Unser Blick auf die Hydra: Die Methode, die Bibliographie ...

... und ein Drone in den Tiefen der Berge des Südostens von Mexiko

Kommunique vom 04.05.2015
SupGaleano
übersetzt von: Christine, RedmycZ

 

4. Mail 2015.

Guten Tag oder Guten Mittag.

Dieses Mal werde ich nicht viel Ihrer Zeit rauben, damit Sie die graphische Ausstellung genießen können und damit Sie auch ein wenig zum Ausruhen kommen, denn das Saatbeet wird von Tag zu Tag komplizierter.

Das heißt, ich werde versuchen, mich darauf zu beschränken, Ihnen einige Ratschläge zu geben, die Sie selbstverständlich nicht befolgen werden und Ihnen die absurdeste Geschichte erzählen, die mir jemals untergekommen ist.

Wir haben unsere Teilnahme so organisiert, dass der Subcomandante Insurgente Moises und ich abwechselnd teilnehmen.

Das ist wie eine Arbeitsteilung: ich verwirre Sie, er klärt Sie auf.

Ich drücke mich kompliziert aus, er sagt es einfach.

Wir machen es so, weil beides Formen sind, um das kritische Denken darzustellen und wir glauben, dass wir sowohl die eine als auch die andere erlernen und berücksichtigen müssen.

Denn hier handelt es sich nicht darum, Anhänger für die eine oder andere Richtung der Analyse zu gewinnen oder der Form, wie die eine oder die andere Richtung ihre Analyse darbringt, sondern darum, Ideen zu provozieren, Gedanken, Diskussion, Debatten. Nicht um einen angeblichen ideologischen Gegner zu besiegen, sondern um die Fragen aller, der Männer, Frauen und der andereRen , die sie uns soeben gestellt haben - und zwar: wie geht es weiter? - zu beantworten.

Wir Zapatistinnen und Zapatisten glauben, dass es eine Reihe von grundlegenden Konzepten gibt, die wir zum analysieren verwenden, und es gibt auch eine Reihe von grundsätzlichen Voraussetzungen.

So zum Beispiel haben wir zu diesem Saatbeet als kritisches Denken angesichts der kapitalistischen Hydra einberufen.

Daher nehmen wir als gegeben an dass:

1. Das im Moment dominierende System der Kapitalismus ist und somit dominiert auch seine Logik auf der Welt.

2. Dieses kapitalistische System nicht nur in einem Aspekt des gesellschaftlichen Lebens dominiert, sondern dass es viele Köpfe hat, das heißt, verschiedene Formen und Vorgehensweisen um in unterschiedlichen und mannigfaltigen gesellschaftlichen Feldern zu dominieren. Um es in Worten des Mädchens der zapatistischen Abwehr auszudrücken: der großköpfige Kapitalismus beißt nicht nur auf einer Seite, er beißt von allen Seiten zu.

3. Dass es ein beunruhigendes Element bei der kapitalistischen Hydra gibt. Wenn man die Hydra als das mythologische Tier nimmt, dann wissen wir, dass sie viele Köpfe hat, wenn du einen abschneidest, dann wachsen zwei nach und einer ist wie das Herz der Hydra, der Mutterkopf könnte man dazu sagen. Aber es gibt eine andere Hydra, das kleine Tier, das nicht nur seine zerstörten Fangarme wiederherstellt, es passt sich auch an, mutiert und ist fähig, sich aus einem der Teile komplett zu erneuern.

Jene die an der kleinen zapatistischen Schule teilgenommen haben und die Textbücher studiert haben, erinnern sich vielleicht, dass wir immer wieder betonten, dass das System unterschiedliche Formen hat, um uns anzugreifen und dass diese Formen sich ständig ändern.

Vielleicht gibt es die Gelegenheit, darüber später zu sprechen, im Moment reicht es, darauf hinzuweisen, dass wir uns nicht auf ein mythologisches Monster beziehen oder ein Tier des Geschlechts der hidrozoos hidroides, Raubtier und kleiner als zwei Zentimeter, sondern wir sprechen von einem wirklichen Monster. Das blutigste und grausamste die die Realität oder die Fiktion je gekannt haben, seit die Menschheit sich in Unterdrücker und Unterdrückte geteilt hat.

Natürlich, es kann sein dass jemand behauptet, dass der Kapitalismus nicht das aktuelle dominierende System sei, oder schon, aber nur im wirtschaftlichen Sinn, oder nur im politischen Sinn oder nur was die Geschlechter betrifft.

Oder es kann auch sein, dass jemand behauptet, dass der Staat der Kopf und die Mutter der kapitalistischen Hydra sei und nicht die gesellschaftlichen Beziehungen der Produktion, wo es die gibt, die das Kapital haben und die, die nichts anderes haben als ihre Arbeitskraft.

Oder dass die Kämpfe gegen die unterschiedlichen Köpfe der Hydra zweitrangig seien und dem Hauptkampf, welcher immer das ist, untergeordnet werden müssten. Zum Beispiel, dass der Geschlchterkampf zweitrangig sei und der Kampf um die politische Macht darüber stehe.

Gut, es wird argumentiert, analysiert. Und der Realität GEGENÜBERGESTELLT.

Dazu sind wir hier. Um unten und links eine Debatte zu starten, reich an Ideen und Analysen und arm an Qualifizierungen. Das heißt, wir müssen das nicht in eine Version der Social Media verwandeln, wo der Austausch von Eigenschaften nicht über 140 Charaktere hinausgehen darf.

4. Es gibt da ein Element, das wird nicht ausdrücklich erwähnt, ist aber fundamental: die Praxis. Was uns veranlasste, diese theoretischen Überlegungen zu beginnen — wir hoffen nämlich, dass es mehr Saatbeete geben wird — ist nicht der Wunsch, unser kulturelles Gepäck zu vergrößern, neue Wörter zu lernen, Argumente zu haben um zu verbinden oder zu lösen oder um zu zeigen, dass wir immer unverständlicher werden. Was hier auf dem Spiel steht und dann dort, wo jeder/jede nach seiner/ihrer Zeit, seine/ihre Art, seinem/ihren Ort sich befindet, ist die Veränderung einer Realität.

