Urgent Action - FrayBa-Mitarbeiter
CAREA e.V. vom 28.09.2009
 

Hintergrund Urgent Action (UA; dt. Eilaktion)
Frayba — Einschüchterung von MenschenrechtsverteidigerInnen

Im Folgenden werden die in der Eilaktion von Frayba (27.8.09), deren Aktualisierung (10.9.09) sowie der jüngsten Eilaktion (22.9.09) beschriebenen Informationen (die bisher fast ausschließlich auf Spanisch vorliegen) auf Deutsch zusammengefasst.

Vorgeschichte

Im Juni 2009 hatte Frayba in einer Pressemitteilung über die Einschüchterung gegen Frayba, an den Tagen 14., 15. und 16. Juni berichtet. Diese bestanden vor allem im Fotografieren, Filmen und der Überwachung der Aktivitäten seiner MitarbeiterInnen. (siehe Boletín de prensa no. 24 und 25)

In den darauf folgenden zwei Monaten hat sich die Situation verschärft. Das Menschenrechtszentrum erklärte, Zielscheibe einer Reihe von negativen Berichten durch regierungsnahe Medien zu sein, die auch die von Frayba begleiteten Gemeinden betraf. Frayba betrachtet diese Berichterstattung, die zu Feindseligkeiten und Antipathie gegen seine MitarbeiterInnen führen könnte, als möglichen Auslöser sozialer Gewalt, Kriminalisierung der Arbeit von MenschenrechtsverteidigerInnen und damit als Einschränkung seiner Arbeit.

Aktuelle Vorkommnisse in chronologischer Reihenfolge

7. August 2009: Esdras Alonso González, Berater der „Nicht-Kooperierenden« in der Gemeinde Mitzitón, stellt Strafanzeige gegen Diego Cadenas Gordillo, Hermann Bellinghausen sowie die Gemeindevorsteher von Mitzitón wegen „Störung des sozialen Friedens, Straßenblockade (was in Mexiko eine Straftat ist)« sowie weiterer vermeintlicher Vergehen. Dieser Vorfall steht im Zusammenhang der Begleitung von sozialen Prozessen in der Gemeinde Mitzitón.

11. und 12. August 2009: Im Rahmen der Proteste gegen das Urteil des Obersten Gerichtshofs im Fall Acteal, wo nach Aussagen der Organisation der Opfer, Las Abejas, auch Paramilitärs freigelassen wurden, fotografierte eine Person und erkundigte sich nach den Organisatoren der Aktivitäten und nach MitarbeiterInnen von Frayba. Diese gab auf Nachfrage zu, zur mexikanischen Armee zu gehören.

17. August 2009: Auf der Rückfahrt von Acteal nach San Cristóbal, im Kontext einer gemeinsamen Veranstaltung der Abejas mit dem Vertreter des Hochkommissariats für Menschenrechte der Vereinten Nationen, Alberto Brunori, stellten MitarbeiterInnen des Menschenrechtszentrums fest, dass ihnen ein Wagen ohne Nummernschild folgte, der sie überwachte. Dies wurde daran deutlich, dass der Wagen ebenfalls hielt, wenn sie anhielten.

17. und 18. August 2009: Im Büro des Menschenrechtszentrums wurde eine Person namens Francisco Javier Cervantes Morales vorstellig, die mit Diego Cadenas, Direktor von Frayba, zu sprechen wünschte. Er gab an, von Noé Castañón, Innenminister von Chiapas, entsandt worden zu sein, um direkten Kontakt zwischen dem Innenminister und Frayba sowie zu den Abejas herzustellen. Er äußerte zudem, dass Noé Castañón vom föderalen Innenminister in die chiapanekische Regierung geschickt wurde und bald den aktuellen Gouverneur Juan Sabines ersetzen würde, der den Bundesstaat in ein Desaster geführt hätte. Am folgenden Tag rief besagte Person erneut bei Frayba an, um die von ihm am Vortag vorgetragenen Informationen zu wiederholen und Diego Cadenas zu einem geheimen Treffen mit dem Innenminister in Ocosingo einzuladen. Daraufhin entschied der Direktor von Frayba, diese Informationen durch einen Anruf bei Noé Castañon zu überprüfen, der verneinte, jemanden zu Frayba entsandt zu haben.

Aktualisierte UA von Frayba (10.9.09)

In der Aktualisierung der UA von Frayba mit Datum vom 10. September weist das Menschenrechtszentrum auf weitere Vorfälle hin. So antwortete der Innenminister von Chiapas, Noé Castañón auf die von Frayba veröffentlichte UA (vom 27.8.) mit einem vierseitigen Fax, in dem er die Bekanntgabe des Besuchs von Francisco Javier Cervantes Morales sowie dessen Aussagen in der UA durch Frayba verurteilte. Darin äußerte er zudem, dass diese Bekanntmachung mit bösen Absichten geschah, um die Beziehung zwischen ihm (d.h. dem Innenminister) und dem Gouverneur zu schädigen. Dieses Schreiben wurde in den Medien verbreitet und hatte ambivalente Kommentare über Frayba und seinen Direktor zur Folge. Angesichts der Tatsache, dass die öffentliche Verbreitung des Schreibens absichtlich anstelle einer Klärung des Vorfalls zwischen den Beteiligten geschah, sieht Frayba seine Arbeit als Menschenrechtszentrum der Verunglimpfung ausgesetzt.

