GVO-Verunreinigung mit Vorsatz, Arglist und Vorteilsnahme

Poonal vom 24.01.2016
von Silvia Ribeiro

 

Mais auf dem Maisfest von Santa Gertrudis (Oaxaca)
Mais auf dem Maisfest von Santa Gertrudis (Oaxaca) / Foto (Archiv), Bettina Hoyer


(Mexiko-Stadt, 09. Januar 2016, la jornada).- Mehr als zwei Jahre nach der gerichtlichen Suspendierung der Aussaatgenehmigungen für Genmais in Mexiko sind die Multis am Verzweifeln. Und im Rahmen ihrer Argumentationsflut in verschiedenen Tonarten — Halbwahrheiten, gefälschte oder aus dem Kontext gerissene Angaben, unverfrorene Lügen — haben Monsanto und Syngenta zugegeben: Mit dem Ausbringen der Genmaiskulturen wird der einheimische kleinbäuerliche Mais verunreinigt werden. In einem Versuch der Schadensbegrenzung versichert das Landwirtschaftsministerium Sagarpa zynisch, die Verunreinigung werde gut für den einheimischen Mais sein. Gleichzeitig gesteht das Ministerium ein, die Transgene würden über mehrere Generationen präsent sein und das Umfeld verändern.

Sagarpa: Bei Genmais geht es nicht um Erhöhung der Produktion

Dies sind einige der Aussagen in den Dokumenten, die Unternehmen und Behörden den Gerichten übergaben. Sie widersprechen damit ihren eigenen Versicherungen, nach denen die gentechnisch veränderten Organismen (GVO) mit dem einheimischen Mais koexistieren können sowie weder Umwelt noch die biologische Vielfalt beeinträchtigen. Sagarpa räumt ein, dass der Genmais nicht auf eine Produktionserhöhung ausgelegt ist. Das Gesundheitsministerium schickte dem Gericht eine Mitteilung, in der es erklärt, eine Meinungsäußerung liege nicht in seinem Zuständigkeitsbereich. Damit wird belegt, dass keine [behördliche] Bewertung der Gesundheitsrisiken der Aussaat von Genmais vorliegt!

Die Antworten sind Bestandteil Tausender von Seiten, die die Akte zur Kollektivklage gegen die Aussaat von Genmais ausmachen. Die Klage wurde von 53 Einzelpersonen und 20 Organisationen eingereicht, die rechtlich durch den Verein Colectivas AC vertreten werden. Die Textauswahl zeigt: Unternehmen und Behörden kennen die Risiken der Transgene für Mais, biologische Vielfalt und Gesundheit, räumen aber den Konzerngewinnen den Vorrang ein. Die Unterlagen sind auf der Facebookseite »Expediente Maíz« im Dokument »Las empresas de transgénicos nos hacen creer una cosa, pero ante la justicia reconocen la realidad« (Die Gentech-Unternehmen wollen uns eine Sache glauben machen, aber vor der Justiz geben sie die Wirklichkeit zu) einsehbar.

Vorsorgliche Suspendierung

Im Oktober 2013 verfügte das 12. Distriktgericht für Zivilsachen in der mexikanischen Hauptstadt, dass die Aussaat von Genmais und die entsprechenden Genehmigungsverfahren durch die Regierung zu suspendieren seien. Es traf diese Vorsorgemaßnahme um zu verhindern, dass während des Klageverfahrens Genmais ausgebracht werden kann und dies genau jene Auswirkungen hat, denen die Klage zuvorkommen will. Seitdem haben die weltweit größten Multis des Agrobusiness sich der Bekämpfung dieser Entscheidung gewidmet. Zusammen mit den mexikanischen Ministerien für Landwirtschaft (Sagarpa) und Umwelt (Semarnat) — die ihre Zuständigkeit und ihre öffentlichen Mittel in den Dienst der Interessen der Multis gestellt haben. Die Klage und die Suspendierung sind mit 100 Anfechtungen an 17 Gerichten angegangen worden. Sie zielten darauf ab, die Kläger*innen zu ermüden und den Konzernen nahestehende Richter*innen zu erreich€n. Teilweise kamen die Beklagten damit durch. Doch ihre momentanen Erfolge, Klage und Suspendierung für ungültig erklären zu lassen, wurden von anderen Richter*innen, die die eingelegte Berufung der Kollektivkläger*innen akzeptierten, wieder rückgängig gemacht.