Daher, die wir hier unter uns allen die Verantwortung übernehmen müssen, diese Reflexion zu erhalten und zu verstärken, das sind wir die Sexta. Einfach deshalb, weil uns viele Dinge unterscheiden, aber eines vereint uns: wir haben uns entschlossen, das System herauszufordern. Nicht um es zu verbessern, nicht um es zu verändern, nicht um es zu überschminken, sondern um es zu zerstören.

Und das, seine Zerstörung, das erreicht man nicht mit den Gedanken, obwohl, eh klar, es wird nicht an jenen fehlen, die sagen, dass wir unseren Geist verbinden müssen und alle nur mit echtem Glauben und Beharrlichkeit wiederholen müssen »verschwinde, verschwinde ». Nein, aber die Gedanken helfen uns zu verstehen, wem wir gegenübertreten müssen, wie das funktioniert, welche Art es hat, seinen Kalender, seine Geographie. Um den Ausdruck der kleinen Schule zu verwenden: die Formen, in denen es uns angreift.

5. Auch wenn wir davon ausgehen, dass das kapitalistische System das dominierende ist, dann wissen wir sehr wohl auch, dass es nicht allgegenwärtig und unsterblich ist. Es gibt Widerstände. Ob wir die kennen oder auch nicht. Das System auferlegt seine Herrschaft nicht glatt und ohne Unterbrechungen. Es trifft auf Widerstände, ja auch von oben, aber die von unten sind die, die eine Bedrohung darstellen. Wie wir gesagt haben: wir sprechen nicht über etwas, das vielleicht sein könnte, wir sprechen darüber, weil wir es bereits tun. Und ich glaube, es ist allen klar, dass ich da nicht nur über den Zapatismus spreche.

6. Weder Theorie ohne Praxis, noch Praxis ohne Theorie, so haben wir gesagt. Aber das meinen wir nicht, wenn wir von Arbeitsteilung sprechen: hier sind die, die denken, dort die, die praktizieren. Was wir betonen wollen ist, dass jene, die die Theorie machen, Praxis machen müssen, wir wagen fast zu behaupten, als eine wissenschaftliche Methode, aber das kritische Denken beinhaltet dieses Gift: wenn es nur Denken ist, dann kann es nicht kritisch sein. Und wer die Praxis macht, muss darüber nachdenken. Nicht nur deshalb, wenn ein Theoretiker erklärt und leitet, dann endet es damit — wie soll ich das ausdrücken — gut dann endet es damit, dass er voller Beklommenheit nicht mehr weiß, ob er wählen soll oder nicht. Auch und vor allem deshalb, weil wir uns vor Augen halten müssen, dass unser Kampf kein Ablaufdatum hat, sondern ganze Generationen betrifft. Diese theoretischen Reflexionen müssen jenen dienen, die folgen, wenn von unserem Kalender das letzte Blatt abgerissen wird. In einem Wort: Erbe.

7. Weder das Faulpelz-Denken, noch dogmatisches Denken, noch lügenhaftes Denken.

Wir wissen nicht, wie das bei Ihnen ist, aber wir Zapatistinnen und Zapatisten wären zu faul zum denken, wenn wir in einer institutionalisierten politischen Partei wären.

Wenn wir Dogmen wollten, wären wir eine politische Sekte, Entschuldigung, wollte sagen religiöse.

Und wenn wir mit den Windmühlen kommunizieren wollten, dann würden wir uns nach den Geboten der bezahlten Kommunikationsmedien richten.

Das kritische Denken hat als Motor das Hinterfragen. Warum diese und nicht die andere Sache? Warum so und nicht anders? Warum hier und nicht an einem anderen Ort? Fragend schreitet man voran, sagen wir Zapatisten und Zapatistinnen.

8. Es gibt kein Achtens, denn klar, ich habe gesagt, dass ich Ihnen nicht viel Zeit rauben werde und doch fehlen mir noch einige Sachen für heute und eine anachronistische Geschichte.

-*-

Es sind schon einige Monde vorbeigegangen, seit wir uns in einem Winkel dieser Berge des Südostens von Mexiko getroffen haben, eine Gruppe von Compañeras und Compañeros der Generalkommandatur der EZLN. Das Ziel war das »kreuzen« von Informationen, die wir eingeholt hatten, sowohl in den Comunidades wie auch außerhalb von denen.

So handhaben wir es. Es ist nicht die Analyse einer Person, die bestimmt, was ja und was nein, sondern der Austausch von Analysen, Überlegungen, von Gedanken. Was die Compañeras und Compañeros der zapatistischen Unterstützungsbasen richtigerweise als »Austausch« bezeichnet haben.

Ich hoffe, dass Zeit und Möglichkeit bleibt, dass wir uns darüber später auslassen können, im Moment reicht es zu sagen, dass es nicht immer so war.

In diesem Meeting gab es etwas, das in allen Informationen gleich lautete: man sah Veränderungen in der aufständischen Ökonomie der Comunidades, in der lokalen Ökonomie, in der nationalen und internationalen.

Nachdem wir sprachen und zuhörten, kamen wir zum Schluss, dass wir dasselbe sahen: eine profunde Krise kommt auf uns zu, nicht nur eine ökonomische sondern auch eine ökonomische ein Unwetter.

Zusammenfassend war jener Austausch in jenem Morgengrauen folgende:

Die Zeichen?

Eines.- Eine wirtschaftliche Krise, wie sie noch nie dagewesen ist. Was wir jetzt sehen, das sind nur die ersten Regenfälle, das schlimmste kommt erst. Die Wirtschaftswissenschaftler von oben haben darauf hingewiesen, dass die Turbulenzen in wenigen Monaten überwunden würden um vorwegzunehmen, dass es Jahre sein werden. Sie dürfen die Wahrheit nicht sagen: dass sie nicht die leiseste Idee haben, wohin uns diese Krise führen wird. Denn es ist so, dass es sich nicht nur um eine Wirtschaftskrise handelt. Man muss das mit den Umweltkrisen multiplizieren, die nicht naturgegeben sind, denn sie sind das Ergebnis einer nicht naturgegebenen Ursache: die Verwandlung von allem, inklusive des elementarsten — Wasser, Luft, Licht und Schatten, Erde und Himmel — in Ware. Daraus resultiert ihre Ausbeutung, weit weg von jeder elementaren Logik. Aber nicht nur das, hinzu kommen die vorsätzlichen Katastrophen, aber über die sprechen wir später.

