Worte der zapatistischen Frauen zum Abschluss des internat. Treffens vom 10. März

EZLN vom 10.03.2018
übersetzt von: Christine, RedmycZ

 

Worte der zapatistischen Frauen zum Abschluss des ersten internationalen, politischen, künstlerischen, sportlichen und kulturellen Treffens der Frauen die kämpfen. Im zapatistischen Caracol der Zone Tzotz Choj.

Gute Nacht, Guten Tag, Guten Abend Compañeras und Schwestern die kämpfen, wo immer Ihr Euch befindet.

Schwestern und Compañeras, die uns bei diesem ersten internationalen Treffen der Frauen, die kämpfen, begleiteten.

Wir werden einige kleine Worte im Namen von uns allen, den zapatistischen Frauen aller fünf Caracole sagen.

Wir möchten uns bei den städtischen Compañeras der Unterstützungsteams bedanken, wir wissen sehr wohl, dass sie wie verrückt arbeiten mussten, sei es mit den Mails, bei der Registrierung, beim Organisieren der Autobusse und bei der Einteilung von Zeit und Ort für alle Aktivitäten.

Ebenso möchten wir auch alle unsere zapatistischen Compañeras grüßen, die nicht zu diesen Treffen kommen konnten und sich um alles kümmern, damit wir kommen konnten.

Ebenso unsere Compañeros, die zu Hause bleiben mussten, um sich um unsere Familien zu kümmern, unsere Haustiere, unsere Häuser, unsere Kasernen, unsere Felder und die aufpassten, ob die schlechten Regierungen irgendwas Boeses gegen dieses Treffen im Schilde führten.

Aber unsere Abschlussworte sind speziell für Euch gedacht, Schwestern und Compañeras, Frauen die kämpfen.

Wir bedanken uns von ganzem Herzen, einem bescheidenen und einfachen Herzen, das voll Widerstand und Rebellion ist, für Eure Teilnahme, Frauen, die auf allen fünf Kontinenten dieser Welt kämpfen.

Sowohl jene, die hier sind, als auch jene, die an dem interessiert sind, was hier geschah.

Wir bedanken uns für Eure Ohren, Eure Blicke, Eure Worte, Eure Workshops, Eure Vorträge, Eure Kunst, Eure Videos, Eure Musik, Eure Poesie, Eure Erzählungen, Eure Theaterstücke, Eure Tänze und Tanzveranstaltungen, Eure Bilder, Eure komischen Sachen, von denen wir nicht mal wissen, was das ist, und alles das, was Ihr mitgebracht habt, damit wir Eure Kämpfe kennenlernen und daraus lernen.

Wir nehmen alles wie ein sehr wertvolles Geschenk an, wir werden darauf aufpassen und wir werden es wachsen lassen. Denn wir werden alles in unsere Comunidades und Dörfer tragen, damit mehr zapatistische Frauen mit uns das Geschenk, das Ihr uns gegeben habt, teilen können.

Wir haben es mit Respekt und voller Liebe entgegengenommen, denn Ihr alle habt große Anstrengungen auf Euch genommen um von den Orten Eures Kampfes, von Eurer Zeit und Eurer Art, von Euren Welten hierher zu reisen um an diesem Treffen teilzunehmen, von dem wir noch nicht einmal wissen, ob es gut oder schlecht war.

Wir haben schon ein wenig von dem gesehen, was ihr am Reklamationstisch abgegeben habt. Wir müssen aber noch alles lesen und dann werden wir alles gemeinsam analysieren. In dieser Schachtel gibt es einen Brief und wir glauben, der berührt uns alle. Eine Compañera wird ihn lesen.

(ein Brief der Familienangehörigen der Fehlenden von Ayotzinapa wird verlesen, darin bitten sie, dass sie nicht alleine gelassen werden, denn die schlechte Regierung möchte den Fall abschließen und den Mantel des Vergessens darüber breiten).

Wir haben nicht alle Notizen gelesen, aber wir versichern Euch, dass wir alles tun werden, um zu berichtigen, was ihr beanstandet habt und wir werden alles verbessern, was Eurer Meinung nach nicht glatt gelaufen ist.

Was wir aber bis jetzt gesehen haben, so betreffen die meisten Kritiken Fehler und Irrtümer bei der Organisation.

