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Verschnaufpause für Migrant*innen in Oaxaca
Poonal vom 02.05.2024 |
Miriam Flores und Knut Hildebrandt |
(Oaxaca, 29. April 2024, npla).- Die Auswirkungen von Klimakrise, Armut und Gewalt lassen immer mehr Menschen ihre Heimat verlassen und ein besseres Leben im globalen Norden suchen, auch in Lateinamerika. Auf ihrer Reise Richtung USA kommen täglich mehrere hundert Migrant*innen in Oaxaca de Juárez, der Hauptstadt des gleichnamigen südmexikanischen Bundesstaates, an. Als 2023 die im Zentrum der Stadt von der Kirche betriebene Herberge schloss, gab es keinen Ort mehr, an dem sie sich von den Strapazen der Reise erholen und Energie für den weiteren Weg tanken konnten. Ein kleiner Verein, das Centro de Apoyo para Migrantes Universales − Collin A.C., versucht seitdem, diese Lücke zu schließen und ihnen eine kurze Verschnaufpause in Oaxaca zu ermöglichen.
Auf einem Markt im Zentrum Oaxacas
Ein Markt im Zentrum Oaxacas, kurz nach neun Uhr morgens. Rollläden werden hochgeschoben und Tische herausgestellt. Entlang einer Freitreppe drängt sich ein knappes Dutzend kleiner Restaurants. Vor einigen sitzen Leute, frühstücken, unterhalten sich. Ein Musiker steht auf der Treppe und singt ein Lied. In der Küche eines der Restaurants arbeitet ein drahtiger Anfang-Sechziger mit graumeliertem Haar. Der Mann heißt Drew Johnson und kommt aus Kalifornien.
Die letzten 25 Jahre lebte Johnson, der einen Teil seiner Jugend in Mexiko verbracht hat, jedoch außerhalb der Vereinigten Staaten. Mittlerweile nennt er Oaxaca de Juárez seine Heimat. Hier hat er eins der kleinen Restaurants am Markt gemietet, allerdings nicht, um die lokale Bevölkerung oder Tourist*innen mit Oaxacas kulinarischen Spezialitäten zu verwöhnen. Hier wird für Migrant*innen gekocht, außerdem werden Kleidung, Schuhe, Decken, Medizin, alles was sie benötigen, verteilt, erklärt Johnson seinen Ausflug in die Gastronomie Oaxacas. Und sie können auch kostenlos ihre Handys aufladen, ergänzt er.
Migrant*innen weiter unterstützen
Seit seiner Ankunft in Oaxaca unterstützte Johnson die Arbeit der im Zentrum der Stadt gelegenen Herberge für Migrant*innen. Als diese 2023, angeblich wegen fehlender Finanzierung, ihre Pforten schloss, gründete er zusammen mit zwei ehemaligen Mitarbeiterinnen den Verein Centro de Apoyo para Migrantes Universales − kurz Collin A.C.. Ihr Ziel: die in Oaxaca ankommenden Migrant*innen weiterhin so gut wie möglich zu unterstützen.
Zusammen mit Johnson treffen wir John Carrillo in der Küche. Die beiden sind bereits früh auf den Beinen, um alles für den Ansturm des Tages vorzubereiten. Carillo stammt aus Kolumbien und hat sich selbst vor einem Jahr auf den Weg Richtung USA gemacht. Dort hoffte er, eine bessere Zukunft zu finden. Doch die Reise war nicht einfach für Carillo, er ist müde und möchte in Oaxaca bleiben und hier ein neues Leben aufbauen, mit Hilfe von Drew Johnson.
Jetzt arbeitet Carillo regelmäßig in der Küche. Er hilft, das Essen zuzubereiten, das später in nahegelegenen Parks oder an Bushaltestellen an etwa 400 Migrant*innen verteilt wird. Für Carillo ist das ein erster Schritt, um in Oaxaca heimisch zu werden. Er hilft aber auch, weil er weiß, wie wichtig diese Unterstützung für die Migrant*innen ist.