Ein anderes: Das Abhandenkommen der Legitimität der »traditionellen« Institutionen (Parteien, Regierung, Rechtssystem, Kirche, Armee, Polizei, Massenmedien, Familie) und das absolute Fehlen des Versuches, diese wiederzugewinnen.

Noch ein anderes: Die skandalöse Korruption in der politischen Klasse, die der Psychopathie sehr nahe kommt. Die Verkommenheit ist derart, dass die wirkliche Macht, das Geld, darüber entrüstet ist. Es geht so weit, dass sie fürchten, dass alles, was die willkürliche Tyrannei nicht erreichte, die Korruption der Regierenden zustande bringen wird: eine Rebellion auslösen.

Noch eines mehr: Wir befinden uns vor einer Realität, die heute in einem Wort zusammengefasst werden kann: Ayotzinapa. Für uns Zapatistinnen und Zapatisten ist Ayotzinapa nicht die Ausnahme sondern die aktuelle Regel. Da sehen wir das Familienbild des Systems auf der ganzen Welt.

Es hieß, dass die organisierte Kriminalität oder der Drogenhandel in die Politik eingedrungen sei. Es war umgekehrt: die Bräuche und die Gepflogenheiten einer korrupten politischen Klasse (wie die mexikanische, im Fall unseres Landes, aber mehr als eine Nation erfüllt dieselben Voraussetzungen) haben sich zum organisierten Verbrechen verlagert.

Wie sollen wir es sagen? Habt ihr gesehen, wie in den Medien und im Theater die Völkermörder und Serienkiller als gefühllos dargestellt werden? Gut, die moderne politische Klasse ist nicht so, sie ist nicht gefühllos. Sie spüren sehr gut und sie haben Gefühle. Nur, das sind keine Gefühle von Scham, Gewissensbisse, Zerknirschung. Nein, sie genießen es. Wir befinden uns nicht vor etwas Mechanischem, das foltert, mordet, zerstückelt und verschwinden macht oder das Opfer ausstellt. Nein, es handelt sich darum, dass das Verbrechen ausgekostet wird. Die Macht fühlen und lieben, wenn eine Person von ihrem Heim vertrieben wird, wenn sie von ihrem Boden vertrieben wird, wenn ihr ihre Güter entrissen werden, wenn man ihr das Entsetzen lehrt, wenn man ihr ihre Verletzlichkeit zeigt, ihre Schutzlosigkeit betonen, sie erniedrigen, sie verschmähen, sie zertreten, sie ermorden, sie im Leben und im Tod ermorden. Ohne weiteren Grund als die Ausübung der Macht und deren Ausübende auf der ganzen Achse, die die soziale Pyramide durchzieht: vom Machthaber bis zum »Familienoberhaupt«, an Gouverneuren, Abgeordneten, Richtern, Polizisten, Verrätern, Geschäftsführern, Abteilungschefs, Vorarbeitern und Gutsverwaltern vorbei.

So gibt es zum Beispiel welche, die glauben, dass die Art, wie die mexikanische bundesstaatliche Regierung und die Politikerklasse insgesamt das Verbrechen von Ayotzinapa konfrontierten, zeigte deren Schwäche, Ungeschicklichkeit und Unfähigkeit. Kann sein. Was wir Männer und Frauen gesehen haben und sehen war, dass sie das verwalteten und jeden ihrer Schritte genossen. Sie jubelten mit jeder Träne der Familienangehörigen. Sie feierten die Wut und Machtlosigkeit. Das Lesen oder Anhören jeder der Erzählungen der Überlebenden, der Mütter und Väter von denen, die uns fehlen, erfüllte sie mit Lust. Wenn die normalen Menschen vor Schrecken erstarrten und Mitleid empfanden, gab es dort oben Wonne. Die von der Regierung mit diesem Fall Beauftragten, wie der Staatsanwalt, gingen so weit, bis sie von der Tragödie übersättigt waren. Wir stehen nicht der schamhaften, wohlhabenden Klasse von früher gegenüber, die die Ausführung der Verbrechen an andere delegierte (Polizei, Armee, Paramilitärs). Nein, denen von jetzt genügt es nicht mehr, auf der Vip-Loge und in der ersten Reihe zu sein. Sie möchten das Vergnügen, über Leben, Besitz und Geschichten zu entscheiden, direkt verspüren. Seite an Seite mit den Auftragskillern sind jetzt die Erben der wirklichen Macht.

Noch ein anderes: Obwohl die alten Strukturen der politischen und ökonomischen Macht noch hin und wieder aufscheinen, um irgendeine Unsinnigkeit zu sagen, sind sie nichts anderes als Schutt von dem was sie einmal waren. Die großen ehemals nationalen Unternehmen sind jetzt nichts anderes als Namensgeber, hinter denen sich das große Weltkapital verbirgt, und alle, wirklich alle sind durch das internationale Bankwesen gebunden und ihm unterworfen. Eine Ironie: sie fürchteten sich immer vor denen von unten und wurden von denen von oben ausgeplündert. Es hat nichts geholfen, die Paramilitärs zu fördern (»Brigada Blanca« in Mexiko und die »GAL« in Spanien), im »schmutzigen Krieg« in allen UNTEN der Welt. Jetzt trösten sie sich gegenseitig in den wie immer dekadenten socialite-Seiten der Zeitungen, Zeitschriften, der frivolen Programme und im feisbuc , das ist nämlich billiger.

Und während sich die Nostalgiker der wirtschaftlichen Macht von einst streiten und neu ordnen, weil es scheint, dass der Pöbel sich erhebt, nehmen die großen Monarchen des Geldes, die statt ihren Namen in der FORBES-Liste einen Sitz in den Aufsichtsräten der Aktionäre und Banken des Emporiums haben, Position ein. Jene die wirklich befehlen, kaufen Grundstücke, in Konkurs gegangene Unternehmen, »qualifizierten Kader«. Die Arbeit der »Personalreinigung« führen jene Geschäfte aus die — obwohl sie das noch nicht wissen — in Konkurs gehen werden. Und dann kommen die Großen, bereits ohne dem Laster von Gewerkschaft, Kollektivverträgen, Vertrauenspersonal.

