Gewaltsame Räumung indigener Gemeinden in Montes Azules
Unmittelbare Drohung neuer Räumungen
UA von Fray Bartolomé vom 03.02.2010
FrayBa
übersetzt von: Dana
 

Servicios y Asesoría para la Paz SERAPAZ (Dienste und Beratung für den Frieden)
Menschenrechtskomitee Fray Pedro Lorenzo de La Nada.
Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de Las Casas.

San Cristóbal de Las Casas, Chiapas,

03. Februar 2010.

AU-02

Dringende Aktion
Gewaltsame Räumung indigener Gemeinden in Montes Azules, Chiapas, durch die Bundes- und Staatsregierungen

Unmittelbare Drohung neuer Räumungen von indigenen Gemeinden in Montes Azules
Am 21 und 22 Januar 2010 wurden im Bezirk Ocosingo, in den Gemeinden Laguna El Suspiro bzw. El Semental und Laguna San Pedro bzw. San Pedro Guanil, letztere Gemeinde gehört zur Unterstützungsbasis der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung (BAEZLN), zwei Einsätze durchgeführt, die der Vertreibung der Gemeinden aus dem Biosphärenreservat Montes Azules dienten.

Laut Regierungsquellen handelte es sich bei den Einsätzen um eine koordinierte Aktion unter Beteiligung der Spezialpolizei der Generalstaatsanwaltschaft von Chiapas ((PGJE in spanischer Abkürzung), des Sicherheitsministeriums und Bürgerwehrs, der mexikanischen Generalstaatsanwaltschaft, des Amt für Umweltschutz (PROFEPA in spanischer Abkürzung), der Nationalen Naturschutzbehörde (CONANP in spanischer Abkürzung) und Vertretern der staatlichen Menschenrechtskommission.

Nach Aussagen der geräumten Familien der Gemeinde Laguna El Suspiro, landeten am Donnerstag, den 21. Januar 2010, gegen 11:00 Uhr vormittags mehrere Hubschrauber (die Angaben liegen zwischen 3 und 5), aus denen etwa 60 Polizisten ausstiegen, die schwarz bzw. in Tarnfarben uniformiert waren. Die Polizisten zerrten die Señoras María Cortes Pérez (nachfolgend María genannt) und Magdalena García Cortes (nachfolgend Magdalena) gewaltsam aus ihren Häusern und trieben sie zum Dorfzentrum. Danach wurden sie gezwungen in einen Hubschrauber zu steigen, um in die Bezirkshauptstadt von Palenque transportiert zu werden. Die Räumung erfolgte ohne Vorwarnung, und ohne ihnen irgendein offizielles Dokument vorzuzeigen, ohne irgendeine Erklärung, und ohne ihnen zu erlauben, irgendwelches persönliches Eigentum mitzunehmen.

Tags darauf, am Freitag, den 22. Januar 2010, gegen 10:00 Uhr Vormittags, landeten 4 Hubschrauber in Laguna San Pedro. Die BAELZN Gemeinde wurde von etwa 250 Polizisten umstellt. Den Einwohnern wurde mitgeteilt, der Einsatz erfolge auf Anweisung der Bundesregierung. Unter Einschüchterungen wurden 12 Personen, darunter Kinder, Frauen und Männer in die Hubschrauber verladen.

Die vertriebenen Familien berichten, nach Palenque geschaffen worden zu sein, wo einige der Personen zu Señor Marcos Minor Flores von der Fiskalstaatsanwaltschaft des Selva Distrikts gebracht wurden. Nach Aussage eines Vertriebenen wurden sie beim Verhör gefragt: »Wo habt ihr Drogen angebaut«. Nach Ende des Verhörs wurden sie gezwungen ein Dokument zu unterzeichnen, ohne dessen Inhalt zu kennen. Ihnen wurde weder ein Übersetzer noch ein Anwalt zur Verfügung gestellt. Danach wurden sie zu einer Unterkunft des staatlichen Systems für Integrale Entwicklung der Familie von Chiapas (DIF Regional) gebracht, ohne dass ihnen bis dahin eine Alternative zur Umsiedlung vorgestellt wurde.

Über den Verlauf der Zwangsräumung selbst berichten Augenzeugen aus der Region, dass alle Häuser und Besitztümer in den besagten Dörfern niedergebrannt worden sind.
Am 26. Januar 2010, gaben die Staats- und Bundesbehörden für Umweltschutz in einer Pressekonferenz bekannt, ein Projekt von touristischen Rundfahrten auf der Maya Route ins Leben zu rufen, das Schauplätze einbeziehen wird, die als Naturtourismus eingeschrieben sind. Dies solle einer Strategie der Entwicklung und Bewahrung der Selva Lacandona dienen. Darüber hinaus wurde bekannt gegeben, dass in den kommenden Tagen die Zwangsräumung der Gemeinden Nuevo San Gregorio, Nuevo Salvador Allende, Nuevo San Pedro, 6 de Octubre, das Dorf Laguna El Suspiro, Ojo de Agua el Progreso und San Jacinto Lacanjá erfolgen soll.

