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Der Bürgermeister punktet

junge welt vom 29.04.2005
Gerold Schmidt (npl), Mexiko-Stadt

 

Mexiko nach der historischen Großdemonstration: Präsident Fox schwenkt auf Dialog mit linkem Konkurrenten um und entläßt Bundesstaatsanwalt

Im Dauerstreit mit Andrés Manuel López Obrador, dem populären Bürgermeister von Mexiko-Stadt, hat die mexikanische Regierung eine Kehrtwende vollzogen. Präsident Vicente Fox von der konservativen Partei der Nationalen Aktion (PAN) entließ am späten Mittwoch abend (Ortszeit) seinen Bundesstaatsanwalt. Weitere hochrangige Justizfunktionäre mußten ebenfalls ihren Rücktritt einreichen. Auf Antrag der Bundesstaatsanwaltschaft hatte Anfang April eine Parlamentsmehrheit dem linksmoderaten Bürgermeister und aussichtsreichsten Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen 2006 die Immunität entzogen. Offizielles Ziel war ein Strafverfahren gegen López Obrador wegen angeblicher Mißachtung eines gerichtlich angeordneten Baustopps durch seine Administration. Die Öffentlichkeit sah dagegen das Hauptmotiv politisch begründet: Der Regierung und der das Land zuvor 70 Jahre beherrschenden Institutionellen Revolutionären Partei (PRI) ging es darum, den Bürgermeister seines Amtes zu entheben und ihn als Präsidentschäftskonkurrenten auszuschalten.

Juristische Pannen, internationales Unverständnis, Umfragewerte und Massenmobilisierungen für López Obrador setzten Präsident Fox jedoch zunehmend unter Druck. Noch am vergangenen Sonntag nahmen laut Schätzungen bis zu 1,2 Millionen Menschen an einem Schweigemarsch für den Bürgermeister teil. Ein historischer Meilenstein für politische Demonstrationen in Mexiko. In einer Ansprache versuchte Fox, sein überraschend schnelles Zurückrudern mit seiner Pflicht zu begründen, die »nationale Einheit zu fördern«. Seine Regierung werde niemand die Teilnahme an den nächsten allgemeinen Wahlen verwehren. Aus »Herrn López«, so die Sprachregelung der vergangenen Tage in der Präsidentenresidenz, wurde wieder der »Regierungschef von Mexiko- Stadt«. Der juristische Konflikt soll nun im Rahmen des Gesetzes politisch gelöst werden. Innenminister Santiago Creel antwortete im Fernsehen auf die Frage, ob López Obrador 2006 auf den Stimmzetteln stehen werde, falls ihn seine Partei als Präsidentschaftskandidaten aufstellen würde, mit einem klaren und knappen »Ja«. Ein baldiges direktes Gespräch zwischen dem Hauptstadt-Bürgermeister und dem Präsidenten ist wahrscheinlich.

Das Einknicken der Regierung kann auch als Versuch der Schadensbegrenzung aufgefaßt werden. Je mehr der Präsident sowie die Parteihierarchien von PAN und PRI den Hauptstadt-Bürgermeister zuletzt attackierten, desto mehr wuchs dessen Popularität. Andrés Manuel López Obrador steht nun vor der Herausforderung, seine enorme Beliebtheit über 14 Monate bis zu den Wahlen zu erhalten. Daß ihn seine Partei der Demokratischen Revolution (PRD) Ende Juli zum Präsidentschaftskandidaten küren wird, ist so gut wie ausgemacht. Die konservative Regierung Fox hat mit ihrem plötzlichen Umschwung die Hardliner in den eigenen Reihen düpiert.

 Quelle:  
  http://www.jungewelt.de/2005/04-29/008.php 
 

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