Die repressiven Kräfte — selbstverständlich nationale — errichtet unter dem Alibi der Verteidigung gegen die Bedrohung von außen und der internen Überwachung — machen lächerliche Knixe vor ihren Vorgesetzten in der Metropolis. Das war schon richtig, das über die durch externe Interessen angetriebene Destabilisierung, aber die interne Bedrohung trug nicht Guerilla-Kleidung sondern kam in Anzug, Krawatte und mit importierten Leibwächtern. Sie kamen nicht mit Feuerwaffen, Molotow-Cocktails, subversiven Handbüchern sondern mit Krediten mit endloser Laufzeit....und unbezahlbar.

Sind Sie entsetzt über die Skandale, die in den Kommunikationsmedien oder in den Social Media aufscheinen oder aufschienen? Finden Sie die Villen von Peña Nieto und Videgaray skandalös? Die Korruption in den Regierungen auf den unterschiedlichste Punkten des Planets? Gut, wenn Sie sich wirklich erschrecken wollen, dann besorgen Sie eine Konversation »off the record« mit irgendjemand von den großen bezahlten Medien. Drehen Sie das Rollenspiel um, anstatt interviewt zu werden, fragen Sie. Fragen Sie nicht, was publiziert wurde, fragen Sie, was verschwiegen wurde. Nicht weil das zensuriert wurde sondern deshalb, weil es als nicht mal der Nachforschung wert, einer journalistischen Notiz unwürdig erachtet wurde. Dann werden Sie vor Ekel und Entsetzen erbrechen. Wenn Sie wollen, bleiben Sie, und hören Sie die Rechtfertigungen an (Staatsräson, die Menschen sind nicht vorbereitet, um die gesamte Wahrheit zu erfahren — gut, nicht mal ein Teil von ihnen, sie haben uns bedroht, das Gehalt, das Projekt, der Job, das Leben).

Noch eines und Schluss dann: Die Krise die kommt, wird kein Telegramm schicken noch sich mit Monumenten oder Transparenten ankündigen. Nein, sie wird ihren Fuß in die Tür stellen, bevor Sie diese zuwerfen können. Sie wird durch die Fenster eindringen, durch die Ritze. Sie wird sich durch die Schlitze der Nachrichten des gerade modernen Skandals drängeln. Kennen Sie das, dass sich die Revolution nicht ankündigt? Gut, die Krise sehr wohl, aber anscheinend nimmt das niemand zur Kenntnis.

Die Krise kann man nicht in einem blauen Volkswagen-Käfer verstecken, noch unter einem beigen Poncho. Man kann sie nicht ins Gefängnis einsperren, nicht zum Verschwinden bringen, nicht umbringen. Man kann sie nicht in die Liste der Verschwundenen eintragen. Noch sie in den Gängen des Kongresses verhandeln, bei der UNO noch beim internationalen Währungsfonds.

Ach richtig. Eine Krise wie diese kommt nicht allein. Gaukler der gesamten Geschichtsschreibung sind dabei: Propheten, Leader, Nothelfer, neue Religionen, die Veränderung liegt bei dir selbst, hilf dir selbst dann helfe ich dir, positives Denken, »lächle, wir werden gewinnen«, »wir werden ihr schlimmster Albtraum sein«.

Die Kultur? Die Kunst? Die Wissenschaft? Das werden geheime Aktivitäten sein, wenn sie unabhängig sind. Wenn sie bezahlt sind, werden sie weniger wert sein als das Trinkgeld für den »valet parking« des gerade modernen Clubs. Ironie: entsetzt über die Piraterie (bitteschön das heißt »alternative Produktion«), aber Angestellter der großen Unterhaltunsunternehmen werden, das heißt, das produzieren was der Zahler befiehlt.

Jetzt gut. Und wenn es nicht so ist? Wenn das nur Halluzinationen der Zapatisten sind? Wenn das lokale und nationale »freie Unternehmertum« seinen Schritt auf eine bessere Zukunft hin lenkt? Wenn die internationalen Bankensystem nicht das Eigentum von Familien, Ländern und Kontinenten raubt? Wenn der Kapitalismus auf der ganzen Welt die Verschiedenheiten und die Vielfalt anerkennt?

Wenn die Linksparteien ihren Prinzipien und Programmen Vorrang geben gegenüber ihrem Streben nach Posten? Wenn die Regierenden sich beim Berauben zurückhalten und einen Gutteil ihrer Beute dafür verwenden, um die Sozialversicherung wieder auf Vordermann zu bringen? Wenn es nur ein kurzzeitiger Regen ist, einige Wolken, die ohne Aufhebens wieder verschwinden?

Wenn das alles geschieht, das heißt, wenn nichts geschieht, dann können Sie antworten: hat es geschadet, dass Sie sich organisiert haben? Stört es Sie, dass Sie zusammen mit anderen Männern, Frauen und AndereRE ihr Schicksal in die eigene Hand genommen haben? Ist es Ihnen lästig, andere Männern, Frauen und AndereRE die gleich oder anders als Sie sind angehört zu haben? Sind Sie ärmer, weniger Mensch? Fühlen Sie sich leer, unrealisiert, nutzlos?

Die Welt, Ihre Welt, ist sie besser oder schlechter?

-*-

Erlauben Sie mir jetzt, dass ich jetzt zu unserer Versammlung zurückkehre, dort in einem unserer Winkel.

Nachdem wir gesehen hatten, dass es echt beschissen ist, sind wir, wie man so sagt, zum beratenden Teil übergegangen.

Zwei Dinge wurden da beschlossen: das eine lautete, sich für die Zeit der ökonomischen Krise vorzubereiten, das andere, unseren Compañeroas der Sexta das mitzuteilen und AnderEre, der Sexta oder Nicht-Sexta zu fragen, was sie sehen.

Das erste war nicht schwierig. Die zapatistischen Dörfer — organisiert im Widerstand - können sich dieser Probleme stellen, weil sie das ja bereits machen, und im Kollektiv machen.

