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Angehörige Verschwundener im Krieg mit der Regierung
Poonal vom 06.09.2024 |
übersetzt von Deborah Schmiedel |
Der Staat vernachlässigt seine Pflicht
Aktuell sind 116.302 Menschen als verschwunden registriert. Die Suche nach den Vermissten übernehmen Familienangehörige, Schwestern, Töchter, Mütter. Zwei von ihnen sind Patricia und Fabiola. Patricias Sohn Fernando Hernández de la Cruz verschwand am 22. Juni 2022 in der Gemeinde Altamira, Tamaulipas. Im Jahr 2023 wurde er aus den Akten der Bundesregierung gestrichen, zusammen mit fast 11.000 Personen, die während der Nationalen Strategie der Allgemeinen Suche verschwunden waren. Fabiolas Schwester wurde am 12. August in Reynosa entführt. Zuletzt hatte sie bei der Einwanderungsbehörde von ihr gehört. Nach mehreren Erpresseranrufen zahlte sie 70.000 Pesos. Danach: nichts mehr. Aufgrund des Erfassungssystems ist es nicht möglich zu ermitteln, wie viele Frauen lebend auftauchen, wie viele tot aufgefunden werden und aus welchen Gründen sie verschwunden sind. Die meisten Opfer sind minderjährig. Laut Karla Quintana, ehemals Leiterin der nationalen Suchkommission, bleiben über 20 Prozent verschwunden. Der Protest der Mütter macht deutlich, dass Mexiko in einer humanitären Krise steckt. Frauen spielen eine führende Rolle bei der Suche nach den Angehörigen; es sind die Mütter, die nach ihren Töchtern und Söhnen suchen und die Arbeit erledigen, die der Staat vernachlässigt. Auf den Bildern der nationalen und internationalen Medien sind sie jedoch nicht zu sehen. 15 Angehörige von Verschwundenen haben sich auf dem Zócalo versammelt. Mit ihrer Anwesenheit und den Fällen ihrer verschwundenen Töchter und Söhne konterkarieren sie alle positiven Zahlen einer Präsidentenrede. Sie trotzen der Gleichgültigkeit der Behörden gegenüber dem gewaltsamen Verschwinden ihrer Töchter und Söhne, kampieren seit nunmehr drei Wochen neben dem Fahnenmast und warten regungslos auf Antworten. Sie hoffen, im Nationalpalast von Andrés Manuel López Obrador, dem derzeitigen Präsidenten des Landes, und von Claudia Sheinbaum Pardo, die wenige Wochen vor ihrem Amtsantritt steht, empfangen zu werden.
Solidarität aus der Bevölkerung, doch keine Reaktion seitens der Politiker*innen
María Gallo aus dem Süden der Stadt ist eine der Unterstützerinnen. Sie hörte in den Nachrichten von der Aktion und beschloss, den suchenden Müttern Essen zu bringen, um ihnen zu zeigen, dass »sie nicht allein sind.« Für Patricia de la Cruz ist das, was sie am meisten brauchen, die physische Unterstützung der Menschen. Sie appelliert an die Gesellschaft, nicht länger gleichgültig zu bleiben, und freut sich über alle, »die kommen, um uns zu helfen, es macht nichts, wenn sie nicht über Nacht bleiben, aber Gouverneur López Obrador muss sehen, dass es viele Menschen gibt, die diese Sache unterstützen.« In den vergangenen drei Wochen hat sich allerdings nicht ein*e Regierungsvertreter*in die Zeit genommen, um mit ihnen zu sprechen.
Im Gespräch mit Cimacnoticias berichten die Protestierenden, wie sie das Camp organisieren: Das Lager besteht seit dem 18. August. Es gibt fünf Zelte. In einem lagern die Lebensmittel, die dank der Sachspenden bisher nicht knapp geworden sind. Die Anwesenden rotieren wochenweise. Patricia erklärt: »Es ist nicht einfach, sein Zuhause zu verlassen und hierher zu kommen, um ein Lager zu errichten, in dem alles fehlt«. Zum Beispiel sanitäre Einrichtungen. Dank zweier privater Unterstützer konnte zumindest eine tragbare Toilette angeschafft werden, es wurde ihnen jedoch verwehrt, sie innerhalb des Lagers aufzustellen, so dass sie nun 100 Meter laufen müssen, um sie zu erreichen. Weitere Schwierigkeiten bereiten das Wetter und die Sicherheitslage: Es wurden mehrere Mobiltelefone gestohlen, und es gab mehrere sintflutartige Regenfälle.
Schutz für suchende Angehörige gefordert
Anfang des Jahres waren Angehörigenverbände vor die Interamerikanische Menschenrechtskommission gezogen, um das Problem des Verschwindenlassens und die Reaktion des mexikanischen Staates auf die Fakten darzustellen. Das Programm der Sitzung begann am Mittwoch, den 28. Februar um 8 Uhr morgens in Mexiko-Stadt mit einer Präsentation von Frauenkollektiven, die nach Verschwundenen aus Puebla, Guanajuato, Zacatecas, Jalisco und Sinaloa suchen. In ihrer Erklärung hieß es: »Angesichts der Unfähigkeit des mexikanischen Staates, das Problem der Gewalt gegen Familienangehörige von Verschwundenen zu lösen, haben Organisationen der Zivilgesellschaft eine Anhörung vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission beantragt, um auf die Situation der extremen Gewalt aufmerksam zu machen, der sie ausgesetzt sind. 16 Angehörige wurden bereits ermordet, zwei von ihnen in diesem Jahr, und eine suchende Angehörige wurde als vermisst gemeldet.« Die Vertreter*innen der zivilgesellschaftlichen Verbände ergänzten: »Der mexikanische Staat ist nicht nur ineffizient bei der Suche nach Verschwundenen, sondern es scheint auch, dass er die Verpflichtung, diese Arbeit zu leisten, stillschweigend an die Familienangehörigen abgetreten hat«, obwohl es für sie Re-Viktimisierung und Bedrohung durch das organisierte Verbrechen bedeutet.
Die Krise nicht länger verharmlosen
Auch bei ihrem aktuellen Protest fordern die Menschenrechtsverteidiger*innen Schutz und Unterstützung. Auf einem der Transparente steht: »Angehörige Verschwundener − im Krieg mit der Regierung«. »Der mexikanische Staat unternimmt nichts, um die Suchenden in die Mechanismen ihrer Verteidigung einzubeziehen, sie werden nicht in den Prozess integriert und haben keinen Schutz auf Bundesebene. Aktuell müssen sich die suchenden Mütter selbst um ihre Sicherheit kümmern«, sagt María Luisa Aguilar, Koordinatorin der internationalen Abteilung des Menschenrechtszentrums Miguel Agustín Pro Juárez (Prodh). »Ich fordere daher den mexikanischen Staat auf, seiner Pflicht nachzukommen, den Schutz von Tausenden von suchenden Frauen zu gewährleisten und die derzeitige Krise mit mehr als hunderttausend Vermissten nicht zu verharmlosen.«
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Quelle: poonal
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