Hintergrund:
Seit mehreren Jahren haben die Bundes- und Staatsregierungen öffentlich die Durchführung von Zwangsräumungen angekündigt, und haben auf willkürliche Weise und unter Verletzung der Menschenrechte die indigenen Dörfer vertrieben, die seit mehreren Jahrzehnten in der Region des Biosphärenreservats Montes Azules ansässig gewesen sind. Dies ist Teil der offiziellen Strategie des Raubes, des Ausschlusses und der Diskriminierung, unter dem Vorwand des »Naturschutzes«, zugunsten von Investitionen nationaler und internationaler Interessen in den Branchen Tourismus und Forschung.

Verletzte Menschenrechte:
Bei der gewaltsamen Vertreibung wurden die folgenden Menschenrechte verletzt, die in den internationalen Vereinbarungen festgeschrieben und vom mexikanischen Staat unterzeichnet und ratifiziert worden sind:

− Das Recht auf persönliche Freiheit: in Laguna Suspiro bzw. El Semental wurden María und Magdalena aus ihren Häusern gezerrt, zum Dorfzentrum getrieben, und in das regionale DIF transportiert; in Laguna San Pedro wurden die Personen in Hubschraubern nach Palenque transportiert, ohne ihnen irgendeine Anordnung vorzuweisen, und der Fiskalstaatsanwaltschaft des Selva Distrikt unterstellt.

− Das Recht auf persönliche Unversehrtheit: María und Magdalena wurden auf gewalttätige Weise aus ihren Häusern gezerrt und gezwungen in den Hubschrauber zu steigen; desgleichen wurden die BAEZLN Familien gezwungen in die Hubschrauber zu steigen und nach Palenque transportiert; darüber hinaus erfolgte der Überfall auf bedrohliche und einschüchternde Weise.

− Das Recht auf persönliche Sicherheit: Ohne irgendeinen Räumungsbefehls vorzuweisen, drangen die Staats- und Bundesagenten unter willkürlichem Handeln in die Häuser ein, wie im Fall von María, Magdalena und der BAEZLN Familien.
− Das Recht auf angemessene Unterkunft: Alle Personen haben das Recht auf »angemessene Lebensbedingungen für sich selbst und ihre Familien, einschließlich (...), angemessener Behausungen und eine kontinuierliche Verbesserung der Existenzbedingungen«. Mit der Zwangsräumung der Personen, wurde dieses Recht negiert.

− Das Recht auf Land und Territorium: Das Internationale Abkommen über bürgerliche und politische Rechte [*1] legt in Artikel 47 fest: »Keine Bestimmung dieses Abkommens (einschließlich das Recht auf Eigentum) ist so auszulegen, dass sie das allen Völkern innewohnende Recht auf den Genuss und die volle und freie Nutzung ihrer natürlichen Reichtümer und Mittel beeinträchtigt«.

Desgleichen unterließen es die Bundes- und Staatsregierung auf systematische Weise ihren Verpflichtungen nachzukommen, die ihnen mit der Unterzeichnung und Ratifizierung der ILO Konvention Nr. 169 [*2] obliegen, und verletzten insbesondere die Rechte, die in Artikel 6 festgelegt sind: »... die Regierungen haben die betreffenden Völker durch geeignete Verfahren und insbesondere durch ihre repräsentativen Einrichtungen zu konsultieren«; Artikel 14: »Die Eigentums- und Besitzrechte der betreffenden Völker über das von ihnen traditionell besiedelte Land sind anzuerkennen«; In Artikel 10 der Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der Indigenen Völker [*3]: »Die indigenen Völker dürfen nicht gewaltsam von ihrem Land oder ihren Gebieten vertrieben werden. Keine Umsiedlung darf erfolgen, ohne die vorherige freie und informierte Zustimmung der betroffenen Völker, und ohne eine vorherige Einigung über eine gerechte und angemessene Entschädigung, und, wenn möglich, mit der Option einer Rückkehr.«
All dies zeigt, dass die Zwangsräumung und die Politik der territorialen Umordnung, die in den Montes Azules angewendet wird, in keiner Weise die Menschenrechte beachtet, im Gegenteil, unter ihrem Deckmantel betreibt der mexikanische Staat Raub, juristische Unsicherheit und beeinträchtigt auf schwere Weise die Möglichkeit der indigenen Familien, ein würdiges Leben zu führen.

Aufgrund der erwähnten Vorfälle, rufen das Menschenrechtskomitee Fray Pedro Lorenzo de la Nada, der Servicio y Asesoría para la Paz (SERAPAZ) und das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de Las Casas (Frayba) dazu auf, Protestbriefe an die mexikanische Regierung zu schicken − siehe Musterbrief.