Das zweite war schwieriger. Zwei riesengroße Hindernisse richteten sich vor uns auf: die Geographie und der Kalender.

Als Zapatisten haben wir das Glück, Compas in den unterschiedlichsten Geographien zu haben. Obwohl es möglich war, ein internationales Event einzuberufen — so wie wir das schon früher gemacht hatten — wäre der reflexive Charakter, den die Situation erforderte schwer zu erfüllen gewesen. Trotzdem, auch wenn man diesen Ort der Analyse und Reflexion schaffen könnte, wäre das zentralisiert und das bedeutet, dass nur einige Menschen teilnehmen können und viele, die Mehrheit, nicht präsent sein würde. Das Finanzielle war nicht das einzige Problem, da waren auch die Okkupationen und Kämpfe jeder und jedes einzelnen an seinem Ort.

Ganz zu schweigen vom Kalender.

Daher dachten wir, einen Anfang zu machen und unsere Compañeros, Compañeras und Compañeroas der Sexta zu bitten, dass sie weitermachen mögen und dass sie abhängig von ihrer Zeit, ihrem Ort, nach ihrer Art ihre eigenen Räume schaffen mögen.

So kam es zur Idee dieses Seminars, oder besser gesagt Saatbeetes, damit das Mädchen, die zapatistische Abwehr nicht denkt, dass wir Pfarrer heranbilden.

-*-

Gut, jetzt der Rat:

Vor vielen Jahren waren dieser Austausch, von dem ich euch erzähle, nicht möglich, zumindest nicht direkt. Der Kontakt zwischen den einzelnen Zonen war sehr sporadisch und oberflächlich. Die Verbindungsbrücke, mit der sie kommunizierten, war die EZLN, im speziellen die Generalkommandatur. Dort trafen die unterschiedlichen Berichte ein, dort wurden sie ausgewertet, »gekreuzt« und dort sah man, was geht und was nicht. Natürlich, es gab auch nicht viel zum Auswerten. Wir waren zerstreut und die Abgeschiedenheit, die uns schützte, begrenzte uns auch.

Wir wuchsen. Eine Bewegung wie die zapatistische leidet unter diesem Fluch: Wachsen. Und ich meine damit nicht das Wachsen in der Anzahl, sondern der Probleme, der Herausforderungen. So ist es, wie unsere Geschichte geschaffen wird und wie wir sie zu der unseren machen.

Erinnert ihr euch an die Wahl zwischen dem Baum oder den Wald? Gut, wir Zapatistinnen und Zapatisten schauen auf die Wurzel.

Wir haben es schon früher gesagt, aber jetzt erinnere ich wieder daran: Unsere Rebellion ist unser »NEIN« zum System. Unser Widerstand ist unser »JA« für andere mögliche Dinge.

Wir haben auch darauf hingewiesen, dass unsere Meta-Theorie unsere Praxis ist.

Gut, Sie wissen ja, dass es dann so ist, dass der Grad der Seriosität einer theoretischen Reflexion an der Anzahl der bibliographischen Referenzen gemessen wird. Es heißt und man schreibt »wie der XY oder die Dings da in diesem oder jenem Buch schrieb«. Klingt ein bisserl komisch, aber je mehr XY und Dings da in einem theoretischen Text vorkommen, umso ernsthafter und anerkannter... und umso langweiliger. Na, das ist ja gar nicht wahr. Es ist sehr gut, diese Gedanken zu lesen und zu hören, obwohl es dann so ist, dass unsereiner dann weiß, was der oder die gedacht haben, aber keine Ahnung darüber hat, was der Autor denkt. Und unserereiner, unsereine, unsereinErE, denkt sich »na so was, wenn es dazu diente um uns zu sagen, was der andere sagte, dann wäre es besser gewesen, uns auf diesen anderen Text zu verweisen oder hätte einfach die Methode »copy paste« verwendet.

Kurzum, was ich Ihnen sagen wollte ist, dass für alles was wir schreiben und sagen, der zapatistische Widerstand unsere Bibliographie ist.

Vielleicht haben Sie das nicht gemerkt, obwohl ich glaube schon.

Jetzt haben Sie hier Ihre eigene drone um sich hinszubeugen und eine Gesamtsicht vom zapatistischen Widerstand zu bekommen. Natürlich, einige Männer, Frauen, EinigEr von Ihnen können sagen, dass sie in den zapatistischen Comunidades waren und den Widerstand kennen. Aber ich beziehe mich nicht auf den Widerstand einer Comunidad. Ich spreche vom zapatistischen Widerstand als eine kollektive Bemühung. Den Widerstand von innen gesehen.

Gut, der drone, dessen Privileg Sie jetzt haben, heißt Subcomandante Insurgente Moisés. Durch seine früheren Arbeiten und durch seinen momentanen Posten kennt er wie niemand sonst die Genealogie des zapatistischen Widerstandes, seine Geschichte, sein wie er dahin gelangte was er ist, das was uns sagen lässt, wie Sie es gestern gehört haben: hay lum tujbil vitil ayotik.

Hören Sie zu. Lesen Sie es. Durch seine Worte können Sie in eine schreckliche und wunderbare Geschichte Einsicht nehmen. Sie werden verstehen, dass er wie ein unterirdischer drone ist und Sie werden das Privileg eines Blickes aus den Tiefen der zapatistischen Widerstandes haben.

Was ich Ihnen sagen werde, das werden andere Männer und Frauen, AnderErE sicherlich besser sagen oder schreiben als ich, mit mehr überprüfbaren Daten, mit besseren Argumenten, mit schlagenderen Schlussfolgerungen .

Aber was er Ihnen erzählen wird, das werden Sie nirgends sonst finden, nicht einmal, wenn Sie mit ihm sprechen. Denn es ist so, dass er sich für Sie als Kollektiv vorbereitete und genau das ist es, durch ihn sprechen wir als Kollektiv.

Daher lautet mein Ratschlag, fehlen Sie nicht bei den Tagungen, wo er spricht.

Natürlich werden wir Ihnen nicht sagen, wann genau er dran ist und wann ich. Das deshalb, damit ich nicht allein hier hocke wenn ich über Katze-Hund, rissige Mauern, Fußball und Handball spreche.

