Der Plan Puebla-Panamá

News vom 26.12.2003
Oeku-Buero München

 

Der Stand und seine Einschätzung in Mexiko und Zentralamerika

Am 22. Oktober 2001 ließ die mexikanische Regierung 5000 Hektar Landbesitz der Bauern von Atenco enteignen um einen Entlastungsflughafen für die Stadt Mexiko zu bauen. Auf den ersten Blick hat der Konflikt, der daraus entstand und nach neun Monaten Kampf im Juli 2002 mit dem Sieg der indigenen Landbevölkerung endete, nichts mit dem Plan Puebla-Panamá zu tun. Der Ort des Konfliktes, die Provinz Texcoco, liegt nicht im Südosten Mexikos, für den der PPP(1) gedacht ist. Aber Miguel Pickard von der Organisation CIEPAC(2) in San Cristobal de Las Casas, Chiapas, ist trotzdem davon überzeugt, dass die Niederlage bei diesem Megaprojekt, das dem PPP ähnelt, bei der mexikanischen Regierung einen Politikwandel ausgelöst hat. Wie dem auch sei, ein Wandel ist im Bereich des Plan Puebla-Panamá auf jeden Fall deutlich erkennbar.

Wandel in der Politik der mexikanischen Regierung beim Plan Puebla-Panamá

Die Zuständigkeit für das Projekt PPP ist von der Präsidentschaft auf das Außenministerium übertragen worden, was von politischen Beobachtern als Degradierung interpretiert wird. Seit diesem Zeitpunkt findet man im Internet keinerlei Information mehr zum PPP. Auch die Presse, die zuvor von der mexikanischen Regierung pausenlos mit Erfolgsmeldungen versorgt worden war, hat kaum noch etwas zu schreiben. Was ist passiert, dass sich die Beziehung zwischen der Regierung Fox und ihrem Lieblingsprojekt so offensichtlich abgekühlt hat?

Miguel Pickard nennt zwei Gründe, an erster Stelle die totale Zurückweisung des Projektes durch die "Begünstigten". In dem Projekt PPP ist zwar die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft offiziell über ein Programm mit dem Titel "Information, Beratung und Beteiligung" vorgesehen, sie ist aber nicht wirklich gewollt. Vor allem die Interamerikanische Entwicklungsbank (BID(3)), die wesentlich an der Finanzierung des Projektes PPP beteiligt ist, hat im vergangen Jahr diese "Zusammenarbeit" ostentativ vorangetrieben. So wurden auch in Chiapas — ein einziges Mal — interessierte Gruppen zu einer Informationsveranstaltung eingeladen. Dabei wurde aber sehr deutlich, dass die angebliche Bürgerbeteiligung keine ist, sondern nur eine Alibifunktion hat. Denn alle Interessierten sahen auf den ersten Blick, dass die präsentierten Pläne nicht mehr aktuell sondern längst veraltet waren. Da half es auch nichts, dass mit Herbert Taylor der oberste mexikanische Regierungsbeauftragte aufgeboten worden war. ähnliche Erfahrungen werden auch von den Gruppen in den zentralamerikanischen Ländern berichtet.

Finanzierungsprobleme

Das zweite Problem, mit dem der PPP zu kämpfen hat, ist die fehlende Finanzierung. Dies wurde öffentlich im Juni des vergangenen Jahres auf der Konferenz der Regierungschefs, der am Plan beteiligten Länder, in Mérida, Mexiko. Dort wurde der Bericht einer Kommission (4) bekannt, aus dem hervorgeht, dass von dem zu diesem Zeitpunkt geschätzten Bedarf von 4,2 Mrd. US-Dollar 48 % noch ohne Finanzierung waren. An dieser Situation hat sich in der Zwischenzeit nichts wesentliches geändert. In einem weiteren Bericht vom August dieses Jahres (5) schätzt die Finanzkommission die Kosten inzwischen auf mehr als 5,1 Mrd. US-Dollar wovon immer noch 45 % ohne Finanzierung sind.
Im mexikanischen Staatshaushalt für das Jahr 2002 waren für PPP 750 Mio. US-Dollar ausgewiesen, im Jahr 2003 nur noch 203 Mio. All dies sind Indizien dafür, dass die Regierung Fox mit ihrer Politik zum PPP in Schwierigkeiten ist. Was bedeutet das für die Zukunft des Megaprojektes?
Offizielle Regierungsaussagen sind dazu natürlich nicht zu bekommen. Die Antwort auf entsprechende Fragen ist, "Wir organisieren uns um". Miguel Pickard macht darauf aufmerksam, dass es im Augenblick immer schwieriger wird, zu beurteilen, was nun wirklich geplant ist. Die Projekte sind ohnehin schon unpräzise und dazu ist im Augenblick die Regierung auch noch extrem informationsunwillig. Früher hat der Gouverneur von Chiapas, Pablo Salazar, bei Einweihungen von Infrastrukturprojekten die Segnungen des Plan Puebla-Panamá immer mit großen Worten gepriesen. Seit einem Jahr weiht er weiter neue Teilstücke der selben Straßenprojekte ein, aber ohne den PPP auch nur zu erwähnen. Für Miguel Pickard ist dieser Wandel charakteristisch für die Politik der mexikanischen Regierung: So weit es die finanziellen Gegebenheiten zulassen, werden die Projekte weiterverfolgt, in kleinen Schritten und mit wesentlich weniger Pomp als früher. So hofft man wohl, der Ablehnung in der Bevölkerung aus dem Wege gehen zu können. Wegen der Finanzierungsprobleme ist es gut möglich, dass nicht alles in den Dimensionen entstehen wird, wie es die heutigen Planungen vorsehen. Aber dort wo die Finanzierung steht, wie z. B. bei dem geplanten Elektrizitätsverbund, wird sicherlich die Realisierung weitergehen. Dieses Projekt, das mit 320 Mio. US-Dollar inzwischen zu 100 % finanziert ist, erfreut sich auch der Unterstützung der Europäischen Union. Die Europäische Investitionsbank hat im Mai dieses Jahres einen Kredit von 40 Mio. US-Dollar dafür bereitgestellt (Inforpress Centroamericana, 18. Mai 2003).

