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Oaxaca-Ticker 14. September

Direkte Solidarität Chiapas vom 14.09.2006

  APPO-Urabstimmung über Verhandlungsvorschlag des Innenministeriums

Die APPO und die Sektion 22 der LehrerInnengewerkschaft (SNTE) hat ihre Konsultativabstimmung zum grössten Teil beendet und es scheint so, als das Volk und die LehrerInnen den Verhandlungsvorschlag des Innenministeriums grossmehrheitlich zurückweisen. Dieser Vorschlag beinhaltet nicht einen einzigen Punkt, der mit den Forderungen der Bewegung übereinstimmt und beschränkt sich ausschliesslich auf finanzielle und materielle Verbesserungen für die Lehrer und Lehrerinnen. Er wird allgemein als »Kaufangebot" für die Sektion 22 der SNTE gedeutet und entspricht etwa dem Stand der Dinge wie sie sich im Mai dieses Jahres darstellten. Es ist ein Angebot mit dem Hintergedanken die Bewegung zu spalten, indem man der grössten Fraktion ein attraktives Angebot unterbreitet und den Rest der Bewegung ausschliesst, eine Sache, die in Oaxaca im Moment nicht funktioniert. Die APPO hat entschieden, dem Innenminister Abascal einen Gegenvorschlag zu unterbreiten, der auch die Forderungen des Volkes beinhaltet, also auch die Absetzung von Ulises und seiner Regierung.

Erster Akt der PRIAN im Senat: Keine Besuch in Oaxaca und Verschiebung der Entscheidung über Absetzung Ulises

Im seit Anfang September neu konstituierten Senat wurde gestern entschieden, keine Delegation nach Oaxaca zu entsenden um die Situation vor Ort zu prüfen. Gleichzeitig wurde der Entscheid über das weitere Vorgehen bezüglich der geforderten Absetzung der Behörden in Oaxaca auf heute verschoben. Schon im alten Senat wurde ein Begehren mit dem gleichen Ziel eingereicht und abgelehnt. Der neue Senat hat nun entschieden diesen früheren Entscheid als ungültig zu erklären und die Sache von Grund auf neu zu prüfen. Es wird aber allgemein erwartet, dass ein neuer Entscheid ebenfalls negativ ausfallen wird. Interessant an dieser Geschichte ist, dass es die erste Aktion der PRIAN ist, der stillschweigenden Koalition zwischen PRI und PAN, die sich jetzt im neuen Senat präsentiert um zusammen mit dem zukünftigen Präsidenten ein unregierbares Land wieder regierbar zu machen. Mit anderen Worten ist es der Versuch eine demokratische Diktatur zu installieren.

Mexiko wird unter dem Panisten Calderon also wieder zur »bewährten" Parteidiktatur zurückkehren wie sie von der PRI während 71 Jahren praktizierte wurde. Calderon präsentiert dies als demokratischen Brückenschlag, im Interesse des Gesamtvolkes. Während die PRI dies als willkommene Möglichkeit für die Rettung ihrer angeschlagenen Struktur sieht, kommentieren politische Analytiker dies zurückhaltend als möglicher Kardinalfehler von Calderon, weil die PAN dadurch in Abhängigkeit der PRI gerät. Womit sie wahrscheinlich recht haben. Mit anderen Worten: Es ändert sich nichts in Mexiko, die PRI regiert weiter, jetzt mit ihrem PAN-Präsidenten Calderon. Für die Bewegung in Oaxaca bedeutet dies, dass eine Absetzung von Ulises Ruiz auf legalem Weg nicht stattfinden wird − eine Militärintervention rückt damit wieder ein Stück näher.

Militär fliegt Soldaten nach Oaxaca − die APPO fordert internationale Menschenrechtsgruppen auf, ihre Präsenz aufrechtzuerhalten

Gestern wurde von der APPO beobachtet, dass auf dem zivilen Flughafen von Oaxaca ein Herkules-Militärflugzeug mit einem weiteren Kontingent Soldaten der mexikanischen Bundesarmee landete. Die APPO fordert die Bundesregierung ein weiteres Mal auf, die Militarisierung Oaxacas einzustellen. Das Militär rechtfertigt die ungewöhnlichen Bewegungen und Verstärkungen damit, als es sich um Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Defilee vom 16. September handle. Oaxaca verzeichnet aber im ganzen Bundesstaat eine Massierung von Militärkräften, die strategische Punkte besetzen. Diese Entwicklung ist beängstigend und darum forderte die APPO nationale wie internationale Menschenrechtsorganisationen auf, in den nächsten Tagen weiter präsent zu sein.

Ulises darf nicht schreien

Und der Gouverneur Oaxacas, der in seinem Heimatdorf zur »Persona Non Grata" erklärt wurde und in jedem Winkel seines Regierungsgebietes Gefahr läuft, geteert und gefedert zu werden, darf jetzt nicht einmal den traditionellen Schrei zur Freiheit (»El Grito") am Unabhängigkeitstag, dem 15. September, ausrufen. Die Kongressabgeordneten forderten ihn per Petition auf, aus Sicherheitsgründen am 15 und 16 September an keinem Ort öffentlich aufzutreten. Es scheint so, als habe Ulises dies akzeptiert, womit er auch eine Einladung des Touristenortes Huatulco zurückweist. Huatulco scheint den Wert des Gouverneurs als Tourismusattraktion erkannt zu haben und wollte ihm den »Grito" in touristischem Ambiente ermöglichen.

