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Interview mit Gloria Muñoz

»Heute kehren viele Familien zurück zu den Zapatisten«

junge welt vom 05.01.2007
Interview: Luz Kerkeling

 

Mexikanische Rebellen erreichen trotz anhaltender Armut soziale und politische Fortschritte und gewinnen an Stärke. Gespräch mit Gloria Muñoz

(Gloria Muñoz ist mexikanische Journalistin, Buchautorin und Mitherausgeberin der prozapatistischen Zeitschrift Rebeldía. Sie hat seit über acht Jahren intensiven Kontakt zu den zapatistischen Gemeinden, die sich 1994 mit der Forderung »Land und Freiheit« erhoben haben.)

Vor über drei Jahren, im August 2003, hat die Zapatistische Armee zur Nationalen Befreiung (EZLN) begonnen, vor allem in die Entwicklung der Gemeinden in Chiapas zu investieren. Was ist seither geschehen?

Damals wurden im Aufstandsgebiet fünf »Räte der guten Regierung« eingeweiht. Diese Räte werden von Männern und Frauen aus den zivilen Gemeinden gebildet, die die EZLN unterstützen. Wichtig ist vor allem die Selbstverwaltung. Die Gemeinden kümmern sich um die Kommunikation nach außen, um soziale und kulturelle Projekte und um die Vermittlung bei Konflikten. Sie sollen außerdem dazu beitragen, daß der Entwicklungsstand der Dörfer angeglichen wird. Wichtig ist, daß die Funktionsträger jederzeit absetzbar sind. Die Gemeinden sind noch immer arm und das Gebiet ist alles andere als ein Paradies. Doch seit Beginn des Aufstands von 1994 hat sich sehr viel verbessert, vor allem in den Bereichen Bildung und Gesundheit.

Wie ist die aktuelle Stärke der zapatistischen Bewegung einzuschätzen?

Ende der 1990er Jahre hat eine nicht unbedeutende Anzahl von Familien der Bewegung den Rücken gekehrt. Dies hängt mit der militärischen Belagerung, mit paramilitärischem Terror und ökonomischen Bestechungskampagnen der Regierung zusammen. Doch wenn die Almosen zu Ende gehen, merken viele Menschen, daß die Regierung keine nachhaltige Lösung bieten kann. Heute kehren viele Familien wieder zurück zu den Zapatisten − und damit zum Kampf um ein Leben in Würde. Die Bewegung ist heute stärker denn je.

Vor allem die Vermarktung der Agrarprodukte soll neue Perspektiven schaffen. Was unternehmen die Zapatisten in diesem Bereich?

Mais und Bohnen sind in den Gemeinden die Grundnahrungsmittel. Häufig gibt es kaum Überschüsse, die vermarktet werden könnten. Aber das ist ein Problem des gesamten mexikanischen Landwirtschaftssektors. Es gibt derzeit große Anstrengungen, die alternativen Vertriebsnetze, etwa für Kaffee, zu erweitern. Die Probleme sind keineswegs gelöst, aber was heute stattfindet, war vor 13 Jahren undenkbar.

Wie schätzen Sie die »Andere Kampagne«, die Initiative für ein breites außerparlamentarisches Linksbündnis in Mexiko, ein?

Diese Kampagne, die mit zivilen Mitteln für eine linke antikapitalistische Gesellschaft kämpft, fordert das gesamte System heraus. Sie ist aber wie alle Bündnisse vor allem eine Herausforderung für die Mitglieder selbst. Es ist wirklich schwierig, einen kontinuierlichen Prozeß in Gang zu setzen. Trotzdem glaube ich, daß die »Andere Kampagne« die einzige Alternative für Mexiko ist, auch wenn es sehr lange dauern kann, bis sie wirksam wird.

Weshalb ist eine solche Alternative notwendig?
Die politischen Parteien und die Institutionen haben der großen Mehrheit der Bevölkerung den Rücken gekehrt. Die »Andere Kampagne« bietet mit ihrer Offenheit eine einzigartige organisatorische Perspektive. Und wir dürfen nicht vergessen, daß sie im Gebiet der Zapatistas entstanden ist. Dort wurde schon bewiesen, daß es möglich ist, etwas Neues aufzubauen.

Zum Jahreswechsel hat in Chiapas ein »Internationales Treffen zwischen den zapatistischen Gemeinden und den Völkern der Welt« stattgefunden. Daran haben über 2000 Internationalisten aus 48 Staaten und mehr als 3000 Zapatisten teilgenommen. Was wurde diskutiert?

Das Treffen war zunächst eine logistische Meisterleistung. Eine Zusammenkunft dieser Art hat es zuvor nicht gegeben. 232 Mandatsträger der Gemeinden, der autonomen Landkreise und der »Räte der guten Regierung« haben ihre Arbeit vorgestellt. Sie benannten immer wieder auch eigene Fehler und Unzulänglichkeiten. Oft war selbstkritisch zu hören: »Es fehlt noch viel«. Es ist den Zapatistas wichtig, den Aktivisten aus anderen Regionen Mexikos und verschiedenen Ländern zuzuhören und Erfahrungen auszutauschen. Die internationale Vernetzung hat einen sehr hohen Stellenwert.

 Quelle:  
  http://www.jungewelt.de/2007/01-05/029.php 
 

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