[*1] Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte

[*2] ILO Konvention 169

[*3] UN-Erklärung für die Rechte indigener Völker

Briefmuster

Betreff: Desplazamiento forzado de comunidades indígenas en Chiapas

Los días 21 y 22 de enero 2010 se realizaron dos operativos de desalojo en las comunidades de Laguna El Suspiro y Laguna San Pedro, municipio de Ocosingo, en la región de los Montes Azules por unidades de la policía y autoridades del estado. Los operativos fueron realizados sin advertencia previa.

A los habiantes de las dos comunidades no se les permitió llevar pertenencias personales. Testigos presenciales de la región reportaron que todas las casas y propiedades de las comunidades fueron destruidas.

El 26 de Enero de 2.010 tuvo lugar una rueda de prensa de funcionarios estatales y locales de medioambiente en la que se dió a conocer un nuevo proyecto turístico de ciudades históricas mayas, que se llevará a cabo en Honduras, Guatemala y a México. En relación con este proyecto y en concreto con los de ecoturismo, se informó del desalojo forzado de otras comunidades de los Montas Azules.

Según testimonios de las familias desplazadas, fueron trasladados a la ciudad de Palenque donde fueron obligados a firmar un documento cuyo contenido desconocían. No fue puesto a su disposición ni un traductor ni un abogado. Posteriormente fueron alojados en dependencias públicas sin haberles dado una alternativa.

Estos desalojos forzados fueron llevados a cabo infringiendo una violación grave de los derechos económicos, sociales y culturales. Debido a ello exigimos al gobierno federal y al gobierno del estado de Chiapas:

1) el cumplimiento de las recomendaciones de los encargados especiales de la ONU para la situación de los derechos humanos y libertades básicas, y en especial el respeto a los pueblos indígenas y detener los desalojos forzados en los Montes Azules.

2) el cumplimiento por parte del gobierno mexicano de sus obligaciones recogidas en el Artículo 11.1 del pacto sobre derechos económicos, sociales y culturales.

3) posibilitar el regreso de los desalojados de Laguna El Suspiro y Laguna San Pedro o en su caso ofrecer una alternativa real de vida, y reparar los daños y pérdidas sufridas.

Übersetzung

Anrede wird automatisch personalisiert hinzugefügt.

Gewaltsame Räumung indigener Gemeinden in Chiapas

Am 21. und 22. Januar 2010 wurden in den Gemeinden Laguna El Suspiro und Laguna San Pedro im Bezirk Ocosingo, Region Montes Azules, von Polizeieinheiten und staatlichen Behörden zwei gewaltsame Räumungen durchgeführt. Diese erfolgten ohne Vorwarnung. Zudem wurde den BewohnerInnen der beiden Gemeinden nicht erlaubt, persönliches Eigentum mitzunehmen. Augenzeugen aus der Region berichteten, dass alle Häuser und Besitztümer in den besagten Dörfern niedergebrannt worden seien.

Am 26. Januar 2010 gaben die Staats- und Bundesbehörden für Umweltschutz in einer Pressekonferenz bekannt, ein weiteres Tourismusprojekt entlang historischer Maya-Stätten von Honduras über Guatemala bis Mexiko ins Leben zu rufen. Dies beinhaltet so genannte Ökotourismusprojekte. Darüber hinaus wurde die Zwangsräumung weiterer Gemeinden in den Montes Azules bekannt gegeben.

Nach Aussage der vertriebenen Familien wurden sie in die Stadt Palenque gebracht, dort verhört und gezwungen, ein Dokument ohne Kenntnis des Inhaltes zu unterzeichnen. Ihnen wurde weder ein Übersetzer noch ein Anwalt zur Verfügung gestellt. Danach wurden sie in den Räumlichkeiten einer staatlichen Behörde untergebracht, ohne dass ihnen eine Alternative zur Umsiedlung vorgestellt worden sei.

Diese Zwangsräumungen erfolgten unter massiver Verletzung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte. Deshalb fordere ich die mexikanische und chiapanekische Regierung auf

1) die Empfehlungen des UN-Sonderbeauftragten für die Lage der Menschenrechte und Grundfreiheiten, insbesondere der Indigenen Völker umzusetzen und die Zwangsräumungen in den Montes Azules einzustellen!

2) ihren Verpflichtungen gemäß Artikel 11.1 des Paktes über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte nachzukommen!

3) den Vertriebenen von Laguna El Suspiro und Laguna San Pedro die Rückkehr zu ermöglichen oder ihnen eine angemessene alternative Lebensgrundlage zu bieten und sie für die entstandenen Schäden und Verluste zu entschädigen!


 

Quelle: http://www.frayba.org.mx

 

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