Schon Kleinigkeiten machen einen großen Unterschied
Vor der Küche bildet sich langsam eine kleine Schlange. Die einen fragen, ob sie Wasserflaschen auffüllen können, andere möchten ihre Handys aufladen. Carrillo nimmt diese geduldig entgegen, schließt sie an Ladegeräte an und vergibt Wartenummern. Auf die Frage, was das Aufladen kostet, antwortet er: Nichts.
In der Schlange stehen auch Maria und Leomelisin. Beide stammen aus Venezuela und sind auf dem Weg in die USA. Maria hatte von einem Bekannten gehört, dass sie in der Küche ihre Handys aufladen können. Dass sie dafür nichts zahlen müssen, ist eine große Hilfe für die beiden Frauen, das Geld benötigen sie nämlich dringend an anderer Stelle. Denn sie zahlen fast 300 Prozent des normalen Fahrpreises. Wie Maria berichtet, ist es üblich, dass mexikanische Busfahrer von Migrant*innen höhere Ticketpreise kassieren. Gerade hier in Mexiko, wo sie oft von der Migrationsbehörde verhaftet und zurückgeschickt werden, ist das ein großes Problem. Denn dann fangen sie von vorne an, müssen noch mal Fahrgeld bezahlen, ergänzt Leomelisin. Oft geht dann das Geld aus, und sie müssen zu Fuß gehen, was ihr besonders schwerfällt, denn Leomelisin reist mit ihrer Mutter und der kleinen Tochter. Aber nicht nur das Laufen macht den Frauen zu schaffen. Oft sind sie schutzlos dem Wetter ausgesetzt, der seit Monaten anhaltenden Dürre und auch der nun kommenden Regenzeit.
Finanzierung für einen sicheren Ort verzweifelt gesucht
Die bevorstehende Regenzeit bereitet auch Drew Johnson Sorgen. Denn viele der Migrant*innen übernachten im Freien, auf der Straße, auf Plätzen oder, etwas geschützter, an Busbahnhöfen. Zugang zu sanitären Einrichtungen haben sie dort kaum und müssen deshalb oft ihre Notdurft im Freien verrichten. Das wiederum empört die Nachbar*innen.
Es sind allerdings nicht nur das Wetter und fehlende Sanitäreinrichtungen, die den Migrant*innen das Leben schwer machen. Auf der Straße sind sie, vor allem nachts, immer wieder Angriffen ausgesetzt oder werden von der Polizei und der Migrationsbehörde aufgegriffen. Deshalb sucht Collin A.C. verzweifelt einen Ort, wo die Migrant*innen nachts bleiben können, eine Lagerhalle vielleicht.
Doch dafür wird dringend finanzielle Unterstützung benötigt. Denn um der stets wachsenden Zahl von Migrant*innen helfen zu können, braucht es mehr als das Engagement und die Spenden aus Oaxacas Expat-Community. Eine langfristige Finanzierung würde es dem Centro de Apoyo para Migrantes Universales ermöglichen, einen Ort zu mieten, an dem es den Migrant*innen einen Platz zum Schlafen und sanitäre Einrichtungen bieten kann. Und vielleicht entsteht daraus auch eine neue Herberge. Da aber kaum mit der dauerhaften Finanzierung einer weiteren Herberge durch die Stadt zu rechnen ist, bemüht sich Collin A.C. um internationale Unterstützung, baut Kontakte zu Stiftungen und Vereinen in den USA und Europa auf.
Nachbemerkungen
Die Stadtverwaltung hat mehrere Versuche unternommen, die Situation in den Griff zu bekommen und sogar eine temporäre Herberge außerhalb des Zentrums eröffnet. Mittlerweile hat auch die von der Kirche betriebene Herberge ihre Türen wieder geöffnet, allerdings mit stark eingeschränktem Angebot. Angesichts der steigenden Zahl an Migrant*innen, die nach Oaxaca kommen, kann sie nur noch wenigen von ihnen Schutz bieten und das auch nur für ein oder zwei Nächte. Es wird also dringend eine nachhaltige Lösung benötigt. Und diese möchten Drew Johnson und seine Mitstreiter*innen schaffen.
Einen Audiobeitrag zu diesem Thema findet ihr hier.
Und hier geht’s zum Spendenaufruf der Initiative.
Quelle: poonal
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