/Hier erzähle ich Ihnen eine Anekdote: als Sie am 2. Mai bereits von Oventik weggefahren waren, begann es zu regnen, ein richtiges Unwetter, aber die Unterstützungsbasen setzten den Tanz fort und auch die Sportevents. Ich saß in einem Winkel und hörte dem Erzähler zu, denn sie haben immer einen Chronisten, der das Spiel kommentiert. Dann kam die Prämierung. Gut, wissen Sie, wie das weibliche Handballteam heißt, welches gewonnen hat? Es heißt: »Die Unterlegenen«/

Sherlock Holmes und Euclides, Tippfehler, geplante Katastrophen, Niederlage des Geschlechts, Yolao hilft, der Krieg, immer der Krieg.

Daher machen wir eine Umfrage darüber, wer die Eingeladenen mit dem höchsten Rating sind, damit ich dort hingehen kann, wo ich zum Doc Raymundo sagen kann »Nur Mut Doc!« und er, edel und großzügig antwortet mir »Nur Mut Sup!«.

SupGaleano.

Mexiko, 4. Mai 2015.

Aus dem Notizheft der/des Katze-Hundes.

Anmerkung: Ich wollte diese Geschichte in Format tuitero erstellen, ich schaffte es nicht. Stellen Sie sich vor, vor einigen Tagen sah ich im tuiter, dass ein User oder eine Userin oder einE usarioa ein komplettes Kommuniqué mit reinen Fragmenten bestehend aus 140 Zeichen wiedergab. Ich war nicht böse. Ich war neidisch, weil er/sie es besser machte als ich. Alsdann los:

»Das Schiff«

Ich muss darauf hinweisen, dass die Geschichten der/des Katze-Hundes ganz anders sind. Es wurde schon früher erwähnt, dass zum Unterschied von traditionellen Märchen nach dem Schema »es war einmal...«; die zapatistischen Geschichten (aber nicht nur die Geschichten, aber das ist ein anderes Thema) mit »es wird einmal sein...« beginnen. Gut, nun ist es so, dass die der/des Katze-Hundes so beginnen: »es ist dieses Mal so...«. Das heißt, die Geschichten der/des Katze-Hundes sind supermodern, denn sie geschehen in der »Echtzeit«. Gut denn, es ist so dass:

»Es ist dieses Mal so...

Ein Schiff. Gross, so als wäre es eine Nation, ein Kontinent, ein ganzer Planet. Mit all seiner Besatzung und seinen Hierarchien, das heißt, mit seinen oben und vielen unten. Seinen Kämpfen, wer befiehlt, wer mehr besitzt. Das Normale also an einem Ort, wo es oben und unten gibt. Dann war es also so, dass dieses dünkelhafte Wasserfahrzeug nur so dahin schwankte, ohne klaren Kurs und das Wasser auf beiden Seiten aufwühlte. Wie das in diesen Fällen so ist, forderte der Offizierskorps die Ablöse des Kapitäns. Kompliziert, wie die Dinge gewöhnlich sind, wenn die von oben etwas in Angriff nehmen, entschieden sie, dass tatsächlich die Zeit des Kapitäns abgelaufen war und dass es notwendig war, einen neuen zu ernennen. Die Offiziere diskutierten untereinander und disputierten, wer mehr Verdienste ansammelte, wer besser ist, wer viel mehr ist.

Das Geschrei drang bis in die Tiefen des Schiffes, unter der Wasserlinie, dort wo die Mehrzahl der Besatzung lebte und arbeitete. Nicht, damit sie nicht gesehen würden, das war nicht so wichtig. Es ist was anderes, um es in klaren Worten auszudrücken: das Schiff bewegte sich dank ihrer Arbeit. Das Durcheinander war nichts Neues für die von unten. Sie wussten sehr genau, dass die von oben sich von Zeit zu Zeit um den Kapitänsposten stritten. Dem Schiffsbesitzer war das egal, ob es der eine oder der andere war. Das Einzige, was ihn interessierte war, dass das Schiff produktiv sei, dass es Waren auf allen Meeren hin und her bewegt.

Gut, jetzt war es so, dass unter denen, die unten arbeiteten, eine Gruppe war, die war ganz anders. Nachdem es sich um Männer, Frauen und AnderErE handelte, werden wir sie ab jetzt »der/die AnderErN« bezeichnen. Der/die AnderErN waren kleine Wesen, schmutzig, hässlich, schlimm und verwendeten Schimpfwörter. Und das allerschlimmste: sie frisierten sich nicht.

Nachdem die anderen auf dem Schiff nicht wussten, dass es Personen gab, die sich nicht in die Schemen, die man ihnen zuteilte einteilen lassen, sagten sie einfach dass die der/die AnderErN in Realität außerirdische Wesen seien die sich des Schiffes bemächtigen wollen, um es auf eine andere Galaxie zu befördern. Zum Glück zweifelte der Kapitän an diesen Gerüchten und nominierte eine Kommission von erlauchten Intellektuellen um eine wissenschaftliche Erklärung über die beunruhigende Existenz der der/die AnderErN zu liefern. Die Intellektuellen versammelten sich in einem exklusiven Saloon, der nur für diesen Zweck errichtet wurde und nach einigen Tagen und nach dem Kassieren eines beträchtlichen Honorars veröffentlichten sie die Ergebnisse ihrer Studien. Der/die AnderErN, sagten sie, sind keine außerirdischen Wesen. Genau genommen sind sie made in China, und die Chinesen haben sie in China hergestellt und sie haben sie dann auf den Mars geschickt, damit sie dann von dort aus auf dem Schiff landen würden, um die Industrie der Kämme, Bürsten, Shampoons, Gels, Friseure und Schönheitssalons zu sabotieren. Der Kapitän des Schiffes beglückwünschte die Wissenschaftler mit einem konfusen tuit, so wie das zu ihm passt. Die Fachzeitschriften verbreiteten die Entdeckung.

Nah, das ist ja alles nicht wahr, aber wenn Ihnen das wie eine absurde Erklärung erscheint, es gibt noch viel schlimmere in den bezahlten Kommunikationsmedien.

