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Erst geknüppelt, dann vergewaltigt

Eine Woche danach: Polizeiübergriffe in Atenco beschäftigen Mexikos Innenpolitik immer stärker

junge welt vom 11.05.2006
Von Gerold Schmidt (npl), Mexiko-Stadt

  Eine Woche nach den Aufständen der Bevölkerung von San Salvador Atenco nahe Mexiko-Stadt gegen Polizeiübergriffe auf ambulante Blumenhändler spitzt sich die politische Auseinandersetzung um den Vorfall weiter zu. Während die Staatsanwaltschaft inzwischen 189 der über 200 Verhafteten wegen Bildung einer »kriminellen Vereinigung« angeklagt hat, soll es am heutigen Donnerstag weitere landesweite Proteste und Straßenblockaden verschiedener sozialer Bewegungen geben. Ihr Ziel ist die Freilassung der Beschuldigten. Diese seien »politische Gefangene« und Opfer eines Racheaktes staatlicher Repression. Bereits in den zurückliegenden Tagen gab es zahlreiche Proteste, darunter vor mexikanischen Konsulaten und Botschaften im Ausland.

Besondere Brisanz gewinnt die Lage durch die Präsenz von Subcomandante Marcos, dem Sprecher der aufständischen Zapatisten aus dem Bundesstaat Chiapas, in der Hauptstadt. Marcos will seine im Rahmen der von den Zapatisten initiierten »anderen Kampagne« durchgeführte Rundreise durch das ganze Land zur Bündelung antikapitalistischer Kräfte so lange unterbrechen, bis die Inhaftierten frei sind.

Die öffentliche Betrachtungsweise des Konfliktes hat sich inzwischen verändert. Noch vor Wochenfrist bezeichnete Präsident Vicente Fox den Widerstand aus Atenco als »Angriff auf den Rechtsstaat«. Mitglieder des Volksbündnisses zur Verteidigung des Landes ( FPDT) kamen am 3. Mai von der Polizei bedrohten Blumenhändlern im Nachbarort Texcoco zur Hilfe. In der darauf folgenden neunstündigen Straßenschlacht schlugen sie die Polizei mehrfach unter dem Einsatz von Macheten und Molotow-Cocktails zurück. Dabei gab es viele, zum Teil schwer Verletzte auf beiden Seiten. Ein 14jähriger starb an einer Schußwunde. Die Mainstreammedien, allen voran Fernsehen und Radio, begleiteten die Wiederherstellung von »Recht und Ordnung« durch den von der Verhaftungswelle begleiteten Einmarsch von 3000 Polizeikräften am Folgetag nahezu jubelnd. Gewalt schien nur von den rebellischen Bewohnern auszugehen.

Nach und nach bekanntgewordene Bilder und Details zeigen jedoch andere Fakten. So deutet vieles darauf hin, daß der Jugendliche durch eine Polizeikugel starb. Die extrem brutale Behandlung bereits festgenommener Personen durch die Uniformierten, die offenbar vorsätzliche Zerstörung von Wohnungen prominenter FPDT-Mitglieder sowie folterähnliche Praktiken auf dem Transport zur Haftanstalt sind inzwischen breit dokumentiert. Zwei in Atenco anwesende Spanierinnen und eine Chilenin, die zusammen mit einem Landsmann und einer Deutschen in Atenco verhaftet und Stunden später deportiert wurden, berichten über Vergewaltigungen und sexuelle Belästigungen während des Polizeigewahrsams. Das Menschenrechtszentrum Miguel Augustin Pro Juárez berichtete von einer Mehrfachvergewaltigung einer weiteren Frau während des Polizeitransportes. Ein von der Polizei verhaftetes FPDT-Mitglied galt nach Angaben mehrerer mexikanischer Menschenrechtsaktionen vom Dienstag noch als »verschwunden«. Viele Beo bachter werten den Polizeieinsatz in Atenco im Rückblick als eine Strafexpedition, mit der ein Exempel statuiert werden sollte. »Es riecht nach Rache«, faßt die Wochenzeitung proceso den Eindruck zusammen.

Wie die Verfahren gegen die Verhafteten und die Aufarbeitung der Ereignisse sich in den kommenden Wochen entwickeln werden, ist angesichts der durch die Anfang Juli anstehenden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen sowie der schon aufgeheizten politischen Atmosphäre in Mexiko schwer abzusehen. Deutlich abgezeichnet hat sich allerdings die Repositionierung der »anderen Kampagne« und der Zapatisten. Die Marcos-Rundreise fand in den vergangenen Monaten weitgehend unbeachtet von den Medien statt. Sie diente vor allem dem Zuhören und der Abstimmung in kleinem Kreis mit Hunderten Organisationen, die in der traditionellen mexikanischen Parteipolitik keine Perspektive sehen.

Jetzt sind die Scheinwerfer aber auch wieder auf die »andere Kampagne« und den Subcomandante gerichtet. Dieser antwortete am Wochenende mit einem durch den Konflikt in Atenco begründeten Schwenk in seiner Medienpolitik. Erstmals seit fünf Jahren gibt er wieder Interviews. Durchaus ein Balanceakt: Nachdem Marcos das erste ausführliche Gespräch der Tageszeitung La Jornada gestattete, kam er am Dienstag morgen zu einem Live-Interview in die Studios des Mediengiganten Televisa. Den Privatsender hatte er in der Vergangenheit nicht ohne Grund immer wieder als einen der Hauptverantwortlichen für die Desinformation der Öffentlichkeit kritisiert.


 Quelle:  
  http://www.jungewelt.de/2006/05-11/042.php 
 

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