Mexikanische Maiswirtschaft in Gefahr

Poonal vom 23.12.2003
Von John Ross und Roberto Roa

 

(Mexiko-Stadt, 5. Dezember 2003, npl).- Die ergiebige Maisernste des Novembers, die die Speicher auch der kleinen, oft indianischen Landwirte in Mexiko gefüllt hat, kann nicht darüber hinweg täuschen, dass eine der ältesten Maiskulturen der Welt um ihre Existenz bangen muss. Hunderten verschiedenen, oft einzigartigen Maissorten droht die Verdrängung durch Importe aus dem Norden: Im Rahmen des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA schwemmt billiger Industriemais nach Mexiko, der zu einem großen Teil auch noch genetisch verändert ist.

Im Jahr 2002 importierte das Maisland Mexiko sechs Millionen Tonnen Mais aus den USA. Dort wird das Agrarprodukt seitens der Regierung mit rund 50.000 US-Dollar pro Hektar Anbaufläche subventioniert. Dadurch können US-Farmer ihren Mais zu einem Preis 20 Prozent unterhalb der Produktionskosten in Mexiko anbieten. Vor allem kleine Landwirte werden durch diese Billigimporte um ihre Marktanteile gebracht. Erleichtert wird dieser Deal durch die soeben abgeschlossene Privatisierung des Mais- und Getreidevertriebs: Jetzt kontrollieren multinationale Unternehmen wie Cargill Corporation und der weltgrößte Tortillahersteller Maseca, der zu einem Drittel dem Gentech-Unternehmen Archer Daniels Midlands gehört, den Maismarkt in Mexiko.

Eine direkte Folge der Existenzbedrohung der Maisbauern ist die zunehmende Migration in Richtung Norden. Seit Unterzeichnung des NAFTA 1992 hat die Auswanderungsbewegung in die USA stark zugenommen. Trotz aller Gefahren beim illegalisierten Grenzübertritt suchen Hunderttausende Mexikaner dort nach einer neuen Existenz. Über 3.000, viele von ihnen ehemalige Maisbauern, starben in den letzten zehn Jahren bei dem Versuch, die streng bewachte Grenze zu überwinden.

Doch auf lange Sicht schlimmer noch als der künstlich gesenkte Preis ist die Tatsache, dass der importierte Mais zum Teil genetisch manipuliert ist, wodurch die mexikanische Maisvielfalt zu einem Museumsstück degradiert wird. Greenpeace schätzt, dass vier von den sechs Millionen Tonnen importierten Mais’ genetisch verändert sind. Da es den US-Farmern verboten ist, ihren Genmais in die EU oder nach Japan zu exportieren, wird dieser vor allem Richtung Mexiko verschifft, sagt Greenpeace-Sprecher Humberto Magallones.

Die schnelle Ausbreitung des Genmais überrascht sogar seine Kritiker. Obwohl dieser künstliche Mais erst seit fünf Jahren nach Mexiko eindringt, erreichte er bereits abgelegene Gegenden wie Calpulapan in der nördlichen Sierra von Oaxaca. Dem Nationalen Ökologischen Institut Mexikos zufolge hat der Genmais von 22 untersuchten Regionen in Puebla und Oaxaca bereits 16 kontaminiert, teilweise bis zu 60 Prozent.

Inzwischen hat Greenpeace eine regelrechte Kampagne gegen die Genmais-Importe nach Mexiko ausgerufen. Bereits während der Konferenz der Welthandelsorganisation WTO im September im mexikanischen Cancún bewarfen Aktivisten US-Repräsentanten mit Maiskörnern. Zudem versuchten sie mit einem eigenen Schiff, die Fahrt eines Maisfrachtern von New Orleans nach Veracruz zu verhindern.

Laut Greenpeace verletzt der Export von genverändertem Mais das Biodiversitäts-Protokoll von Cartagena. Ganz anders sieht dies die Biotech-Industrie, die in ihren genveränderten Produkten eine Maßnahme gegen den Welthunger sieht. Obwohl in Mexiko vor drei Jahren der Import von Genmais ausgesetzt wurde, um dessen Auswirkungen auf die heimische Landwirtschaft zu untersuchen, setzen die großen Biotech-Firmen die mexikanische Regierung ununterbrochen unter Druck. Derweil breitet sich der genmanipulierte Mais weiterhin ungehindert in Mexiko und auch den Ländern südlich davon aus, da er oft illegal dem Exportmais beigesetzt wird — und einmal im Land, verdrängt er aufgrund seiner größeren Resistenz schnell althergebrachte Maissorten.


Quelle: poonal
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