Weitere Journalist*innenmorde

Poonal vom 08.07.2015
Gerold Schmidt

 

Mexiko: Ermordete_Journalist*innen_Uebersicht von Article19 CC BY NC 2.0 flickr
Mexiko: Ermordete_Journalist*innen_Uebersicht von Article19 CC BY NC 2.0 flickr


(Berlin, 08. Juli 2015, npl). - Die Liste der ermordeten Journalist*innen in Mexiko verlängerte sich innerhalb von einer Woche um drei weitere Personen. Am 2. Juli erschossen Unbekannte den Radiojournalisten Filadelfo Sánchez Sarmiento in der Stadt Miahuatlán, Bundesstaat Oaxaca. Sánchez Sarmiento, der auch für verschiedene Zeitungen in Oaxaca schrieb, hatte gerade seine Nachrichtensendung in der Station »La Favorita« beendet. Nach unterschiedlichen Angaben erwarteten ihn ein oder zwei Personen auf der Straße und brachten ihn mit neun Schüssen um. Er und andere Mitarbeiter*innen des um seine Zulassung kämpfenden Radiosenders hatten offenbar vorher bereits wiederholt Drohungen erhalten.

Interamerikanische Menschenrechtskommission: »Spezielle Besorgnis«

In Veracruz wurde am selben Tag die Leiche des Reporters Juan Mendoza Delgado im an die Landeshauptstadt Veracruz angrenzenden Landkreis Boca del Río aufgefunden. Er war zwei Tage zuvor verschwunden. Mendoza Delgado arbeitete 16 Jahre lang als Polizeireporter und hatte sich vor zwei Jahren mit dem Internetportal »Escribiendo la Verdad« (»Die Wahrheit schreibend«) selbstständig gemacht. Er war parallel als Taxifahrer tätig und von einer Schicht nicht mehr zurückgekehrt. Offiziellen Angaben zufolge soll er überfahren worden sein.

Ende Juni starb Gerardo Nieto Álvarez, Direktor der Wochenzeitung »El Tabano« in der Stadt Comonfort, Bundesstaat Guanajuato, an einer tiefen Halswunde. Der oder die Täter ermordeten ihn in seinem Büro. In allen drei Fällen gibt es keine nachhaltigen Hinweise auf Motive und Mörder.

Die Interamerikanische Menschenrechtskommission verurteilte die Gewalt gegen die mexikanischen Journalist*innen und sprach von einer »speziellen Besorgnis«. Sie erinnerte daran, dass allein 2014 insgesamt acht Journalist*innen in Mexiko mutmaßlich wegen ihrer Berufsausübung ermordet wurden und es in diesem Jahr bereits insgesamt vier Morde an dieser Berufsgruppe gegeben hat. Die Organisation Artikel 19 zählt bereits sechs Journalist*innenmorde für 2015.

Ereignisse spiegeln allgemeine Entwicklung in Mexiko wieder

Die jüngsten Ereignisse spiegeln hierbei nur eine allgemeine Entwicklung in Mexiko wider. In einem Kontext, in dem Menschenleben generell wenig zählen und die weitgehende Straffreiheit bei aller Art von Delikten garantiert ist, nehmen auch die tödlichen Aggressionen und Bedrohungen gegen Medienschaffende zu. Dabei muss es sich gar nicht um eine explizit kritische Berichterstattung handeln, die mundtot gemacht werden soll. Manchmal reicht es, einfach nur über die Existenz gewalttätiger Konfrontationen zu berichten.

Ein Beispiel dafür ist die Ermordung der Bloggerin María del Rosario Fuentes Rubio am 15. Oktober 2014 im Bundesstaat Tamaulipas. Oder die Entführung — Prügel und Todesdrohung eingeschlossen — von Enríque Juárez Torres, Chefredakteur der Ausgabe der Zeitung El Mañana in Matamoros, Tamaulipas, Anfang Februar 2015. Beide Male werden die Mitglieder von Drogenkartellen als Täter verantwortlich gemacht.

In beiden Fällen verließen die Familien der Opfer das Land innerhalb von Stunden, wobei Torres noch das Glück hatte, seine Familie begleiten zu können. Es war nicht die erste Attacke auf El Mañana, zeitweise übte die Zeitung deswegen öffentlich erklärte Selbstzensur — wie viele andere Medien auch. Nun haben die meisten Beschäftigten der El Mañana-Ausgabe in Matamoros gekündigt. Artikel 19 hat den Horror in Tamaulipas für den Zeitraum 2007 bis 2014 beziffert und dokumentiert: 70 Aggressionen gegen Medienschaffende und Medien in Tamaulipas. Darunter fünf Morde an Journalist*innen und Blogger*innen, ein verschwundener Journalist.

Morde verdecken Blick auf alltägliche Drohungen und Einschüchterungsversuche

Michoacán, Guerrero, Sinaloa, Nuevo León und Oaxaca sind weitere Bundesstaaten, in denen in den vergangenen zwölf Monaten Journalist*innen umgebracht wurden. Fast immer versuchen die Behörden, entgegen offensichtlicher Indizien den Eindruck zu erwecken, die Tatmotive hätten absolut nichts mit der Berufsausübung der Opfer zu tun. Darum sind auch Ermittlungen — von Einzelfällen abgesehen — von vornherein zum Scheitern verurteilt. Sie scheinen das vorrangige Ziel zu haben, die Wahrheit zu verschleiern, nicht, sie zu finden.

Die Morde verdecken manchmal den Blick auf die vielen kleinen Meldungen aus dem ganzen Land über alltägliche Drohungen und Einschüchterungsversuche, unter denen Journalist*innen oder ganze Medien zu leiden haben.

Darunter befinden sich auch "harmlose" Aktionen wie der Aufkauf der gesamten Exemplare der Tageszeitung La Jornada im Zentrum von Oaxaca-Stadt, die dennoch eine klare Aggression gegen die Meinungsfreiheit darstellen. Eine einzelne Person ging dort am 19. Februar von Kiosk zu Kiosk und von Straßenverkäufer*in zu Straßenverkäufer*in, um die Jornada-Kontingente zu erwerben. In der Ausgabe war über die Steuerfahndung gegen einen Vertrauten des Gouverneurs berichtet worden.


Quelle: poonal
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