Zudem wurde Frayba in Zeitungsartikeln angeblich von Vertretern der ARIC (indigene Bauernorganisation in der Region Ocosingo) beschuldigt, eine Konfrontation zwischen Mitgliedern der ARIC und ZapatistInnen in Santo Tomás (Landkreis Ocosingo) provoziert zu haben, bei der es mehrere Verletzte sowie einen Toten auf Seiten der ARIC gab. Die Vertreter der ARIC dementierten in Briefen an Frayba, diese Beschuldigungen erhoben zu haben. Das Menschenrechtszentrum sieht in den Artikeln eine Fortsetzung der medialen und systematischen Einschüchterung seiner Arbeit und MitarbeiterInnen.

UA zum Angriff auf Mitarbeiter von Frayba und Bewohner von Jotolá und San Sebastián Bachajón (22.9.09)

Am 22. September veröffentlichte Frayba erneut eine UA. Diese (Bezug nehmend auf eine Pressemitteilung des Menschenrechtszentrums vom 18. September) verurteilt den Angriff von Mitgliedern der Organisation zur Verteidigung der Rechte der Indigenen und Kleinbauern (OPDDIC, Organización Para la Defensa de los Derechos Indígenas y Campesinos) auf Ricardo Lagunes Gasca, Anwalt von Frayba, sowie auf Anhänger der Anderen Kampagne der Gemeinden Jotolá und San Sebastián Bachajón in der Gemeinde Jotolá am 18. September. Dabei wurde Ricardo Lagunes beim Verlassen des Dorfes gestoppt, aus dem Auto gezerrt und geschlagen. Als ihm AnhängerInnen der Anderen Kampagne zu Hilfe eilten, setzten die Mitglieder der OPDDIC Schusswaffen ein und verletzten einen Bewohner von San Sebastián Bachajón am Bein.

In der UA weist das Menschenrechtszentrum auf den anhaltenden Krieg niederer Intensität in Chiapas hin, der von der föderalen und der lokalen Regierung gegen die EZLN und die Gemeinden im Widerstand geführt wird, und sieht den Angriff als Konsequenz desselben. Die OPDDIC wird als eine bewaffnete Organisation mit paramilitärischen Zügen beschrieben, die von verschiedenen Regierungsfunktionären gestützt und gedeckt wird, was dieser trotz verschiedener Übergriffe auf ZapatistInnen und AnhängerInnen der Anderen Kampagne in Chiapas Straffreiheit garantiert hat. Zudem erklärt das Menschenrechtszentrum, dass es durch die jüngsten Ereignisse seine Arbeit eingeschränkt sieht und stellt dies in den Zusammenhang mit dem Plan der Aufstandsbekämpfung, der die Neutralisierung der Arbeit von MenschenrechtsverteidigerInnen als ein Ziel benennt.

Briefmuster

Betreff: La preocupación por los actos de agresión personal y la vida hacia integrantes del Centro de Derechos Humanos FrayBa

Señor Presidente,
Estimado receptor más,

Por medio de la presente queremos manifestar nuestra preocupación por los actos de agresión personal y la vida hacia integrantes del Centro de Derechos Humanos Fray Bartolomé de Las Casas (Frayba); por parte del grupo de corte paramilitar Organización Para Defensa de los Derechos Indígenas y Campesinos (OPDICC) con la complicidad de funcionarios y policías del Gobierno del Estado.

Ante esta situación consideramos que estos actos violatorios a los derechos humanos, se enmarcan en una estrategia de contrainsurgencia operada, por el Gobierno Federal y Estatal a través de los distintos grupos paramilitares que existen en Chiapas y que hasta la fecha no se han desarticulado, con lo que se pone en riesgo y obstruye el trabajo en defensa de los derechos humanos del Frayba en favor de los pueblos y comunidades indígenas y no indígenas de Chiapas.

En este contexto nos preocupa que ante estos actos de hostigamiento, y agresiones sea una nueva escalada de los grupos paramilitares en Chiapas que generen las mismas condiciones que llevaron a la masacré de Acteal, al desplazamiento forzado de miles de personas y a la agresión contra defensores de derechos humanos.

La Comisión Interamericana de Derechos Humanos ha reiterado en repetidas ocasiones su preocupación de que las fuerzas de seguridad del Estado dirijan sus actividades de inteligencia y contrainsurgencia contra las organizaciones de derechos humanos y sus integrantes, exclusivamente en razón de sus actividades y obstruyan la defensa de los derechos humanos.

