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Mehrere Umweltschützer getötet oder verschollen
Poonal vom 03.03.2023 |
Philipp Gerber |
Gemeindemitglieder aus Aquila (Michoacán) fordern, dass Ricardo Lagunes und Antonio Díaz lebend wiedergefunden werden. Am 21. Januar blockierten sie den Eingang des Bergweks Las Encinas. Sie geben Minenbetreiber Ternium eine Mitschuld an dem Verschwinden der beiden. Foto: Desinformémonos
(Oaxaca-Stadt, 1. März 2023, amerika21/poonal).- Im zentralmexikanischen Bundesstaat Michoacán wurden in diesem Jahr bereits vier indigene Aktivisten erschossen, zwei weitere verschwanden spurlos. Der Indigene Rat von Michoacán spricht von einem Klima der Unsicherheit und Straflosigkeit. Auch im Bundestaat Hidalgo wurde ein Umweltschützer tot aufgefunden. Während die Behörden von einem Unfall ausgehen, befürchtet sein Freundeskreis einen Mord.
In Michoacán ist Alfredo Cisneros Madrigal, ein Waldschützer aus der indigenen Gemeinde Sicuicho, in der Nacht zum 21. Februar erschossen worden. Das teilte der Oberste Indigene Rat von Michoacán CSIM (Consejo Supremo Indígena de Michoacán) mit. Cisneros, der sich für die Autonomie seiner Gemeinde einsetzte, war Präsident des Dorflandrates von Sicuicho und »ein unermüdlicher Verteidiger der Wälder, des Territoriums und der kollektiven Rechte«, so die Organisation in einer Erklärung.
Darin führt der Rat weiter aus, dass die indigene Purépecha-Gemeinde Sicuicho jüngst von Vertreter*innen der Avocado-Industrie bedrängt worden sei, die beabsichtigen, die Landnutzung der Kieferwäldern für einen »maßlosen Anbau« von Avocados zu ändern. Von den Landes- und Bundesbehörden fordert er die Aufklärung des Verbrechens und die »Bestrafung der Drahtzieher und unmittelbaren Täter« sowie Sicherheitsgarantien für die Gemeindemitglieder. Der CSIM prangert an, dass in Michoacán in den letzten Jahrzehnten mehr als 60 soziale Aktivist*innen, Wald- und Umweltschützer*innen sowie Gemeindeautoritäten ermordet wurden oder verschwunden sind, »weil sie das Leben und die natürlichen Ressourcen verteidigt und gegen soziale Ungerechtigkeiten gekämpft haben«. Kein einziger Fall sei aufgeklärt worden, obwohl entsprechende Anzeigen erstattet wurden. »In Michoacán herrschen Unsicherheit und Straflosigkeit«.
Welle der Gewalt gegen Indigene in Michoacán
Der Oberste Indigene Rat von Michoacán hatte einen Tag vor dem jüngsten Mord zahlreiche Aktivist*innen aus über 60 Purépecha-, Nahua-, Otomi- und Mazahua-Gemeinden mobilisiert. Sie blockierten die wichtigsten Straßen des Bundesstaates, um Gerechtigkeit für dutzende ermordete oder gewaltsam verschwundene Menschenrechtsaktivist*innen und Umweltschützer*innen zu fordern.
Die indigenen Gemeinden im Bundesstaat Michoacán, der seit 2021 von der gemäßigt linken Morena-Partei regiert wird, sind mit einer Welle der Gewalt konfrontiert. Am 10. Dezember 2022, dem Tag der Menschenrechte, wurde der Waldschützer Pedro Pascual in der Purepecha-Gemeinde Ocumicho ermordet. Auch dieses Jahr griffen bewaffnete Banden Aquila mehrfach an, drei Mitglieder der Selbstverteidigungsstruktur »Guardia Comunal« aus der der Nahua-Gemeinde Santa María Ostula wurden am 12. Januar 2023 erschossen. Auch die beiden drei Tage später verschwundenen Menschenrechtsverteidiger haben in der Vergangenheit direkte Drohungen seitens des Bergbauunternehmens und bewaffneter Gruppen erhalten.