Wie gesagt, wir werden alle Kritiken ernst nehmen, damit es beim nächsten Mal besser läuft, falls es ein nächstes Mal gibt. Alle Kritiken wie auch unsere Worte, die wir in diesen Tagen dargebracht haben, werden wir auf der Seite von Enlace Zapatista publizieren, damit Ihr dort alles lesen könnt.

Aber wie dem auch sei, ganz im Allgemeinen möchten wir wissen was Ihr alle denkt.

Daher fragen wir Euch, Compañeras und Schwestern:

Ist es ein wenig gut gelaufen?

Oder war alles schlecht?

Gut denn, hier möchten wir festhalten, auch wenn Ihr antwortet, dass es ein bisschen gut oder schlecht gelaufen ist, nun denn, wir werden Euch etwas sagen, ganz ehrlich, etwas, wobei wir Euch bitten, dass es unter uns bleibt, unter uns Frauen, die wir Frauen sind die kämpfen. Will heißen, sagt das nicht weiter, vor allem nicht den Männern.

Also ganz ehrlich, Schwestern und Compañeras, wir haben wirklich viel gelitten, denn wir wussten nicht, wie wir es machen sollen.

Es ist das erste Mal, dass wir als das was wir sind, Frauen, ganz alleine, solch ein Treffen organisierten.

Und wir haben es von unten organisiert, das heißt, zuerst haben wir Treffen mit Diskussionen in unseren Kollektiven in unseren Dörfern und Comunidades gemacht. Dann in den Regionen, dann in den Zonen und dann in allen 5 Zonen zusammen.

Und dann, Ihr seht ja, unter Frauen, nun, da dauert es, bis wir eine kleine Übereinkunft treffen, und noch schlimmer, wenn es sich um eine so große Übereinkunft handelt, wie die Organisation dieses Treffens.

Es hat Monate gedauert bis alle einverstanden waren, denn es ist so, wenn wir was machen, dann machen wir es alle zusammen, im Kollektiv.

Ja und es gibt weder ein Buch noch eine Anleitung, wie man so was macht.

Und es hilft nichts die Compañeros fragen, denn auch sie wissen nicht, wie das geht, denn wie wir schon sagten, wir haben bisher niemals so etwas gemacht.

Und so mussten wir zusammen schauen, wie man so was macht.

Und so ging uns das im Kopf herum, den ganzen verfluchten Tag lang und auch die ganze Nacht hindurch. Sogar der Appetit ist uns vergangen. Und schlafen konnten wir auch nicht.

Und wir machten uns Sorgen, ob es gut geht oder schlecht.

Wir machten uns Sorgen, zum einen als Zapatisten aber auch als Frauen.

Denn wir haben Euch eingeladen. Daher geht es auf unsere Kappe ob es gut oder schlecht läuft.

Wo alle schlafen, wo alle essen, wo sie sich waschen, wo sie aufs WC gehen, die Tonanlage, die Beleuchtung, das Wasser, was, wenn jemand krank wird, was werden wir sagen, wie werden wir sprechen, wie werden wir sie anhören, ansehen.

Daher bitten wir aus ganzem Herzen um Entschuldigung für alle Fehler und Mängel, die es gegeben hat. Ganz sicher wird das nächste Mal — so es ein nächstes Mal gibt — nicht alles so schlecht laufen, wie Ihr das bekrittelt.

Denn wir glauben, das Wichtigste ist es, dass es Euch hier ein wenig gut geht, dass Ihr Euch wohl fühlt.

Aber es ist auch wichtig, dass wir alle sehen und alle anhören, denn ansonsten wäre Eure Anstrengung, hierher zu kommen sinnlos gewesen. Daher ist es nur recht und billig, dass wir alle anhören, alle sehen. Egal ob wir mit dem, was sie sagen, einverstanden sind oder nicht.


Und daher genügt es nicht, ein Kollektiv zu haben, welches das alles organisiert. Daher sind wir mehr als 2000 zapatistische Frauen aus den fünf Caracoles hierher gekommen.

Und vielleicht war das nicht genug, denn Ihr seid mehr als fünftausend, wobei manche sagen, es sind 8000 oder 9000.

Wer weiß, wie viele Frauen, die kämpfen sind in diesen Tagen hier zusammen gekommen, aber wir glauben, dass wir darin übereinstimmen, dass wir ein chingo sind.

Und wir dachten nicht, dass so viele kommen werden, denn hier ist es weit entfernt und es gibt keinen Komfort.