Wasserkraftanlagen am Río Usumacinta

Eines der umstrittensten und am stärksten umkämpften Projekte des gesamten Plan Puebla-Panamá sind eine Reihe von Wasserkraftanlagen am Río Usumacinta, dem Grenzfluss zwischen Mexiko und Guatemela. Im Juni 2002 gaben die beiden Regierungen Pläne bekannt, dass dort drei kleinere und eine große (130 m Höhe) Staustufe gebaut werden sollten. Das führte zu sofortigen Protesten der benachbarten indigenen Gemeinschaften in Chiapas, Mexiko und im Petén, Guatemala. Daraufhin widerriefen offizielle Regierungsstellen die Ankündigungen. Die Frage nach dem tatsächlichen Planungsstand ist sehr schwer zu beantworten. Miguel Pickard gibt dem Projekt aber wenig Chancen. Er nennt dabei folgende Gründe:
- Das Projekt zieht ungeheure internationale Aufmerksamkeit auf sich, da berühmte archäologische Stätten überflutet würden, d. h. man kann nichts heimlich machen.
- Es gibt jetzt schon sehr starken Widerstand auf beiden Seiten der Grenze. Es würde damit Gelände überflutet werden, dass indigenen Völkern gehört. Die EZLN(6) hat jetzt schon mitgeteilt, dass sie das nicht akzeptieren würde.
- Die Finanzierung ist bisher völlig ungeklärt. Es müssten Kredite aufgenommen werden, was die jetzt schon sehr hohe Außenschuld weiter steigern würde.
Offizielle Aussagen zu den Staudämmen am Rio Usumacinta gibt es nicht. Miguel Pickard hält es für sehr wahrscheinlich, dass Machbarkeitsstudien zu dem Projekt laufen, weil dafür Geld im Haushalt vorhanden ist. Interessant wird es in zwei Monaten, dann wird die Regierung den neuen Haushalt vorlegen, der Aufschluss über mögliche Investitionen geben wird.
In Guatemala ist abgesehen von diesem Projekt der Plan Puebla-Panamá kein Problem, dass die Bevölkerung oder die Interessierten stark beschäftigt. Im Unterschied zu Mexiko steht in ganz Zentralamerika der Plan Puebla-Panamá eindeutig im Schatten des Interesses, das die Verhandlungen zu dem Freihandelsvertrag zwischen Zentralamerika und den USA dort im Augenblick erwecken. Die ablehnende Haltung und die Grundeinschätzung des Projektes sind aber ähnlich wie bei den vergleichbaren Gruppen in Mexiko, man sieht im PPP die Ergänzung zu den Handelsverträgen, das Infrastrukturprogramm, das den multinationalen Konzernen und den Maquila-Unternehmen buchstäblich den Weg ebnet. In Mexiko hat der Plan Puebla-Panamá zusätzlich noch erhebliche Bedeutung in der nationalen Politik. Er ist eng verknüpft mit dem seit fast 10 Jahren ungelösten Problem EZLN. Die mexikanische Regierung unter Vicente Fox hat die Lösung des Chiapas-Konfliktes zu einer ihrer politischen Prioritäten gemacht und eine Zielrichtung des Plans Puebla-Panamá ist erklärtermaßen, dass er von der Regierung als Beitrag zur Friedensfindung in Chiapas angesehen wird. Ohne auf die hinter dieser Idee sich verbergende neoliberale Ideologie einzugehen, kann man sagen, dass dieser Frieden ohne eine einvernehmliche Lösung der Verfassungsfrage nicht zu erreichen ist. Nur wenn sich die Regierung dazu bekennt dass es in Mexiko in Zukunft "freie Selbstbestimmung und Autonomie der indigenen Völker" geben soll, gibt es eine Chance zum Frieden. Statt dessen bedroht der PPP gerade die indigenen Gemeinden. Die Bedrohung der Indégenas ergibt sich aus den Naturschutzambitionen des PPP. Man macht sich Sorgen um den