Ante los hechos, anteriormente narrados exigimos:

1.- El cese a la guerra de baja intensidad implementada en Chiapas con la:

a) Salida del Ejército del territorio indígena.

b) El desmantelamiento de los grupos paramilitares, que actúan bajo el cobijo del gobierno mexicano federal y estatal en las Zonas Altos, Norte y Selva de Chiapas.

c) El alto a la censura, control e instrumentalización de los medios de comunicación que denosta el trabajo de los defensores de derechos humanos y criminaliza la protesta social.

2.- Detención inmediata de los autores materiales e intelectuales de la agresión perpetrada en el Ejido Jotolá, hacia los ejidatarios de San Sebastián Bachajón y Jotolá adherentes a la Otra Campaña y en contra de Ricardo Lagunes Gasca integrante del Frayba.

3.- Que cesen las acciones de polarización y estigmatización, operadas por funcionarios del gobierno estatal, hacia el trabajo de defensa de derechos humanos que realizan los integrantes del Frayba.

4.- Se garanticen las condiciones básicas en la entidad y en el país, para hacer cumplir el respeto y ejercicio de los derechos humanos conforme a la Declaración de las Naciones Unidas Sobre el Derecho y el Deber de los Individuos, los Grupos, y las Instituciones de Promover y Proteger los Derechos Humanos y las Libertades Fundamentales Universalmente Reconocidos.

Atentamente,

Übersetzung

Sehr geehrter Herr Präsident,
Sehr geehrte weitere Empfänger,

Mit diesem Schreiben möchte (n) ich / Wir unsere Besorgnis über die lebensbedrohenden Aggressionen gegen Mitarbeiter des Menschenrechtszentrums Fray Bartolomé de Las Casas (Frayba) zum Ausdruck bringen, die von der paramilitärischen Organisation „Organisation für die Verteidigung der Indigenen und Bauern« (OPDICC) in Komplizenschaft mit Funktionären und Polizeiangehörigen der Regierung von Chiapas verübt wurden.

Diese menschenrechtsverletzenden Akte kennzeichnen die Aufstandsbekämpfungsstrategie, der föderalen und bundesstaatlichen Regierung.. Diese Strategie seitens der Regierung wird mittels verschiedener paramilitärischer Gruppen geführt, die in Chiapas existieren und die bis zum heutigen Zeitpunkt nicht demobilisiert wurden,. Außerdem gefährden diese Menschenrechtsverletzungen sowie die Strategie der Aufstandsbekämpfung die Arbeit des Menschenrechtszentrums zu Gunsten der indigenen und nicht-indigenen Völker und Gemeinden in Chiapas.

In diesem Kontext besorgt uns/ mich, dass angesichts dieser Vorfälle der Einschüchterung und Aggressionen eine neue Eskalation der paramilitärischen Gruppen in Chiapas bevorstehen könnte, die ein Klima schaffen ähnlich dem, das zum Massaker von Acteal, zur gewaltsamen Vertreibung von tausenden Personen und zu Aggressionen gegen MenschenrechtsverteidigerInnen führte.

Die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte hat wiederholt ihre Besorgnis darüber zum Ausdruck gebracht, dass die staatlichen Sicherheitskräfte ihre Geheimdienstaktivitäten gegen Menschenrechtsorganisationen und deren MitarbeiterInnen richten und so die Verteidigung der Menschenrechte behindern und gefährden.

Angesichts der oben genannten Fakten fordere/(n) ich/ Wir:

1. Ein Ende des in Chiapas geführten Krieges niederer Intensität:

a) den Abzug des Militärs aus den indigenen Territorien (Gebieten?).

b) die Demobilisierung der paramilitärischen Gruppen, die unter dem Schutz der föderalen und bundesstaatlichen Regierung in den Gebieten: Altos, Norte und Selva in Chiapas agieren.

c) den Stopp der Zensur, Kontrolle und Instrumentalisierung der Kommunikationsmedien mit welchen die Arbeit von MenschenrechtsverteidigerInnen und sozialer Proteste verunglimpft und kriminalisiert wird.

2. die sofortige Verhaftung der intellektuellen wie ausführenden Täter der Aggressionen, die im Ejido Jotolá gegen die ejidatarios aus San Sebastián Bachajón und Jotolá ( Anhänger der Anderen Kampagne) und gegen den Frayba Mitarbeiter Ricardo Lagunes Gasca begangen wurden.

3. die Einstellung der von Funktionären der bundesstaatlichen Regierung geführten Aktionen der Stigmatisierung und Polarisierung der Arbeit von Frayba.

4. Forder(e)n ich/wir von den zuständigen Behörden, dass notwendige Maßnahmen zugunsten des Respekts und der Ausübung der Menschenrechte eingeleitet werden, die der Erklärung der Vereinten Nationen über das Recht und die Verpflichtung von Einzelpersonen, Gruppen und Organen der Gesellschaft, die allgemein anerkannten Menschenrechte und Grundfreiheiten zu fördern und zu schützen, entsprechen.

Hochachtungsvoll,


 

Quelle: http://www.buko.info/carea/seiten/startseite.html

 

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