Mexiko: Oaxaca brennt

Lehrerstreik in Mexiko unter Beschuss; Codigo DH betreut Repressionsopfer

medico internat. (CH) vom 21.06.2016

 

21/06/2016 Im September 2014 verschwanden 43 Lehramtsstudenten von Ayotzinapa in Iguala, Guerrero, spurlos. Ihre Angehörigen gehen davon aus, dass sie mit der Beihilfe des Militärs ermordet wurden. Bis heute ist ihr Verschwinden ungeklärt. Ihr Vergehen war es, den Töchtern und Söhnen der Bauernfamilien Lesen und Schreiben, kritisches Wissen und solidarisches Bewusstsein beibringen zu wollen. Auch entschied die Regierung Mexikos neoliberale Reformen im Bildungswesen zu erzwingen, ohne dies mit den LehrerInnen abzustimmen, geschweige denn zu diskuteren. Nun ist die Lehrergewerkschaft CNTE gegen diese Reformen auf die Strasse gegangen. Kern der Reform ist ein Bewertungssystem von Lehrkräften, das zu einer scharfen Selektion führen soll. Gerade die Lehrkräfte aus ländlichen Gebieten befürchten dadurch, mit ihrer an die Bedürfnisse der Bauernkinder adaptierten Unterrichtsweise den Ansprüchen nicht zu genügen und durch regimetreue Lehrkräfte ersetzt zu werden, die diesen Kindern schon früh die Freude am Lernen verderben und einem schleichenden Ausschluss der Armen aus dem Bildungssystem Vorschub leisten werden

Das hat LehrerInnen und die Eltern der Schulkinder mobilisiert. In Oaxaca brennen die Städte, die Repression von Seiten der Polizei wird immer härter. Allein am vergangenen Wochenende wurden acht Menschen im Städtchen Nochixtlán und ein jugendlicher Demonstrant in der Hauptstadt erschossen und über 100 Personen verletzt, obwohl die Polizei verleugnet, scharf zu schiessen. Die Toten weisen Schussverletzungen an Kopf und Oberkörper auf. Eine Ärztebrigade ist unterwegs, um die Todesursache der Opfer festzustellen und Bilder von den Erschossenen zu machen. Denn sie befürchten, dass der mexikanische Staat einmal mehr behaupten wird, die Ermordeten seien an einem Herzinfarkt verstorben. Auch in Chiapas, Guerrero, Michoacán und Mexico-Stadt gehen die Leute auf die Strasse. Allein, die Regierung Peña verweigerte bisher jeglichen Dialog mit den Protestierenden.
Unsere Projektpartner vor Ort befürchten eine weitere Eskalation der Repression bis hin zur Ausrufung des Ausnahmezustandes, was dem Terror von Seiten des Staates Tür und Tor öffnen würde. Die KollegInnen von Codigo DH betreuen die Familienangehörigen der Repressionsopfer. Einen ersten Erfolg kann Codigo DH vermelden: Sie berieten juristisch Angehörige der 20 Gefangenen von Nochixtlán, die arbiträr inhaftiert wurden und nach zweieinhalb Tagen freikamen. Ausserdem ist das Team von Codigo DH in diesem ersten Moment vor Ort, um unabhängige Zeugenaufnahmen zu machen und abzuklären, was wirklich geschah. Auf Antrag von Codigo DH ist auch die Nationale Menschenrechtskommission CNDH in Nochixtlán, um Menschrenrechtsverletzungen zu dokumentieren und erste Schritte gegen die Täter einzuleiten.

Die gewaltsamen Ereignisse, insbesondere das Massaker im indigenen Städtchen Nochixtlán, hat den politischen Preis für die Kriminalisierung der LehrerInnen sehr hoch getrieben. Am Mittwoch den 22. Juni, nach vielen Monaten des Protests, fand ein erstes Treffen zwischen der Gewerkschaft und der Regierung statt. Gleichzeitig breitet sich eine Welle der Empörung im Land aus, ähnlich den Monaten nach dem Verschwinden der Studenten von Ayotzinapa. medico international schweiz wird die Ereignisse in Südmexiko weiterhin genau verfolgen und die Partnerorganisation nach Möglichkeiten in ihrer Arbeit unterstützen. Wir zählen dabei auch auf Ihre Solidarität mit der widerständigen Bevölkerung!

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Quelle: http://www.medicointernational.ch


 

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