Multis wollen Tatsachen schaffen

Die Suspendierung beizubehalten, ist ein Schlüsselelement. Denn wenn die Vorsorgemaßnahme während des Verfahrens aufgehoben wird, dann werden die Unternehmen die Äcker schleunigst mit Gensaaten überfluten, um bei der Verunreinigung Tatsachen zu schaffen. Dies wäre die Grundlage, um zu argumentieren, ein Schritt zurück sei nicht mehr möglich und es sei besser, aufzugeben und die uneingeschränkte Aussaat zu legalisieren.

Dies ist genau der Weg, den die Multis in den Ländern eingeschlagen haben, die heute mit Gensaaten vollgepflanzt sind und die in den Saatgebieten nach einigen Jahren Krebsepidemien, Fehl- und Missgeburten sowie Argargifte in der Muttermilch verzeichnen, weil die mit den Transgenen einhergehenden Gifte vermehrt eingesetzt werden.

Absichtliche Verunreinigung

In fast all diesen Ländern geschah die Verunreinigung absichtlich. Sie wurde direkt von den Unternehmen, durch mit diesen verbandelte Akteure, durch unerlaubten Saatguthandel, oder durch die Verteilung von Gensaatgut an ahnungslose Landwirt*innen, gefördert. Die Intention dahinter: die Legalisierung trotz negativer Folgen zu erzwingen. Auch in Mexiko ist trotz Verbots die transgene Verunreinigung des einheimischen kleinbäuerlichen Mais festgestellt worden. Sei es durch die erwähnte Verteilungsstrategie bei den unwissenden Landwirt*innen, die Untermischung von Gensaatgut im Rahmen von Regierungsprogrammen oder bei der Verteilung gemischter und verunreinigter Saatgutsäcke über die staatlichen Diconsa-Läden. Beim Transport des importierten und mehrheitlich transgenen (Futter-)Mais gibt es keine Trennung des Saatgutes. Maßnahmen für die Biosicherheit werden nicht eingehalten.

Per se ist die transgene Verunreinigung von Beginn an eingeplant und konstitutiver Bestandteil des Genmais: Die Unternehmen wussten dies in dem Moment, in dem sie eine Pflanze mit offener Bestäubung manipulierten. Notwendigerweise würde diese sich mit anderen Pflanzen kreuzen. Sie patentierten die Genpflanzen, so dass die Verunreinigung zu einem Geschäft wurde, indem sie die Opfer der Kontaminierung [wegen Patentverletzung] vor Gericht brachten und zur Kassen baten.

TPP: »Konzerne wissen um die Unvermeidbarkeit der Verunreinigung«

Aus all diesen Gründen kamen die Gutachter*innen auf der stark besuchten Voranhörung des Ständigen Völkertribunals (TPP) zur Transgenen Verunreinigung des einheimischen Mais am 26. und 27. April 2013 in Oaxaca-Stadt nach der Aufnahme dutzender Zeugenaussagen von Kleinbäuer*innen, Wissenschaftler*innen und Organisationen zu folgendem Schluss: »Die Konzerne wissen um die Unvermeidbarkeit der Verunreinigung, wenn erst einmal die ausgedehnte Aussaat durchgeführt wird.

Es wird sich um ein vorsätzliches, arglistiges und unter Vorteilsnahme ausgeführtes Verbrechen handeln, das sich bewusst der Nahrungsmittelketten bemächtigen will. (http://goo.gl/cV3X46). Der Widerstand gegen die Transgene fängt weder mit rechtlichen Maßnahmen an, noch endet er damit. Stattdessen geht er von den Territorien und Gemeinden aus, die das Saatgut und die kommunitäre Kontrolle bewahren. Aber um die Last und das Risiko für die Kleinbäuer*innen und die biologische Vielfalt, die Grundlage und Zukunft des Lebens aller ist, nicht exponentiell zu erhöhen, muss die Suspendierung beibehalten und die Aussaat von Genpflanzen verboten werden.


Quelle: poonal
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