Aber kehren wir zum Schiff zurück.

Der/die AnderErN, wie sie so sind, setzten mit den Verfluchungen der von oben fort und machten Unfug, welcher — man kann es nicht leugnen — die Offiziere irritierte. Das heißt, von Zeit zu Zeit organisierten sie Rebellionen. Daher hielten die Offiziere große Reden über die interplanetaren Bedrohungen, sie sahen sich gegenseitig an und kalkulierten, wie sie die Gelegenheit für sich ausnützen könnten und gaben den Befehl, Ordnung in den ungeordneten Haufen zu bringen, das heißt zu den der/die AnderErN.

Der/die AnderErN riefen die anderen Menschen auf, sich aufzulehnen. Aber die meisten von denen, die unten arbeiteten mischten sich nicht besonders ein, mehr noch, nicht selten applaudierten sie, wenn jemand von der/die AnderErN hinauf auf das Deck gebracht wurde, und unter großen Reden der Offiziere über die Vernunftmässigkeit der Befehlenden und die Vernunftwidrigkeit der Rebellion gezwungen wurden, ins Meer zu springen. .

Gab es Haifische? Jene die unten arbeiteten, wussten es nicht. Noch mehr, darüber was oben und draußen geschah, das erfuhren sie nur, wenn ihnen die Offiziere Informationen zukommen ließen. Trotz der unumgänglichen Verluste setzten der/die AnderErN ihre Störmanöver fort mit ihrem »weder Gebieter noch Meister, weder Herr noch Befehlender« und anderen ebenso anachronischen Ideen, wie das vom »das Schiff muss denen gehören, die es schiffen«. Das Schiff schlingerte weiter dahin ohne etwas in Sicht, dass es durch irgendetwas gehindert wurde. Von Zeit zu Zeit wird ein/eine AnderErN nach oben gebracht, um ins Meer geworfen zu werden. Wie lautet die Anschuldigung, Verurteilung, Strafe? Dem Henker ist das egal. Es reicht ihm festzustellen, dass das Wesen schmutzig, hässlich, schlimm und unflätig ist um zu wissen, dass es schuldig ist, wenn auch nur dessen, das zu sein, was es ist. Aber dieses Mal geschieht etwas Unvorhergesehenes. Der Streit unter den Offizieren wegen der Nachfolge des Kapitäns hat soviel Trubel verursacht, dass niemand die obligate Rede hielt, die Lobhudeleien über den Fortschritt und die guten Sitten. Der Henker, der ein Gewohnheitstier ist, weiß nicht was tun, denn es fehlt ihm etwas. So sucht er einen Offizier, der die Tradition einhält. Um es auszuführen, ohne dass dem Beschuldigten-Gerichteten-Verurteilten die Flucht möglich sei, schickt er ihn zum Teufel, das ist in den »Mastkorb des Spähers«, besser bekannt als »Rabennest«.

Der Posten des Spähers im Mastkorb am oberen Ende des höchsten Mastes des Segelschiffes wurde von der ganzen Besatzung als Strafposten angesehen. Sei es wegen des Windes, des Regens, der Sonne, der Eiseskälte, der Stürme, das »Rabennest«. wurde als Zweigstelle der Hölle angesehen. Von dort sah man den Feind, unbekannte Hinterhalte, Monster und Katastrophen, wohlhabende Hafen, wo Waren ausgetauscht werden (das heißt, Menschen), unverständliche Inseln, die von den AnderErN bewohnt waren. Egal welche Nachricht man gab, alles wurde von den Offizieren mit Unmut und missvergnügt quittiert. Wenn es sich um feindliche Schiffe handelte, verteilte der Kapitän alles ohne mit der Wimper zu zucken und dann stieß er mit dem Offizierskorps über den Fortschritt an, den diese Beraubung an Deck gezaubert hatte. Ja, das klingt total verrückt, aber so sieht es auf dem Deck dieses Schiffes aus. Wenn das, was sich am Horizont abzeichnete Monster und systemische Katastrophen waren, dann feierten die jeweiligen Befehlshaber die Modernität... oder die Postmodernität, je nachdem, welche Mode die neuen Navigationspläne anordneten. Wenn es sich um unbekannte Hinterhalte handelte, dann wurden unter der Besatzung sofort Flugblätter und Zettel verteilt.

Darin wurde aufgefordert, das Panorama optimistisch zu sehen, es wurde zur Meditation aufgefordert, das persönliche Wachstum und die Nächstenliebe anzustreben. »Die Veränderung beginnt in dir selbst«, war gewöhnlich der Titel des Zettels, die in großer Anzahl gedruckt wurden.....und die fast niemand las. Mehr mit Unzufriedenheit denn mit Ärger wurde die Nachricht über den nahliegenden Zielhafen aufgenommen. Von den Gewinnen aus dem Kauf und Verkauf der Waren erhielten die Offiziere einen ordentlichen Bissen, der ihnen immer zu klein erschien. Nachdem die Gewinne sehr groß waren, so klein der Bissen auch war, reichte es sehr gut, dass die Offiziere sich neue Kabinen bauten oder mit prunkvollen Statuen die nautischen Museen schmückten, in denen sie ihre Linie hochpriesen.

Wer diese Erzählung hört glaubt, dass auf diesem Schiff alles irrational und überkandidelt ist, und er/sie hat Recht. Wenn sie oben auch noch so sehr an der Form ihres Zusammenlebens schneiderten, ihre Etiketten aufstellten, die guten Gewohnheiten einhaltend, die Hierarchien beachtend, war das Ganze doch nichts anderes als abartig. Und eine ernsthafte Analyse der Organisation des Schiffes würde zu dem Schluss kommen, dass die größte Absurdität darin besteht, dass das Leben des Bootes, das was erlaubt, dass es schwimmt, sich unter der Wasserlinie, im tiefsten Grund des stolzen Schiffes befindet. Trotz aller wissenschaftlicher und technologischer Fortschritte, der Nuklear-Turbinen, der tablets 4G-lte, der Bilder in HD-Auflösung, des fast Food, ist der Hauptmotor dieses Schiffes der Mensch.

