Neues Massengrab in Veracruz

Poonal vom 09.09.2018
Gerd Goertz

 

Der Fundort des Massengrabes in Veracruz
Der Fundort des Massengrabes in Veracruz − Foto: Desinformémonos/Cuartoscuro


(Mexiko-Stadt, 7. September 2018, npl).- Bei dem am vergangenen Donnerstag, den 6. September bekannt gemachten Fund eines Massengrabes im Landkreis Alvarado im mexikanischen Bundesstaat Veracruz gehen die Behörden aufgrund der Schädelanzahl inzwischen von mindestens 174 verscharrten Leichen aus. Es handelt sich mutmaßlich um die Opfer von Gewaltverbrechen. Am Wochenende hatten bereits mehr als 100 Familienangehörige von Verschwundenen aus dem gesamten Bundesstaat den Sitz der Staatsanwaltschaft in der Hafenstadt Veracruz aufgesucht. Dort werden die mehr als 200 Kleidungsstücke, darunter auch Babykleidung, und über 140 Ausweise präsentiert, die nach Angaben der Behörden ebenfalls auf dem Areal von kaum 300 Quadratmetern Fläche gefunden wurden.

Unterdessen sehen sich die Behörden von Veracruz verschiedener Kritik ausgesetzt. So bekamen sie nach eigenen Angaben bereits Anfang August einen vertraulichen Hinweis auf den Ort des Massengrabes. Aus angeblichen Sicherheitsgründen informierten sie einen Monat lang weder über den Fund an sich noch über den Standort. Sie hielten die Information über das Massengrab ebenso vor den 15 Gruppen von Familienangehörigen Verschwundener geheim, die es aktuell im Bundesstaat gibt. Bisher waren es diese Kollektive gewesen, die verschiedene Massengräber in Veracruz bekannt gemacht und oft in Eigeninitiative untersucht hatten. Staatliche Stellen verweigerten oft die notwendigen Hilfen oder machten sich nach Aussagen der Betroffenen sogar über die Familienangehörigen lustig. Während Veracruz’ Generalstaatsanwalt Jorge Winckler beschrieb, dass das kleine Areal im Landkreis Alvarado in den vergangenen Wochen mit Drohnen, Georadar und anderen Sonden genauestens untersucht wurde, mussten die Familienangehörigen von Verschwundenen in der Vergangenheit bei ihrer eigenen Suche meistens mit einfachsten Hilfsmittel vorgehen. Abzuwarten bleibt auch, ob die Leichenreste wie von den Behörden versichert tatsächlich vor mindestens zwei Jahren in Alvarado vergraben wurden. Damit würden die Morde ausschließlich in die Amtszeit der Vorgängerregierung fallen. Nach wie vor verschwinden jedoch Menschen in Veracruz.

»Das Land ist ein Friedhof«



Das neue Massengrab wird als das zweitgrößte gefundene im Bundesstaat eingestuft. Das bisher umfangreichste entdeckte die Gruppe Colectivo El Solecito auf dem Areal Colinas de Santa Fe im Randbereich des Hafens Veracruz, nachdem ihr eine Lageskizze zugespielt wurde. Erst vor wenigen Wochen machte El Solecito ein weiteres Areal bekannt, nur fünf Kilometer von Colinas de Santa Fe entfernt. Auch dort werden die Überreste von mehreren hundert Personen vermutet.

In Veracruz machten sich in den vergangenen Jahren verschiedene Drogenkartelle die Vorherrschaft streitig. Gleichzeitig breitete sich das organisierte Verbrechen in anderen Wirtschaftszweigen aus. Dabei ist die Komplizenschaft von Polizei und Regierungsfunktionär*innen vielfach mehr als naheliegend. Die Opfer dieser Situation kommen praktisch aus allen Gesellschaftssektoren. Regierung und Ermittlungsbehörden dagegen versuchen wiederholt, die Opfer der mörderischen Gewalt durchweg als Mitglieder der rivalisierenden Kartelle darzustellen.

Veracruz ist einer der Bundesstaaten, der in den vergangenen Monaten am meisten mit geheimen Massengräbern in Verbindung gebracht wurde. Doch er steht nicht allein. Die Nationale Menschenrechtskommission hat für den Zeitraum 2007 bis August 2018 die Funde von insgesamt 1307 solcher Gräber registriert. Kaum einer der 32 mexikanischen Bundesstaaten bleibt ausgenommen. Die neue Regierung unter Präsident Andrés Manuel López Obrador, die ab dem 1. Dezember offiziell ihr Amt antritt, hat Aufklärung versprochen und mehr Sensibilität gezeigt. Sie wird sich an ihren Taten messen lassen müssen. Immerhin gestand der designierte Sicherheitsminister Alfonso Durazo in einem Interview offen zu: »Das Land ist ein Friedhof.«

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