Mexiko: Gefrorene Trauer
medico internat. (CH) vom 21.03.2018 | |

Link zu der Studie (Spanisch)

Die schon vor diesem Einschnitt nicht einfache Situation der betroffenen Familien, die in armen, meist indigenen Gemeinden in Guerrero und in anderen Bundesstaaten wohnen, verschlechterte sich in Folge der Schreckensnacht von Iguala zusehends, wie die Studie mit vielen Beispielen belegt.
Die aus ihrem Umfeld herausgerissenenen Eltern, die seit Jahren auf der Suche nach ihren Kindern sind, gewärtigen fortschreitende physische Leiden, Schuldgefühle, die Entfremdung von anderen Kindern, die sie zurücklassen mussten. Eine der Unwägbarkeiten, welche die Familien der Verschwundenen erleiden, beschreibt die Studie mit dem Begriff gefrorene Trauer. Dieser zwiespältige Zustand wird provoziert durch die widersprüchlichen Gefühle aus der Annahme, die geliebte Person sei tot und der gleichzeitigen Hoffnung, dass sie lebe.
In ihrem Kampf um Wahrheit und Gerechtigkeit werden die Familien von Ayotzinapa von sozialen und zivilgesellschaftlichen Organisationen begleitet. Dank grossem politischen Druck liess die mexikanische Regierung vorübergehend auch eine von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission mandatierte Unabhängige internationale Expertengruppe (GIEI) zum Thema arbeiten. Eine der Empfehlungen der GIEI an die mexikanische Regierung war die Erstellung eines Berichts über die Folgen dieser schwersten Menschenrechtsverletzungen für die unmittelbar betroffenen Familien und für die mexikanische Gesellschaft. Unabhängig von der Regierung machte sich eine Equippe von 12 Fachleuten an die Arbeit und erstellte den Bericht innerhalb von eineinhalb Jahren. Unter den 12 AutorInnen sind zwei Psychologinnen und ein Arzt der medico-Partnerorganisation Kollektiv gegen Folter und Straflosigkeit CCTI. Das CCTI arbeitete mit dem Lehrerseminar von Ayotzinapa schon vor 2014 zusammen und begleitet die Angehörigen der Repressionsopfer bis heute. Das Resultat der eineinhalbjährigen Arbeit ist ohne Zweifel ein Meilenstein in dem strategischen Kräftemessen zwischen den Familien und ihrem solidarischen Umfeld und dem mexikanischen Staat.
PS: Der Titel der Studie, »Ich wollte bloss, dass es hell wird«, ist ein Zitat aus dem Interview mit einem Studenten, der die Repression überlebte und schildert, wie er zusammen mit anderen Studenten von Angst paralysiert auf das Morgengrauen wartet.
Quelle: http://medicointernational.ch/639
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