Wenn jene, die mir zuhören aufmerksam die Organisation des Schiffes, das ich beschreibe beobachten, werden sie merken dass, obwohl die, die unten sind, die Seefahrt möglich machen, indem sie nicht nur das Notwendige zum Funktionieren des Wasserfahrzeuges produzieren sondern auch die Waren, die dem Schiff Sinn und Ziel geben, sie nichts besitzen außer ihre Fähigkeit und ihr Wissen, um diese Arbeit auszuführen. Sie haben auch keine Möglichkeit, über die Organisation zu entscheiden, damit sie ihr Ziel erreichen. Es sind die Offiziere am Deck, die dies entscheiden. Natürlich achten sie auf die Form, von Zeit zu Zeit tun sie so, als ob sie die Meinung der Seemänner und Seefrauen — denn auf diesem Boot zählt die Geschlechtergleichheit — berücksichtigen würden. Dafür organisierten sie früher ein seltsames Spiel, welches darin bestand, ihnen verschieden Farben vorzulegen und sie wurden aufgefordert, eine auszuwählen. Die Farbe die von der Mehrheit gewählt wurde — eh klar — diente dann dazu, um das Schiff damit zu streichen und es wurde sogar eine eigene Fahne als Erkennungszeichen angebracht. Aber es änderte sich nichts, der Eigentümer war der gleiche, gleich das Reiseziel und die Organisation des Schiffes blieb unverändert. Ich sage »früher«, denn der Offizierskorps war sehr an den modernen Neuerungen interessiert und verdrängte dann diesen Prozess mit den der Meinungsumfragen: welche Farbe gefällt Ihnen besser? Glücklicherweise hat die Modernität das Schamgefühl derer, die auf dem Deck sind nicht ganz ausgelöscht und sie setzen den Formalismus der Wahl darüber, welche Farbe die schönste ist, fort.

Trotz alledem werden die Stürme des Meeres immer stärker. Es tauchen immer mehr und immer häufiger feindliche Schiffe auf und sie werden immer aggressiver. Wenn jemand, der mir zuhört glaubt, dass der Offizierskorps — angesichts seiner voraussichtlichen Geschicklichkeit —die Form findet, um mit Erfolg diese neuen Bedrohungen abzulenken, der irrt sich. Beschäftigt damit, mehr Gewinn aus dem kleinen Teil, den sie zusammenraffen, herauszuschlagen, sind die Offiziere immer geschickter geworden. Ja, aber um Tausende Formen zu entdecken, wie sie mehr für sich bekommen, nicht nur von dem, was sie unten rauben sondern auch, was sie denen ihres Standes entreißen können. Tatsache ist, dass jene, die dafür garantieren müssten, dass die interne Organisation des Schiffes weiter funktioniert, damit es seine Funktion weiter erfüllen kann, faktisch abgetreten sind. Das Schiff funktioniert schon seit langer Zeit aus Gewohnheit.

Aber kehren wir zum Hauptdarsteller dieser Erzählung und seinem bitteren Schicksal im Mastkorb zurück.

Dass dieses Franchise der Hölle sich oben befindet, war nur eines dieses Paradoxon, die das gerade zuständige Meer bevölkerten. Entgegen dessen, was man annehmen möchte, stieg das fragliche Wesen, der/die AnderErN voller Begeisterung hinauf. Geschickt, wie das normal ist bei denen von unten, kletterte er/sie/es mit löblicher Behändigkeit auf den höchsten Masten und nahm am engen Sitz des Spähers Platz.

Es war nicht wenig, was sein Blick umfasste.

Er/sie/es schaute auf das Deck und verweilte einen Augenblick am Leitspruch, den der Eigentümer des Schiffes in Bronzetafel an der Vorderseite des Schiffes eingravieren ließ: »Bellum Semper. Universum Bellum. Universum Exitium«.

Der/die AnderErN verstand kein Latein. Gut, ich auch nicht. Aber jemand hat das übersetzt und wir können sagen, das heißt so viel wie »Immer Krieg. Weltweiter Krieg. Weltweite Zerstörung«

Während wir nach dem Weg suchen, wie wir Der/die AnderErN die Übersetzung zukommen lassen, beobachtet das Wesen weiterhin das Geschehen auf Deck. Da gibt es zum Beispiel eine Tribüne voller Fähnchen, alle haben dieselbe Farbe, weiter drüben eine andere, wieder Fahnen derselben Farbe und noch eine und noch eine. Es ist lustig, aber was in der Nähe aussieht, wie wenn es viele Farben und verschiedene Formen wären, von der Ferne betrachtet sieht man, dass alle Tribünen das gleiche Design haben und alle dieselbe Farbe. Gelangweilt blickt der/die AnderErN auf den Horizont. Erbebt. Kneift die Augen zusammen doch das Gesehene bleibt. Steigt wieder auf das Deck hinunter und klettert durch die Luke, die in den unteren Teil des Schiffes führt.

Unten sucht es sein Heft und beginnt, unverständliche Zeichen zu malen. Ruft der/die AnderErN und zeigt ihnen das Heft. Der/die AnderErN sehen sich an, schauen in das Heft, sie sehen sich wieder an und beginnen, eine alte Sprache zu sprechen. Weiß Gott was sie sagen, denn es ist kein Übersetzer in der Nähe aber nach einer kurzen Zeit, in der sie sich anschauen und mitfeiernder sprechen, beginnen sie fieberhaft zu arbeiten.

Tan-tan.«

Ich weiß, ich war ebenso entrüstet wie Sie es jetzt sind. Ich protestierte: »Was heißt hier »tan-tan«? Was hat es vom Späherposten aus gesehen? Was hat es in sein Heft gezeichnet? Was haben sie miteinander gesprochen? Was ist dann passiert?«

Die/der Katze-Hund miaute-bellte: »Das wissen wir noch nicht«.

Dann miaute-bellte sie/er: »Diese 4 Wörter sollten alle jene, die sich Sozialwissenschaftler nennen, lernen zu gebrauchen«.

Danke.

 

Quelle: http://enlacezapatista.ezln.org.mx/2015/05/04/el-metodo-la-bibliografia-y-un-drone-en-las-profundidades-de-las-montanas-del-sureste-mexicano-supgaleano-4-de-mayo-de-2015/


 

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