Gemeindeaktivist und Menschenrechtsanwalt seit 40 Tagen verschwunden
Nur drei Tage später, am 15. Januar, verschwanden Antonio Díaz Valencia, Kandidat für den Vorstand der Gemeindeländereien von Aquila, und der Menschenrechtsanwalt Ricardo Lagunes Gasca. Die beiden hatten Momente zuvor an einer Sitzung in Aquila teilgenommen, bei der das Bergbauunternehmen Ternium wegen Nichteinhaltung von Vereinbarungen mit den Gemeinden kritisiert wurde. Das transnationale lateinamerikanische Stahlunternehmen mit Sitz in Luxemburg betreibt in Aquila die Mine »Las Encinas«. Wie die Deutsche Menschenrechtskoordination Mexiko mitteilte, wirft die Bevölkerung vor Ort dem Unternehmen seit langem vor, die vereinbarten Lizenzgebühren nicht zu bezahlen und die Umwelt zu verschmutzen. Im Bergbausektor sind zudem ebenfalls Gruppen der Organisierten Kriminalität aktiv.
Auch 40 Tage nach dem Verschwinden von Ricardo Lagunes y Antonio Díaz gibt es keine Spur von ihnen. Angehörige kritisieren, dass seitens der Behörden nicht genug versucht werde, um die beiden noch lebend zu finden.
Tod eines weiteren Umweltaktivisten in Hidalgo
Abisaí Pérez Romero, Umweltaktivist und Journalist, wurde am 13. Februar tot aufgefunden. Die Menschenrechtsorganisation Artículo 19 spricht von Mord. Foto: Desinformémonos
Der junge Umweltaktivist und Journalist Abisaí Pérez Romero ist am 13. Februar außerhalb der Stadt Tula auf einer Schotterstraße neben seinem Fahrrad tot aufgefunden worden. Seine Familie meldete ihn seit dem Vortag als vermisst. Pérez Romero dokumentierte verschiedene Widerstandsprozesse der indigenen Gemeinden im zentralmexikanischen Bundesstaat Hidalgo.
Während der Freundeskreis von Abisaí Pérez und soziale Organisationen ein Gewaltverbrechen aufgrund seines Aktivismus vermuten, gaben die lokalen Untersuchungsbehörden bekannt, der Körper des Studenten habe Verletzungen am Kinn durch einen Sturz aufgewiesen, weshalb sie seinen Tod als Unfall zu den Akten legen wollen.
Abisaí studierte an der linken Autonomen Universität von Mexiko-Stadt (UACM), wo er unter anderem Dokumentarfilme realisierte. Er stand in Kontakt mit dem Netzwerk für Umweltbewusstsein „Queremos Vivir« (Wir wollen leben), welches die Schäden anprangert, die der Bevölkerung des Mezquital-Tals in Hidalgo durch den Bau eines gigantischen Abwassertunnels von Mexiko-Stadt entstehen. Das Mezquital-Tal ist aufgrund seiner Abwässer- und Abfallproblematik als eine der „Umwelthöllen« Mexikos bekannt.
Investigativreporter und Umweltschützer
Pérez Romero stand ebenfalls in Verbindung mit dem Umweltverteidigungskomitee von Atitalaquia, das die Einrichtung einer Mülldeponie in der Gemeinde Dendhó anprangert und Gerechtigkeit für die Ermordung von Jesús Bañuelos Acevedo fordert. Dieser Aktivist wurde im Protestcamp gegen die Mülldeponie am 20. Juni 2022 von einem bewaffneten Kommando ermordet, die Tat blieb bis heute straffrei.
Der 29-jährige Pérez Romero dokumentierte die Umweltproblematiken Hidalgos und die Repression gegen Menschenrechtsaktivist*innen in verschiedenen journalistischen Arbeiten, unter anderem als Reporter in der Sendung Son Politikón FM auf Radio Violeta und mit Recherchen auf der investigativen Plattform Atlas de Justicia Ambiental.
Zahlreiche Journalistenverbände und Umweltorganisationen fordern die mexikanischen Behörden auf, den gewaltsamen Tod von Abisaí Pérez Romero aufzuklären.
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Quelle: poonal
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