Hermann Bellinghausen unter Beobachtung!
Brief von Hermann Bellinghausen an Carmen Lira Saade, Herausgeberin der La Jornada
La Jornada vom 13.04.2004 | |
Tomado del Correo Ilustrado/La Jornada | |
übersetzt von: Dana |
Mexico D.F. Dienstag, 13. April 2004 Señora directora: In den letzten Wochen wurde mein Haus in San Cristóbal de las Casas systematisch und offen von einer Gruppe unidentifizierter Individuen überwacht, die sich auf Fahrräder und Motorräder fortbewegen, die indigenen Nachbarn über meine Aktivitäten ausfragen, in die Häuser, Gärten und Parzellen eindringen, und bei den Familien in der Nachbarschaft Furcht und ärger aussäen.
Desgleichen sind, ausgesät von wer weiß wem, zu unser aller Überraschung in vielen Patios Mohnblüten entsprossen. An manchen Nächten treffe ich Autos an die "auf mich warten", und sich zurückziehen sobald ihre Insassen bestätigen konnten, dass ich zuhause angekommen bin.
Am 7. April, schaffte es eine dieser Personen sich nach mehreren Versuchen, Zugang zu meinem Garten zu verschaffen, wo er nach Aussage eines Nachbarn, für etwa 15 Minuten verblieb und mein Arbeitszimmer beobachtete.
Als ich ihn abfing lehnte er es ab sich zu identifizieren und sagte er versuche "50 Kilo Radieschen" von den Landarbeitern zu kaufen, die hinter meinem Haus ihre Parzellen bearbeiteten. "Sie sind für ein Familienfest", erklärte er bevor er sich zurückzog.
Am gleichen Tag wurde die Überwachung auf meine Aktivitäten auf den Straßen von San Cristóbal ausgeweitet. Ein Mann mit einem Mobiltelefon und einem Sportbeutel beobachtete mich vorsätzlich zwei Stunden lang in der Umgebung der Plaza von Santo Domingo.
Nach mindestens fünf verschiedenen Aussagen, drehen die "Beobachter" morgens Runden, und entnehmen ihre Rucksäcke, Baseballkappen und T-Shirts aus den Jaguars und einem San Luis. Sie halten ständige Verbindung zur der Straßensperre des staatlichen Ermittlungsamtes und der Verkehrspolizei, die 200 m weiter an der Gabelung San Martín (La Frontera) aufgebaut ist, die augenscheinlich den öffentlichen Transport auf der Autobahn San Cristóbal — Chamula kontrolliert. Seltsamerweise bleiben wenn die Straßensperre nicht steht auch die eindringenden Radfahrer aus.
Ohne auf weitere Vorfälle einzugehen, möchte ich erklären, dass es in den 10 Jahren, die ich als Korrespondent der La Jornada in Chiapas verbracht habe, das erste Mal ist, dass ich derartigen parapolizeilichen Maßnahmen unterworfen wurde. Es ist für mich persönlich und als Symptom des gegenwärtigen politischen Klimas besorgniserregend, dass Polizisten für eine Familienfeier 50 Kilo Radieschen benötigen sollten. Vor allem, da meine Nachbarn keine Radieschen anbauen sondern Weißkohl.
Mit freundlichen Grüssen
Hermann Bellinghausen
Quelle: https://www.jornada.com.mx/
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