Hätten wir gewusst, dass Ihr so viele seid, dann wären vielleicht wir zapatistischen Frauen auch in noch größerer Zahl gekommen und dann könnten wir Euch alle umarmen, jede einzelne, und wir könnten jeder persönlich sagen, was wir jetzt im Kollektiv aussprechen.

Es kämen 6 zapatistische Frauen für jede von Euch: eine Pichita (so nennen wir die Neugeborenen), ein Kind, ein junges Mädchen, eine Erwachsene, eine alte Frau und eine Verstorbene.

Alle Frauen, alle Indigene, alle arm, alle Zapatistinnen, die Dich fest umarmen, denn das ist das einzige Geschenk, mit dem wir Dir erwidern können.

Aber wie dem auch sei, stell Dir vor, Schwester, Compañera, was wir hier sagen, das sagt Dir eine zapatistische Frau, während sie Dich umarmt und Dir ins Ohr flüstert, in Deiner Sprache, auf Deine Art, nach Deiner Zeit:

´Gib nicht auf, verkaufe Dich nicht, mach nicht schlapp´

Mit diesen Worten sagen wir Dir

´Danke Schwester. Danke Compañera.´

Schwestern und Compañeras.

An diesem 8. März, am Ende unserer Teilnahme, zündeten wir ein kleines Licht an, jede von uns.

Wir zündeten es mit einer Kerze an, damit es länger brennt, denn ein Streichholz lischt schnell ab und ein Feuerzeug, nun, was, wenn es nicht funktionierte.

Dieses kleine Licht ist für Dich.

Nimm es mit, Schwester und Compañera.

Wenn Du Dich alleine fühlst.

Wenn Du Angst hast.

Wenn Du fühlst, dass der Kampf sehr schwer ist, das heißt, das Leben.

Zünde es wieder an, in Deinem Herzen, in Deinen Gedanken, in Deinen Eingeweiden.

Und behalte es nicht für Dich, Compañera und Schwester.

Bringe es den Verschwundenen.

Bringe es den Ermordeten.

Bringe es den Gefangenen.

Bringe es den Vergewaltigten.

Bringe es den Geschlagenen.

Bringe es den Verfolgten.

Bringe es den wie auch immer Verletzten.

Bringe es den Migrantinnen.

Bringe es den Ausgebeuteten.

Bringe es den Toten.

Bringe es ihnen und sage ihnen, jeder von ihnen, dass sie nicht alleine sind, dass Du für sie kämpfen wirst.

Dass Du für die Wahrheit und Gerechtigkeit kämpfen wirst, welche ihr Schmerz verdient.

Dass Du kämpfen wirst, damit der Schmerz, der auf ihr lastet, sich bei keiner anderen Frau, nirgendwo auf der Welt, wiederholen werde.

Bringe es und verwandle es in Wut, Zorn und Entscheidung.

Bringe es mit anderen Lichtern zusammen.

Nimm es mit Dir und vielleicht kommt Dir dann in den Sinn, dass es weder Wahrheit noch Gerechtigkeit noch Freiheit im kapitalistischen patriarchalen System geben wird.

Dann werden wir uns vielleicht wiedersehen, um das System in Brand zu stecken.

Und vielleicht wirst Du dann an unserer Seite stehen und dafür sorgen, dass niemand das Feuer löscht, bis nichts als Asche übrig bleibt.

Und dann, Schwester und Compañera, an diesem Tag, der Nacht sein wird, werden wir vielleicht zusammen mit Dir sagen:

‚Gut, jetzt können wir anfangen, die Welt zu bauen, die wir verdienen und die wir brauchen‘

Und ja dann, dann werden wir vielleicht verstehen, dass die echte Schinderei beginnt und dass wir jetzt, wie man so schön sagt, praktizieren, üben, um zu wissen, was das Wichtigste ist, was wir nötig haben.

Das ist, dass niemals mehr, keine einzige Frau, nirgendwo auf der Welt, unabhängig von ihrer Hautfarbe, ihrer Größe, ihres Altes, ihrer Sprache, ihrer Kultur Angst haben muss.

Denn hier wissen wir sehr gut, wenn man sagt ‚Ya Basta- Es reicht‘, dass dann der Weg erst beginnt, denn es fehlt immer was fehlt.

Schwestern und Compañeras:

Hier, vor allen die wir hier sind und vor denen, die nicht hier sind, deren Herz und Gedanken aber hier sind, schlagen wir vor, dass wir darin übereinkommen, weiter am Leben zu bleiben, weiter zu kämpfen, jede auf ihre Art und Weise, nach ihrer Zeit und in ihrer Welt.

