejenigen, die Proteste organisieren. Hinter den Äußerungen des Marineministers vermutet er die Angst der Streitkräfte, die mutmaßliche Verwicklung von Militärs in die Attacken vom 26. September gegen die Lehramtsstudenten von Ayotzinapa könne untersucht werden. Die Familienangehörigen der Studenten antworteten dem redebeflissenen Militär, der sie mit Hinweis auf ihre »einfache Herkunft« indirekt für ignorant und unmündig erklärte, auf ihre Weise: »Ja, wir sind manipuliert worden — vom Schmerz, von der Wut, von der Empörung, dass sie unseren Fall nicht aufklären können. Wir werden manipuliert von unserem Herzen. Es sagt uns, wir müssen Gerechtigkeit einfordern.«


Quelle: poonal
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