Fortbestand der biologischen Vielfalt und will Gebiete wie die Urwälder Chiapas vor dem Verschwinden schützen. Um dies zu erreichen sollen die Menschen, die jetzt in dem Gebiet leben, vertrieben werden. Kritiker, wie die Leute von CIEPAC, haben den Verdacht, dass es eher darum geht, den Boden dafür zu bereiten, dass Pharma- und Saatgutkonzerne unbeobachtet Bioprospektion betreiben zu können. Der Verdacht scheint begründet zu sein, wie das Beispiel der US-Naturschutz Organisation "Conservation International" (CI) beweist. CI ist seit vielen Jahren im lakandonischen Urwald mit Projekten wie Ökotourismus und Umweltschutz tätig. CI hat aber auch Abkommen mit bekannten Konzernen, die auf dem Gebiet Biotechnologie. Pharmazeutik und Samenproduktion tätig sind, wie z. B. der mexikanische Samen-Konzern Pulsar und die US- Pharmazeutikfirma Bristol-Myers Squibb. Es fällt sehr schwer, daran zu glauben, dass diese wichtigen Geldgeber absolut uneigennützig handeln.
In Nicaragua ist im Augenblick konkret von den geplanten Megaprojekten noch nichts zu sehen. Es gibt nur Gerüchte und Ideen. Gerüchte von einer geplanten Staustufe in Bocana de Paiwas, wo der Paiwas an seiner Einmündung in den Río Grande de Matagalpa gestaut werden soll, und natürlich die Idee vom "Canal Seco". Diese Horrorvision einer 1 km breiten Schneise aus Eisenbahn, Autobahn und Ölleitung quer durch Nicaragua für den Güterverkehr zwischen Atlantik und Pazifik, passt hervorragend in die Ideologie des Plan Pueblo-Panamá, ist aber kein konkreter Bestandteil des Planes. In der nationalen nikaraguanischen Politik spielt aber im Augenblick ein anderes Thema eine große Rolle, das sehr viel mit dem Plan Pueblo-Panamá zu tun hat, der nationale Entwicklungsplan.
Der Nationale Entwicklungsplan Nicaraguas und der Plan Puebla-Panamá
Nachdem die Regierung im Dezember des vergangen Jahres schon ein Dokument zur nationalen Entwicklungsstrategie veröffentlicht hatte, stellte Präsident Enrique Bolaños am 12. September der nikaraguanischen Nation den lang angekündigten nationalen Entwicklungsplan vor.
Das gewichtige Werk, 446 Seiten, zielt auf nicht weniger als die nächsten 25 Jahre. Es verspricht die Verdoppelung des Pro Kopf Einkommens, Exportsteigerungen und große Investitionen in die Infrastruktur des Landes. Der Plan baut ganz klar auf dem PPP auf. Nicht nur, dass man sich allgemein auf den PPP beruft, dass "Nicaragua in naher Zukunft vor der Herausforderung steht, die die Verwirklichung des Plan Puebla-Panamá mit sich bringt", sondern vor allem die Planung der nikaraguanische Infrastrukturmaßnahmen, setzt die Nord-Süd Verbindung, den im PPP sogenannte "Pazifischen Korridor" voraus. Diese Straße, die Zentralamerika besser mit dem Absatzgebiet für seine Maquila-Produkte im Norden, den USA, verbinden soll, ist das zentrale Projekt des gesamten Plan Puebla-Panamá. Der nationalen Entwicklungsplan, soll die im PPP vorgesehene Nord-Süd Verbindung durch West-Ost Verbindungen ergänzen. D. h. auch die bisher so vernachlässigte Atlantikküste mit freien Produktionszonen "entwickeln". Oder wie es der nikaraguanische Beauftragte für den Plan Puebla-Panamá, Ernesto Leal, ausdrückt: "Der PPP ist ein kostbares Instrument, ein Werkzeug um Entwicklung in dieser Gegend (Atlantikküste) zu schaffen.." (La Prensa, 5. Oktober, 2003)