Seid Ihr einverstanden?

Gut, während wir das schreiben, wissen wir nicht, ob Ihr mit Ja oder Nein antwortet. Daher gehe ich zum nächsten Vorschlag über:

Wie wir schon gesehen und gehört haben, sind nicht alle gegen das kapitalistische patriarchale System. Wir respektieren diese Meinung und schlagen vor, dass wir das studieren und in unseren Kollektiven diskutieren, ob es wahr ist, dass das System, das sie uns auferlegen, schuld an unseren Leiden ist.

Wenn dann herauskommt, dass es wahr ist, nun denn, Schwestern und Compañeras, wird dann später das Abkommen erscheinen, dass wir gegen den patriarchalen Kapitalismus kämpfen und gegen jedwede Form des Patriarchats.

Und natürlich sagen wir gegen jedwedes Patriarchat. Es spielt keine Rolle, welche Idee dahintersteckt, es spielt keine Rolle, welche Farbe oder Fahne es hat. Denn wir glauben, es gibt kein gutes Patriarchat und schlechtes Patriarchat, sondern es ist immer dasselbe, gegen uns, die wir Frauen sind.

Kommt heraus, dass es nicht wahr ist, gut denn, wie auch immer, wir werden uns weiterhin treffen um für das Leben und die Freiheit aller Frauen zu kämpfen. Und dann jede, je nach ihrem Gutdünken und nach dem was sie sieht, jede baut an ihrer Welt, so wie es ihr am besten erscheint.

Seid Ihr einverstanden, dass Ihr in Euren Welten, nach Eurer Art und Weise, angepasst auf Eure Zeit, studiert, analysiert, diskutiert, und falls möglich benennt, wer die Verantwortlichen für unsere Schmerzen sind?

Gut, wir wissen auch nicht, ob diese Vereinbarung angenommen wird oder nicht, somit gehen wir zum nächsten Vorschlag:

Wir schlagen vor, darin übereinzukommen, dass wir uns nächstes Jahr bei einem zweiten Treffen wiedersehen, aber nicht nur hier in zapatistischem Territorium, sondern auch in Euren Welten, jede, so wie es Eure Zeit und Eure Art und Weise erlauben.

Oder anders gesagt, jede organisiert Treffen der Frauen die kämpfen, oder wie immer Ihr das nennen wollt.

Seid Ihr einverstanden?

Gut wir wissen noch nicht, was Ihr antworten werdet, aber wie auch immer, hier werdet Ihr immer herzlich willkommen sein, Schwestern und Compañeras.

Aber wir bitten, dass Ihr uns das rechtzeitig mitteilt, denn es ist schon heftig, wenn Ihr sagt, dass fünfhundert kommen und dann ging Euch auf dem Weg eine Null verloren, denn es sind fünftausend oder noch mehr gekommen.

Und schön wäre es, wenn Ihr kommt, dass Ihr dann erzählt, dass Ihr Euch in Euren Welten versammelt und diskutiert habt und dann eine Übereinkunft getroffen habt, ganz egal worüber.

Das heißt, dass Ihr grösser im Herzen, im Denken, im Kampf hierher zurück kommt.

Aber wie auch immer, immer werden Frauen, die kämpfen willkommen sein.

Danke dass Ihr uns zugehört habt.

Jetzt werden wir den formellen Abschluss vornehmen.

Das Wort hat die Comandanta Miriam:

Guten Abend Compañeras und Schwestern.

Danke Compañeras, Danke Schwestern aus allen Ländern der Welt und aus Mexiko, die Ihr die Anstrengung auf Euch genommen habt, bis hierher in diesen versteckten kleinen Winkel der Welt zu kommen.

Somit haben wir das erste internationale, politische, künstlerische, sportliche und kulturelle Treffen der Frauen, die kämpfen beendet.

Um 20.36 Uhr, zapatistische Zeit erkläre ich unser erstes Treffen für beendet.

Passt gut auf Euch auf und Gute Reise.

Aus dem Caracol 4 Torbellino de nuestras palabras.

Morelia, Chiapas, Mexiko, 10. Maerz 2018

 Anhang  
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Quelle: http://enlacezapatista.ezln.org.mx/2018/03/10/palabras-de-las-mujeres-zapatistas-en-la-clausura-del-primer-encuentro-internacional/


 

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