»Chucho Bolas" hat nichts gelernt und lässt Bäume fällen, das Volk stoppt dieses Unterfangen und fordert seinen Abgang.

Foto vom Fällen eines BaumesDer PRI-Gemeindepräsident der Stadt Oaxaca heisst Jesús Angel Díaz Ortega, wird aber allgemein nur »Chucho Bolas" (Faulpelz) genannt. Er steht Ulises sehr nahe und versucht seit drei Monaten aus der Klandestinität heraus die Stadt zu regieren. Leider hat er nichts aus der jüngeren Geschichte Oaxaca gelernt und so liess er diese Woche an der Hauptumfahrung Oaxacas (der Panamericana) verschiedene Bäume fällen. Dies sei nötig um das Stadtbild zu verbessern, liess er aus dem »Untergrund" verlauten.

Erinnern wir uns kurz: Ulises ordnete zu Beginn seiner Amtszeit die Restaurierung des Zocalos an und begann dessen Bäume zu fällen, was zu einer ausgewachsen Protestbewegung führte. Es war der Beginn des Volkszorns gegen Ulises. Die Leute in Oaxaca lieben ihre Bäume, es gibt nichts Angenehmeres als in den Parks und Hinterhöfen einige Minuten innezuhalten und das angenehme Mikroklima eines schattenspendenden Baumes zu geniessen. »Das grüne Antequerra" nannten die Spanier diesen Ort, als sie ihn besetzten, in Anspielung an die alte Stadt im Herzen Malagas. Sie waren fasziniert über die grüne Oase und bis vor kurzem war Oaxaca für seine grünen Zonen, die in der ganzen Stadt vorhanden waren, bekannt.

Mit »Chucho Bolas" und Ulises ging allerdings das grosse Abholzen los und gestern provozierte dies eine weitere Besetzung der Volksbewegung. Als eine fast 200-jährige Palme an der Panamericana umgesägt werden sollte, verhinderten die Anwohner diesen Akt. Was nun folgte ist kein Witz, sondern Ausdruck des PRI-Umweltbewusstseins: Die Anwohner untersuchten den Baum genauer und stellten fest, dass er im Innern mit Zement und Ziegelsteinen befestigt war und der Stamm teilweise aus Zement modelliert und nachträglich als Kulisse bemahlt wurde. Als der altersschwache Baum vor einiger Zeit erkrankte, beschloss die Stadtregierung eine Radikallösung, nämlich diese lästigen Bäume zu entfernen. Das passte ausgezeichnet zu einem grossangelegten Strassenerweiterungsprojekt, welches von PRI-Bauunternehmern, zusammen mit »Chucho Bolas", geplant war. Die Idee war, die Bäume ersatzlos zu streichen um die Strasse zu erweitern. Damit das Volk nicht in die Quere kommt, wenn es sich darüber empören würde, präsentierte man einen unverdächtigen Projektvorschlag und die alterschwachen Bäume wurden kurzerhand mit Zement gefüllt, damit diese bis zum Baubeginn einen ordentlichen Eindruck machen. Gestern nun ist die ganze Geschichte aufgeflogen und hat den Volkszorn noch weiter angeheizt. Die Leute fordern nun endgültig, dass neben Ulises auch »Chucho Bolas" endlich den Hut nehmen soll.

Die Arroganz der Macht − die nationalen Fernsehketten in der Berichterstattung über Oaxaca

»Tercer Grado" heisst eine Diskussionsrunde im privaten und mächtigen Fernsehkanal »Televisa", die im Vorfeld der Wahlen installiert wurde. Die Sendung sollte ein Diskussionsforum auf höherem Niveau darstellen. An dieser Runde nehmen bekannte Nachrichtensprecher und Journalisten teil, die versuchen, Tendenzen im Politikgeschehen kontrovers zu diskutieren. Doch das Niveau ist derart tief, dass es manchmal fast nicht zum aushalten ist, unter anderem auch darum, weil die Diskussionsteilnehmer hochgradig rassistisch sind (selbstverständlich ohne dies selber anzuerkennen). Gestern war das Thema Oaxaca und es war der Triumph der Arroganz und des Rassismus. Der dominante Unterton war, dass die Leute in Oaxaca einfach zu blöd und zu gewalttätig sind um einen zivilisierten Staat zu bilden, Ulises mit eingeschlossen, und dass da einfach mal die Bundesregierung für Ruhe sorgen soll, damit diese Indios endlich wieder zu zivilisierten Menschen werden können und dem guten Be ispiel der zivilisierten Bundesstaaten im Norden und insbesondere Mexiko Citys folgen können.

Die Empörung darüber hier in Oaxaca ist gross, zumal diese Sendung von Millionen gesehen wird. Das Problem ist, dass die Nachrichtensprecher hier eine extreme Macht besitzen, gleichzeitig aber − im internationalen Vergleich − das tiefste journalistische Niveau haben und jegliche journalistische Professionalität vermissen lassen. Was hier in Nachrichtensendungen präsentiert wird ist »Infotainment" in Reinstform, wobei das Entertainment einen 90%-Anteil innehält. Berlusconi in Italien könnte durchaus von Televisa und Tele Azteca lernen. Das führt dazu, dass ein Autounfall in den Hauptnachrichten während 40 Minuten behandelt wird, um dann noch schnell zum Libanonkrieg ein paar verletzte Kinder im Spital zu zeigen. Und dieselben Leute, die diese Art Nachrichten machen, sind Teilnehmer in der erwähnten Sendung »Tercer Grado«.


Quelle:
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