Fußnoten:
1 PPP — Plan Puebla- Panamá
2 IEPAC — Centro de Investigaciones Economicas y Politicas de Acción Comunitaria
3 BID — Banco Interamericano de Desarollo,
4 Informe de la Comisión de Financiamiento del Plan Puebla-Panamá, 15. 06. 2002
5 Informe de la Comisión de Financiamiento del Plan Puebla-Panamá, Agosto 2003
6 EZLN — Ejército Zapatista de Liberación Nacional

Was ist der Plan Puebla-Panamá (PPP)

Der Plan Puebla-Panamá ist eine mexikanische Initiative, die vorgibt, dem wirtschaftlichen und sozialen Nord-Südgefälle in der Region entgegenwirken zu wollen.
Außer auf die neun mexikanischen Südstaaten Puebla, Veracruz, Tabasco, Campeche, Yucatán, Quintana Roo, Guerrero, Oaxaca und Chiapas, zielt er auf alle zentralamerikanischen Länder Guatemala, Belize, Honduras, El Salvador, Nicaragua, Costa Rica und Panama.
Der PPP basiert auf einem Entwurf aus der Zeit der Präsidentschaft Zedillos und stammt von dem damaligen Unterstaatssekretär im Finanzministerium Santiago Levy. Er wurde von dem mexikanischen Präsidenten Vicente Fox im November 2000 den zentralamerikanischen Regierungschefs vorgeschlagen, und am 15. Juni 2001 in einer Regionalkonferenz in San Salvador von den beteiligten Staaten unterzeichnet.
Am 27. und 28. Juni 2002 fand eine Konferenz der Regierungschefs in Mérida, Mexiko statt, die wohl den Fortschritt des Projektes dokumentieren sollte.
Der Plan umfasst Projekte in den folgenden acht Bereichen:
1. Nachhaltige Entwicklung
2. Menschliche Entwicklung
3. Vorsorge und Bekämpfung von Naturkatastrophen
4. Ausbau des Tourismus
5. Erleichterung des Handelsaustausches
6. Ausbau der Verkehrsnetze
7. Elektrizitätsverbund
8. Zusammenarbeit auf dem Telekommunikationssektor
In den beteiligten Ländern wurden von den Regierungen Koordinatoren ernannt, die unter anderem jeweils für einen Projektbereich verantwortlich sind. So ist zum Beispiel der nicaraguanische Beauftragte Ernesto Leal für den Bereich "Nachhaltige Entwicklung" zuständig. Die Projektleitung wechselt halbjährlich.
In Planung und Finanzierung sind die in der Region aktiven multinationalen Organisationen beteiligt, wie z. B.
- Interamerikanische Entwicklungsbank (Banco Interamericano de Desarollo, BID)
- Zentralamerikanische Bank für Wirtschaftsintegration (Banco Centroamericano de Integración Economica, BCIE)
- UN-Wirtschaftskommision für Lateinamerika (CEPAL) aber auch das der Privatindustrie nahestehende Wirtschaftsinstitut
- Instituto Centroamericano de Administración de Empresas (INCAE).
Der benötigte finanzielle und zeitliche Rahmen liegt offiziell noch nicht fest.Zu den Kosten gibt es einen aktuellen Bericht der BID aus dem August dieses Jahres (Informe de la comisión de Financiamiento del Plan Puebla-Panamá). Daraus geht hervor, dass über 94 % des Gesamtbetrags von etwas mehr als 5,1 Mrd. US-Dollar für Infrastrukturprogramme (Ausbau der Verkehrsnetze, Elektrizitätsverbund und Telekommunikationssektor) gedacht sind.
Es handelt sich hierbei um einen "Anfangsbedarf". Inoffizielle Schätzungen kommen auf eine Gesamtbedarf von 9 bis 25 Mrd. $ für einen Zeitraum von zehn Jahren. Von Florencio Salazar, dem damalige mexikanischen Koordinator des PPP, gibt es die Aussage aus dem April des Jahres, dass sich dieser Betrag zu 57 % auf mexikanische und zu 43 % auf zentralamerikanische Projekte aufteilen würde. Die Mittel sollen über den privaten Bankensektor und multinationale Finanzinstitutionen besorgt werden. Dabei scheint die Interamerikanische Entwicklungsbank eine Schlüsselrolle zu spielen.
Das Selbstverständnis der Initiatoren geht deutlich hervor aus der Präsentation des Planes durch die Mexikanische Regierung, wo es hieß:
Frage: Was ist der Plan Puebla-Panamá?
Antwort: Er ist Förderer, Erleichterer von produktiven Investitionen, welche Arbeitsplätze schaffen.

(ea)
"Der Plan Puebla-Panamá"
Erschienen in: Info-Blatt 61 des Ökumenischen Büros München November 2003
www.oeku-buero.de

 

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